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Pfälzer Bote für Stadt und Land (25) — 1890

DOI Kapitel:
Nr. 271 - Nr. 280 (26. November - 6. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44151#1093

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GErfheint täglidh mit Ausnahme der Sonu= und Feiertage.
Samftags mit Unterhaltungsbeilage. Preis vierteljährlich
RE 1.20 obne Trägerlohn ı. Poftanffchlag. Beſtellungen
dei ben Bojtanfialten u. bei der Erxpebitton Zwingerfiraße 7,









Verantwortlicher Redalteur:
Iulins Yeder in Heidelberg.













—— —
Beſtellungen

auf den „Pfälzer Boten für den Monat
Dezember werden bei ſämmitlichen Poſtanſtalten, bei
unferen Trägerinnen, ſowie in unſerer Expedition
Heidelberg, Zwingerſtraße Y entgegengenommen.

Die Erpedition

S@30080000900800000800
Rede des Herrn Prof. Dr. Hardy

auf der Volksverſammlung um Wiederzulaſſung der
kath. Orden zu Freiburg am 23. November.
(Fortſetzung ſtatt Schluß)

Wie iſt das Jeſuitengeſetz zu Stande gekommen?
Hören Sie! Es waren zahlreiche Petitidnen beim
Reichstag eingelaufen. In den einen — ſie kamen
zum Theil aus Gegenden und Kreiſen, wo man noch
nie einen lebendigen Jeſuiten geſehen, geſchweige denn
ſein Thun und Treiben beohachtet und ſeine Lehren
und Anſichten vernommen haͤtte — in dieſen Peti—
tionen hieß es, die Jeſuiten wären unpatriotiſch, ſie
widerſtrebten der friedlichen Entwicklung des Staates,
ſie verabſcheuten jede geſellſchaftliche Ordnung,
die nicht jeſuitiſch ſei u. ſ. w. Denn der ZJeſuit ſchul—
det unbedingten Gehorſam ſeinen Oberen!

Nicht übel. Andere Petitionen, gleichsfalls gegen
die Jeſuiten, gingen von Leuten aus, die mit den
Jeſuiten Bekanntſchaft gemacht hatten, aber ungefähr
etwa ſo wie ein Kind, das ſich an dem Stuhle den
Kopf angeſtoßen hat und dann den Stuhl ſchlägt,
weil er ſo böſe geweſen, ihm wehezuthun. Dieſe
Leutchen hatten gemeint, die Jeſuiten wären ſtumme
Hunde und würden ſchweigen, wenn ein Angriff auf
die Kirche und ihr höchſtes Lehramt gemacht wird.
Sie haben ſich da gründlich verrechnet, und die Ze—
juiten haben ihnen — Altkatholiken haben ſie ſich da—
mals genannt — ordentlich, wie es ſich gehört heim—
geleuchtet. (Stürmiſches Bravoh Daher der Aerger,
und nun mußten die Jeſuiten es verbrochen haben,
daß die Altkatholiken keine guten Geſchäfte machten,
und ſie wurden beſchuldigt, daß ſie Papſt, Biſchöfe
und Prieſter beherrſchen und — wie appetitlich nahm
ſich dies für begehrliche Staatsmänner aus! — hei—
denmäßig viel Geld haben.

Dieſe Petitionen und ihre Hintermänner fanden
Gnade in den Augen des damaligen Reichstags Nach
den viel zahlreicheren Petitionen für die Jeſuiten,

66) Licht und Ichatten. — berd)
Original⸗Novelle von Hanz Jordaens.







Der alte Herr kam nicht zum Schluffe; denn in dieſem
MNugenblid wurde die Zimmerthür weit gedffaet, und der
Diener meldete den Beſuch der Frau Commerzienräthin
Zur Lenne

Unmittelbar darauf betrat die Genannte das trauliche
Wohngemach, . . A

„Ach, wie fchön, wie behaglidh ijt es bei Ihnen,” fagte
die Commerzienräthin im Eirtretenund ſchickte einen raſchen
Blic durch dus gefhmadvoll eingerichtete, hell erleuchtete
Semach. „SIh dachte mir, daß e$ hier in der ılla wie
immer {o {til und anziehend jei, und da trieb eS mich hier
her, um ein Stündchen bei Ihnen verweilen zu FKönnen.”

„Wir find Ihnen ſehr dankbar für dieſen Entſchluß,
anädige Frau,” erwiderte der Präſident galant mit einer
Berbeugung gegen fie. — „Sie verfhaffen meiner Tochter
und mir duͤrch Ihren freundlidjen Befuch eine angenehme
Neberrafhung zum Weihnacdhtsabend.“ —

MNatalie, die von der Ankommenden zärklich umarmt
wurde, zab ebenfalls in herzlichen Worten ihre lebhafte
Freude über das Erſcheinen des Gaſtes zu erfennen, und
die Commerzienräthin, wohlthuend I)erui)_rtvop dem ihr zu
Theil werdenden Empfang, ließ ſich mit (ichtlihen Be-
hagen in dem von NMatalie für fie herbeigerückten Seſiel
nieder. — —

„AUch, wer doch auch eine Tochter Hätte, wie Sie Herr
MRräfident,” begann die Frau mit einem Seufzer, urd ihr
Mlic folgte wohlgefällig.der armuthigen Eri{heinung Na-
talieng, die eben auf ein Seitentiſchchen zujchritt, um noc
einige® für ihren Gaſt Erforderliche Herbeizuholen. „Wie
glücdlich.wäre ich in ihrem Beſitz! — Statt deſſen aber,
fubhr fie, ohne eine Pauſe zu machen, fort, „bin ich mit
zwei Soͤhnen eine kinderloſe Mutter und das jogar heute
am heiligen Wbend, wo ale Welt ſich mit den Seinigen
freut. — Ach Gott, wie anders war es doch im vorigen
Sahre. Da war der Kleine noch da, wir Hatten einen
Chriftbaum, angenehme Geſellſchaft zu Haufe — und ietzt
haben ſich die Zeiten in ſo entfeßlicher Weije geändert.












Seitog, 3







Petitionen, die auch wirklich etwas Greifbares ent—
hielten, die durch Zeugniſſe belegten, daß den Jeſuiten
noch nie eine Verletzung der Verfaſſung und der Ge—
ſetze nachgewieſen worden jei, daß ſie vielmehr nach
den gewiß unverdächtigen Berichten preußiſcher Land—
räthe und badiſcher Amtmänner zur Befeſtigung der
ſtaatlichen Autorität ſehr vieles beigetragen haben —
nach dieſen Petitionen frug man nicht; kamen ſie doch
von Katholiken, von Leuten, welche die Jeſuiten in
ihrem Wirken beobachtet und ſchätzen gelernt hatten.
(Sehr wahr! Sehr richtigh

Der Antrag, die Petitionen der Gegner der Je—
ſuiten dem Reichskanzler zu überweiſen mit der Auf—
forderung, die ſtaatsgefährliche Thätigkeit der
religiöſen Orden überhaupt, namentlich der Geſell—
ſchaft Jeſu, unter Strafe zu ſtellen, dieſer Antrag
wird als „Antrag Wagener“ bezeichnet, und
Wagener iſt ein Konſervatiber. Man hätte ihn aber
auch ebenſogut den „Antrag Bismarck“ nennen
können, denn Wagener war damals, was kein Ge—
heimniß war, gewiſſermaßen Regierungskommiſſär.
In ſeiner Rede zur Begründung ſeines Antrages
ſprach Wagener u. A. Folgendes:

Uns intereſſirt ſtaallich der Papſt gar nicht; wir
haben es mit preußiſchen und deutſchen Unterthanen zu
thun, und dieſe preußiſchen und deutſchen Unterthanen
haben den Geſetzen zu gehorchen, und wenn ſie das
nicht freiwillig wollen, dann wird und muß man ſie
zwingen.“

Jede Bemerkung hierzu würde den Eindruck dieſer
tollen Phraſe ſtören.

Alle Gegenvorſtellungen zur Verhütung des An—
trags „Wagener“ blieben unbeachtet.

So war es doch, wie jeder fagen muß, ein accep—
tabler Borfchlag, den unſer unvergeßlicher Mal—
linckrodt machte, man ſolle vorerſt eingehende Er—
mittlungen über die Richtigkeit der gegen die Jeſuiten
erhobenen Anklagen anſtellen, und wenn ſie als rich—
tig befunden würden, die Schuldigen beſtrafen, wenn
fie ſich aber als Vexleumdungen und falfche Ver—
dächtigungen herausſtellen würden, den Jeſuiten, wie
es recht und billig iſt, eine Ehrenerklärung geben.
Indeß man ſtimnite dieſen Gegenankrag nieder.

Das beantragte Geſetz kam dann vor den Reichs⸗
tag. Der $ 1 deſſelben — die Hauptſache — lautet:
„Der Orden der Geſellſchaft Jeſu und die ihm an—
verwandten und ordensähnlichen Kongregationen ſind
vom Gebiete des deutſchen Reiches ausgeſchloſſen.“
Die anderen zwei SS fügen nichts Weſentliches hinzu—
Das ganze Geſetz konnte ein Hilfsarbeiter auf dem




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Ladenbutrg, Weinheinm, Schwetzingen PHilippSburg,
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Druc/ Verlag ı. Erpedition von Gebr, Huber
| in Heidelberg, Ziwingerfrake 7.









Neichsamt bequem von heute auf morgen machen.
(Große Heiterkeit).

Leichtfertiger, m. H, iſt wohl noch keine Geſetzesvor-
lage ausgearbeitet worden, wie dieſe Wer ſind doch die
verwandten und ordensähnlichen Kongregationen? Das
wußte kein Menſch zu fagen. Ungefähr nach Ablauf
eines Jahres hatte man es endlich herausgefunden
u. die dem preußiſchen Spürſinn zur Ehre gereichende
Entdedung gemgcht, daß die Redemptoriften, die Laza⸗
riſten, die Prieſtex vom hl. Geiſt und die Geſellfchaͤft
vom hl. Herzen Jeſu jeſuitenverwandt ſeien Neber
den Grad der Verwandtſchaft hat man ſich ausge⸗
ſchwiegen. ;

Ich finde dieſes Geſetz höchſt bezeichnend für die
Nera, Bismarck überhaupt, ſoͤweit die innere
Politik in Betracht kommt Ausnahmegeſetze ſind da
über Hals und Kopf fertig gemacht worden, und ſie
waren auch darnach Aber wie wurde ſonſt gearbeitet?
Ja wohl, wenn das Reich Soldaten u. Geld brauchte,
da ging die Maſchiue (Bravo!), aber Geſetze zur Re⸗
form, zur ſpcialen Reform, Arbeiterſchutzgeſetze! dazu
hatte man keine Zeit, und es ging ſo weiter mit Ach
und Krach, bis Einer, der zeigte, daß er Macht
habe, auch einen Bismarck zu zerfchmettern, endlich
ſagte: Genug, bishierherundnichtweiter
Es wuß anders werden! (Großer, lebhafter Beifall.

Schade um die gute Zeit und Kraft, die auf Ka
tholikenhetze und Parteihetze verwendet worden. Nichis
davon iſt der Geſammtheit zu Gute gefommen. So
ift leidex wahr, dieſe 20 Jahre innerer Bismarck'ſchen
Politik ſind für die Abwehr der inneren Gefahren
verloren. *

Natürlich dem Bourgeois, zu deutſch Maſtbürger,
macht es überall mehr Freude, unſchuͤldige Ordens-
leute drangſalirt zu ſehen, als daß ihm ſelbſt der
Standpunkt klar gemacht wird. Daruni gingen die
Induſtriellen großentheils mit Bismarck durch dick
und dünn während ſie jetzt auf einmal Schwierig—
feiten machen, weil es ihnen unterſagt wird, ihre Ar—
beiter wie Maſchinenauszunützen und mit
ihnen anzufangen, was ſie wollen. (Sehr wahr!
Hört! Hoͤrth *

Nun in damaliger Zeit mar Bismarck allgewaltig
und er hatte einen Reichstag nach ſeinem Willen;
und die Katholiken mußten hHerhalten. Denn un8
voͤllte er eigentlich treffen, als er die Jeſuiten traf.
An daz nämlich, was er durch ſeine Organe verkün-
digen ließ: wir wollen uns nicht den Orden der
Jeſuiten mit der katholiſchen Kirche verwechſeln laſſen,
glaubte er ſelber nicht. Eebhafter Beifall.)







Aber Sie fehen,“ fügte e ſich ſelbſt unterbrechend Hinzu,
„mein‘ Rummer macht mich egpiftijch genun, Ihnen mit
Lamentationen den feſtlichen Abend zu verderben.”

„Daz ijt eine ungerechte Sorge, gnädige Hrau,” nahm
der Räſident das Wort. „IH denke, Sie find überzeugt
daß Sie bei uns aufrichtiges Mitgefühl finden, UND ich
meineSiheils wußte den feitlihen Abend nicht jHöner zu
begehen, al3 indem ich ihn benußte, um Ihnen ein Wort
des Troſtes zu ſagen.“

„Ach ich bin Ihnen und Ihrer lieben Tochter ja auch
herzlich dankbar füralle Theilnahme, die Sie mir beweifen,“
jagte die Commerzienräthin, während ſie Nataliens Hand
erfaßte, „um ſo mehr als ich jonjt Nimanden Habe, - mit
dem ich über das mir widerfahrene Unalück (prechen könnte.
Mit meinem Manne dart ich vorab feine Silbe über den
Kieinen reden. Finden Sie e8 nicht unnatlirlich,“ wandte
ſie ſich zu dem Präfidenten, „daß er in ſeiner Gegenwart
nichteinmal mehr den Namen ſeines Sohnes genannt haben
wil? — Mann, habe ich ihm oft gefagt, treibe doch Deine
despotiſche Strenge nicht fo weit, daß Du mir |vgar ver⸗
bieteft, mit Dir über den Kleinen zu jprehen; Duw unter-
gräbit in _ unferm Haufe gewaltjam das Undenken an Deinen
eigenen Sohn. — Aber alle meine Vorſtellungen bleiben
fruchtlos. verſicherte fie niedergeſchlagen „ih muß immer
wieder von Neuem hHören, der Junge fei nicht werth, daß
man an ihn Ddenke, viel meniger, daß man von ihm ſpreche
Und doch fchien er den Kleinen früher ſehr zu lieben denn
ewerfüllte ihm jeden Wunfch. kann mir einen ſo
ſchnellen Wechſel nicht erkflären.“

Der Präſident verſuchte in möglichſt ſchonenden Worten
der Commerzienräthin darzuſtellen/ daßder verhänanißvolle
Schritt LeanderS wohl nur als eine Folge der iYın zur
Theil gewordenen verkehrten Srziehung zu betrachten fei,
jowie, daß die Glaubensloſigleit der heutigen FJugend, für
die man - in dex meiſten Fällen die Elten verantmworilich
machen müffe, das Haupimotiv zu allen Unthaten bilde,
die in unjeren. Tagen begangen mürden, und er ſchloß mit
dem Wunfche, des Unglück, das fie betroffen Habe, mögze
für fie die Brücke zu einent neuen Leben, zu einem neuen,
unvergänglichen Frieden mit Gott werden.



— —

_ „Dasfjelbe hat mir Natalie auch jhon unzählige Male
gefagt,“ erwiderte die Commerzienräthin nicht ohne Er-
regung. — „IOh wil Ihnen offen geftehen,” fuhr fie zu
gtatahe gewaͤndt fort, „Damwar ich denn vor einigen Tagen
Ihrer oft wiederholten Ermahnungen zufolge. in einer der
hiefigen Klofterfirchen, — Aber glauben Sie, ich hätte beten
fönnen? — Iicht einmal einen vernünftigen Gedanken ver-
mochte id) 3U fajfen. Immer wieder mußte ich an Ddas
unglüdlihe Schidjal des armen Kleinen denken, und daß
ich vielleicht nie wieder etwas von ihm. erfahren werde.”

Auf Lataliens fanfte Entgegnung, daß ſie nicht er-
warten Dürfe, ſchen gleich bei dem erften Verſuch zu beten,
den aemwünfchten‘ Troft zu finden, daß fie indefjen darum
den Muth nicht ſinken laſſen dürfe, Hatte die Commerzien»
räthin nur. ablehnende AUntiwvorten ; doch glihen diefelben
trotz der Entſchiedenheit, mit der ſie vorgebracht wurden,
aur allzır ſehr der Oppoſition eines Menjdhen, der nicht?
jehnlicher wiünfcht, al3 ſeine Gegen{prade wideriegt zu
ſehen und ſich dadurch m.hr und mehr überzeugen zu Taffen,
in weldem Zyrihun, er befangen ſei.

„„Wanı wird Georg wieder zuruck fein?“ fragte der
Käſident ſpäter als das Geſpraͤch ſich wieder anderen
Dingen zugewandt hHatte, — „Sie glaubten damals, wenn
ich nicht irre, ihn ſchon bald erwarten zu dürfen.“

Zarde war indeß eine allzu raſch aufgebaute Hoff⸗
nung,“ erwiderte die Dame in niedergeihlagenem Zone. —
„SO. bedachte nicht, daß die Boft die Neberbringerin jener
Nachrichten jein müßte, wegen dexen wir Georg zurückbe-
riefen. — Der Urme mußte doch in etwas vorbereitet
werbden, und wie hätte das in einem Telegramm geſchehen
fönnen? — So erreichten ihn unjere Briefe erft in Dder


vor wenigen Tagen erhielten wir ein Telegramm von
Geora aus New Orelaus worin er uns meldete, daß er
ſich auf der Rückreife hefinde und in ‚einigen Wocdhen bei
uns8 zu ſein hoffe. — A ja,” fiülgte die Commerzienräthin
voMl Anerfennung hinzu, „®eorg iſt ein guter Sohn, der
jeinen Eltern’ niemals Kunimer machte. Wie Iange werden
mir die Tage Wwerden, bis ich Wwenigftens . ihn . endlich
wieder Habe !” Fortſetzung folgt.)


 
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