Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land (25) — 1890

DOI Kapitel:
Nr. 201 - Nr. 210 (3. Septmber - 14. September)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44151#0805

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ä"äs_l‘ld; mit Ausnahme der Sonn⸗ und Feiertage.
"nit Unterhaltungsbeilage. Preis vierteljährlich
— — — Befiellungen
— u bei der Expedition Zwingerfitaße 7.

Verantwortlicher Redakteut:
Julius Jeder in Heidelberg.

/



z



E ED

1 f 3

‘® AMlcber Etaetstirgentbum
dem Cohlenzer Katholikentag Dr. Sieben,
— Qandaemann. Cine Bartei, ſo führte
4 aus, die liberale, nationalliberale, will
(B der Kirche auf Staat und Leben zurück⸗
Jie Batte. ihre ichärffte Spiße Anfangs der
%> fie üft diveft. rchenfeindlich. Die zweite
* diejenige, welche vorgiebt, firchenfreund-
, aber nur, um der Kirche unter die Be—
des Staates, inſonderheit der Bureaukratie,
Dieſe Richtung nahu ihren Anfang ſchon
AOrhundert, war al nach dem Vorbilde der
8 Sürften auch im kaͤtholiſchen Lager Ein—
1 Oberleitung der Kirche verfucht wurden,
Srfolg. Am fchlimmften zeigte fich dies
in Die Revolution hätte nie‘ und nimmer
quen Umfang gewinnen fönnen, wenn der
40 der untere, nicht durch 4 4 4
— in feiner Freiheit gehemmt und
en worden wäre Wäre die Kirche frei
CN Hätte die nothiwendige Neform der ge—
m.. Buftände ohne einen Blutstropfen durch⸗
ſen. Ludwig XVI. erntete auf dem Schaffot
Wwelche Ludwig XIV.. gefäet hHatte. Eine
"iappe des Staatskirchenthums war der
us, welcher ſich gegen das Primat des
8 auf die Loslöſung von Rom, auf eine
e richtete. Eine Reihe verrätheriſcher
8 trat dieſer Bewegung in der Emjer
dei, auch der Kurfürft von Mainz, ſie
. der franzöfijchen Nevokution ihren ver⸗
Ön In Defterreich war es Zofef IL, von
M Großen {pöttijch Bruder Sacriftan ge-
ſich Eingriffe in die Leitung der Kirche
Ate noch ihre Spuren aufzuweiſen haben
3l jener Zeit beffer daran, aber der
'%eßronianijcf)e Geiſt wirkte noch unter
bır Hach. 1817 fam ein Corcordat zit
— firchliche Freiheit im Wefentlichen
H ber ſchon im nächjten Sahre juchte man
Öffung durch eine Hinterthür eine Gevor—
Küche feftzulegen ; und dieſer Geiſt ift
* behoben. In Preußen wuͤrde 1821
fuIIe de salute animarum der Verſuch ge⸗
1 enchen Kirche die Freiheit wiederzu—
8* blieb noch viel von Bevormundung
fn Cat Hbrig. Kurz, in der erften Hälfte
überall in Deutſchland

eres herrſchte
— Die Morgenr öthe beſſerer Zu⸗

ſtände brach erſt an, als 1838 der gewaltige Görres
in feinem „Athanafius“ ſeine Stimme erhob und die
Rechte der Kirche reklanirte Die preußiſche Ver⸗
faſſung mit ihrer garantirten Parität beider Confeſ—
ſionen iſt der Erfölg der gewaltigen Volksbewegung,
velche jener große Mann aͤngefacht hat. Das jebige
Staatskirchenthum, ein Ausfluß jenes Polizeiſyftenis,
welches in der Frankfurter Kirchenpragmatik ſeinent
Ausdruck fand, beide gleichen ſich wie ein Ei dem
andern. Wenn Sie nun fragen, weshalb gerade
das katholiſche Baiern ſich nicht vom Staatskirchen⸗
thum losreißen kann, ſo antıvortete ich, daß Baiern
noch immer unter dem Banne des Galicanismus und
Febronianismus ſteht. Selbft Ludwig I, der Görres
nach München berief, er konnte ſich nicht enthalten,
ſich in die rein kirchlichen Verhältnifje einzumifchen.
Dieſer Geiſt muß ſich jetzt ir Dden lLeitenden Kreiſen
Baierns verſtärkt haben, ſanſt könnte ıman es fich
nicht erklären, weshalb das Tagen dieſer Generalber!
ſammlung in Wünchen verhiudert worden iſt (ſehr
wahr!) Die Kirche darf nicht die Magd des Staates
ſein. Gewiß, manches iſt bei uus beſſer geworden,
aber noch ſind wir nicht am Ziele angelanht, noch
dürfen wir nicht müßig die Hände in den Schoß
legen, denn noch hefißt die Kirche nicht jene Unab—
hängigkeit und Freiheit, deren ſie bedarf, noch ſchaut
von tauſend Ideen daͤs Staatsfirchenthum herbor
welches ſchlimmer iſt,
noch das polizeiliche Bevormundungsſyſtem
keine Berechtigung und keinen Sinn
unvereinbar iſt mit den
Dagegen wollen wir ankämpfen, wo immer e8 ſich
findet. Mögen aber auch Diejenigen, welche am
Nuder des Staates ſtehen endlich die Lehren der
Geſchichte begreifen und beherzigen, (Beifall !} mögen
ſie die Stricke löſen, mit denen ſie die Kirche gefangen
halten; damit die freie Kirche dem Staat alle Kraͤfte
zur Verfügung ſtellen kann für die große ſoziale Auf⸗
gabe, die er allein nicht köfen kaͤnn von deren glück—
licher Löſung aber das Heil der Zukunjt abhängt.
Das walte Gott! Eebhaͤfter Beifall.)

Deutſches Reich.

* Berlin, 1..Sept. Die „Hamb. Lachrichten?
ſagen, angeſichts der bedeutenden Stellung
des Centrums in politiſchen Leben werde den
Koblehnzer Katholitfentag ungewöhnliche Auf⸗
merkſamkeit geſchenkt. Der Reichsboͤte erklärt, die
Katholikentage ſind Manövertage der Weltmacht, die

welches
mehr hat und
modernen Anſchauungen.






A Eine elſaſfiſche Erzählung.)
2

8 Meiſters Zoh Keßplar verräth eine un-
tYeutf)eit. Zum erſten Male laͤßt er ſeine
MVuchie Vfeife, ein mwahrer Schaß in den
%ehßerß, unberührt und ftarrt mit zufammen

* Wwir Diefe von Louis Chaltino im orleaniftifchen,

i a‚i%‘mber curr. eingegangen ‚Francais‘ veröffentlichte
) te hadherzählen? Aus macherlei Gründen, . Der
den Nachweis zu Tiefern, mit welden Mitteln
TeitenS der Rechten die Revancheidee gehegt und
/ ;}e‘‚ Deutſchen genährt und gepfiegt wird. Selbft
/ gm“‘f(eton wird feiten8 der fünften Großmacdht, der
in s taucht, um die Gemüther nicht zur Ruhe Lommen
— —— Erregung 3zu erhalten. Mit der hiſto⸗
5 Gei folden Muffäten erft recht nicht genange⸗

4


Q 8 Mößigung die Beiwunderung der unbetheiligten
* wird zum Trinfer und Mädchenjäger degradirt —
HOS zum Bwet der Völferverheung zı dienen.
HOC f bon den erdicten Unterlaffungsfinden Dder
fie Sitens der deutſchen Truppenführung, welde mur
4 S Erzählers eriftiren. — DBerrath, Spionage,
Tanctireurs, welche Tags Über den Idioten
Bauern. ſpielen wird al8 patriotijche. Tugend
eind aber al8 dumm und verſoffen geſchildert.
$r fonft viele hübſche Stellen enthaltenden. Er-
Vanzofjen nichts gelernt und vergeſſen haben
&E muß man durch den Schluß der Erzählung
* ‚Berbrechen förmlich unter den Squb _ver Bl
0 4i Diefes dck Aaſſiſchen Jugend als Mufter vorge⸗
* Vejer au8 diefer Erzählung de Schlnßfolgerung
/ Vatriotismus niemals mit Sanatismus“ und
a 8 ſoll und darf Dabei foll eine Anzahl von
f A10S= arnıd Kindesliebe der befonderen Beachtung
M fein. Der Neberfeber,








Anzeige-Blatt für die. Amtsbezirke Heidelbers

Labenburg, Weinheim, ShHwebingen, Philippshurg,

Wiesloch, Bruchfal, Gretten, Nedargemünd, ED?oäbam,

Eberbach Buchen Walldlirn, T.-Bifchofsh. Wertheim 2c.

Drud, Verlag ı. Erpedition von Gebr., Huber
in Heidelberg, Zwingerfirake 7.

Roms Macht und Hierarchie Der Reichsbote“
Pricht vom ftarken Centrum nud glänzen⸗
den Latholtkentagen, ſchinipft jedoch furchtbar
über Roms Weltmachtbeſtrebungenl und feine fittliche
Verflachung. Aus jeder Zeile ſieht aber der Neid
heraus, daß die Paſtoren des Reichsboten! keinen
ſolchen Tag zu Wege bringen.

= Mean ſchreibt der Frankfurter Zeitung: Da
die Beziehungen Bismarck’8 zu Kaiſer Wil-
helm I jetzt auf der Tagesordnuͤng ftehen, mag da⸗
rauf hingewieſen iwerden, daͤß der Kanzler ſelbſt
jehr genaw wußte, in wie Hobhem Maß er die Empfind⸗
lichkeit des kaiferlichen Lerru zu ſchonen hatte‘ So
erzählte er im engeren Kreiſe gerne folgendes Erleb-
niß. Im franzöfifchen Krieg ſaßen der König und
Bismarck einmal neben einander im Eijenbahntwagen,
als der Zug auf einer Station hielt und die laute
Unterhaltung deutſcher Stimmen vom Bahnperton
in _ Dden Wagen drang. €& war die Rede Ddavon,
daß die deuͤtſchen Truppen einen beftimmten Ort
erreicht hätten, und Jemaͤnd vief froh: Ka die Bis!
närcker ſind ' angefommen. Sofort ſagte der König:
Was meinten die Leute da draußen ? Bismarck gab
vOr, nichts verſtanden zu haͤben! Dann ſchwiegen
beide, aber nach wenigeuͤ Minuten nahın der König
wieder das Wort: „Das Voͤlt ſollte doch wiſfen daß
es meine und nicht Ihre Truppen find.“ Seitdem,
Jo _ endete der Kanzler feine Crzählung, mahnt meine
Frau mich oft an jenes Wort und, wenn irgendiwo
das Selbftgefühl des alten Herrn durch meinen Cinz-
fluß verleßt werden kanı warnt ſie mich ftet8: Denf
an die Bismärcker! —

— Der „Kremzzeitung“ zufolge erhielt Dr. Peters,
der geſtern vom Kaifer empfangen und zum Thee ge⸗
laden wurde den Kronenorden Dritter Klaſſe.

— Der Reichsanzeiger veröffentlicht die Ernennung
des Heſandten von Eijendecher in Karlsruhe zum
Wirklichen Geh. Raͤth mit dem Prädikat Erzellenz.

— Der Reichsbote {Areibt: Wie alljährlich zur
Mandverzeit, 10 gehen auch jetzt uns wieder Nach⸗
richtenzu, daß an manchen Orten während des Gottes-
dienſtes am Sonmitag-Morgen Appelle und Lumpen⸗
paraden gehalten wörden jeien. — E3 wäre doch dringend
u wünſchen, daß das die Hrn Regiments-Commandeure
ein für alle Mal verbieten möchten. Es wirkt in
den kleinen Ortſchaften nicht bloß im höchſten Grade--
ſtörend auf den Gottesdienſt, ſondern macht auch einen
ſehr ſchlechten und gewiffenverwirrenden Eindruck Wenn

ſelbſt auf hoher See den Gottesdienſt

unſer Kaijer j
abhält, dann ſollen auch feine Öffiziere .. das Shrige











ſich römifche Kirche nennt; Alles dreht ſich dort am


ſich nieder Nahe beit der treuen Gefellichafterin, der Bfeife,
findet ſich eine Flafche braunen Bieres, welches fonit . bei
dem braven, Landmann immer ein ganz befonderes liebe:
bolles Augenzwinkern und ein unfreiwilliges ſehnſüchtiges
der Lippen hervorzubringen pflegte. — Heute
aber nicht

Yuf zehn Stunden.in der Runde braut Niemand einen
joldh” . frefflidhen Stojf lederen, fräftigen Gerſtenfaftes
Meiſter 500 weiß das und diefe Grwißheit veranlakt ihn
oft, Jeine Eitelfeit als Befißer der Bierbrauerei zur. Schau
zu fragen. Er bewunderte früher oft den Schaun, der in
dem Glaſe emporfteigt. und ſein Yier, das {o prächtig im
Sonnenlichte funkelt. . . **

Wenn jonft Meifter Job in der geräumigen Nüche ſeiner
Frau faß feine LieblingSpfeife 3wijhen den HähHnen, eine
Flaſche jeines guten Biere8 im Bexeiche feines ÄArmes und
das blonde Gretchen, feine liebliche Tochter, unter den
Yırgen, fenkte er mancdhmal die Augen und Thränen :der
HZärtlichkeit, welche über Feire Wangen. herabfloffen, . ver-
mi{cdhten fidh mit dem braunen Gerftenfafte,

Meiſter Job ijt in der That der glücklichſte Menich,
welden man im ganzen {Hönen Eljaß antreffen fann.
Seine Befißung, ift vorzünglich bewirthſchaftet und von un-
Lwoͤhnlichen Umfange. Der BHiederhof, . fo Heißt die Be-
NBung des Meifters Kob, zahlt über eine Stunde im Unm-
fange und wenn Sob den geringiten Ehrgeiʒ befiben wmürde,
wäre er fhon Maire (Bürgermeifter) der Gemeinde, Bor-
fißender des Kirchenvorfiandes eder gar Mitglied des
Kreistages. Auf Wwiederholtes Dringliches Hureden der
Bewohner von RKiesweiler und fogar auf die Bitten des
Herrn Pfarrets ein ſolches Amt anzunehmen, hatte Job
mur Worte der hHöflichen, aber feften Ablehnung ieglicher
— wobei er feine jelbfigenügende Gitelfeit durch⸗
blicken ließ

Meifter Kob fragte früher einm ;
des Herrn Pfarrer3, die kräftige Beine, die Goͤtt ihm ge-
geben, üÜbereinanderfhlagend und ſeinen maffipen Ropf
zurüdwerfend, dem würdigen Bajtor familiär auf die Achjel
klopfend als diefer ihn bat, die Stelle des Maire anzu⸗

al bei einem Beſuche









— —
‚Herr Baltor,. welcke
eſchäfte bejorgt ?“
üte gegen den Frager
Namen Frig Diesbaͤch

nehmen: Es bleibt zwifchen uns,
Perſon iſt eS, welche Die Gemeindeg
Ubbe Stosbach Kächelte, verben
ſeine Lange Gejtalt und mmurmelte den
Der Mund des Meilters Kob Öffnete fich joweit. al
nihglich und ein Laute8 Laͤchen entrann jeinen Qihpen,.
während fich fein ganzer Mörper. Ichüttelte.

” „ Sa Fris Diesbach ! der in meinem Hauſe und mit
meinen Mitteln „erzogen . wurde. Fritz Dieskaͤch : deffen
Bater mein Freund war, und weldher meine, Tochter. hei
rathen wird. Fris iſt Maire von RieSweiler, €& 1i aber Job
Teßblar, velcher ihıt Lenkt. Sehen Sie, mein lieber Herr
Bfarrer, der an die Spige der Geſchafte neffellte Manı —
hat biel mehr Sorgen, aber weit weniger Vobularität als
Derjenige, weicher folde Ehrenftellen QUS| DE —
Nicht ein einizger Landwirth wird den Gedanken faffen,
Feitz Diesbach aufzufuchen, ehe er nicht vorbher Kath bei
Meißer IJob gebolt hat“ )

Abhẽ Stosbach beitätigte Hillijdhweigend die Diplomatie
Teines braven Freundes, Er weiß, daß der Beſitzer von
DBiederhof-eine gute Seele ift, mit einem Herzen von ®0o15d,
weldher gerne Sedermann. mit gutem Rath bei. einem guten
Glaſe Bier diente. C

‚Deute aber am 7. Iuli 1870, hielt Meijter. Zob jeine
Pfeife aushehranunt in der Hand und war nicht darauf be-
dacht, fein Glas zu füllen. Er hHatte auch bereits mehrere
Aale jeine ran Ottilie ‚ausgezantt, feine HNeißige, gute
Hausfrau, Melcdhe „die glänzenditen Kupferkafjerollen des
ganzen Landez ihr eigen nennt. E

Die gute Kiche von Viederhof veranlakte nämlid von
Alters her die Reiſenden dort anzuhalten und einen Smbik
zu i zu nehmen, wie auch die Bewohner Riezweiler mit
Borliebe den Biederhof zu beſuchen pflegten.

Auch Gretchen, daͤs blonde TöhHterdhen, fand heute
feine @nade vor den Augen des Vaters. Kaum fand er
e8 für nöthig, ihr den Morgenkuß zu geben und jeit dieſem
AMorgengruße hatte er fein Auge mebr auf die Arme ge
worfen, welche in ihrer gewohnten Ede arbeitete.

Fortſetzung folgt.)


 
Annotationen