Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land (27) — 1892

DOI Kapitel:
Nr. 271 - Nr. 280 (27. November - 8. Dezember)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44150#1101

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

— — —

— — — 31823

x



\








7
cre
4
D
iäPfP%„M
eiuͤelh
br 3
744
itten q
ga
5











N 20 €

bei ven Boftanfiakten









ar Die Amtsbezirte Heidelberg
eint, Schwetzingen Philippsbura
5 2 teit, 9le txrgemünd, MosSdac
8 3h., Wertheimse.

A











AAA NTA WE TL GE









är 20 . Geidelbera, Dittwodh, den 30 Movember 135 — —






den Vfälger Nı
Ammtlichen Poſtanf
wie in anſerer
traße T entgegen zenommen.

6. H. YiatenlooSfchwindel,

Eine ſoziale Peſtbeule.

Das Ratenloosgeſchaͤft iſt der gefährlichſte
Schwindel, es iſt das Bötſenſpiel der kleinen und
kleinſten Leute. Die Warnungen vor dem Aukaufe
von Ratenlooſen können nicht oft und nicht nach—
dringlich genug wiederholt werden. Um ſich einen
Begriff davon zu machen, wie verbreitet bereits die
Geſchaͤftsthätigkeit der Agenten oder Hauſirer dieſer
Art Geſchäfte iſt, muß man jene Fälle kennen, die in
letzter Zeit deutſche Gerichte beſchaͤftigten. Bei einer
Verhandlung am Landgerichte München wurde kon—
ſtatirt, daß zwei Agenten in einem kleimen Octe
innerhalb weniger Tage Abſchlüſſe in der Höhe von
S0000 M. zu Stande brachten. Im Kanton Zürich
Schweiz! hat eine amtliche Statiſtik zum Zwecke ge—
ſetzlicher Maßnahmen gegen die Raͤtenloosgeſchäfte den
Nachweis geliefert, daß ein ein ziges derartiges





Geſchäft in Zürich L6,000 Kunden beſitzt. Die
große Verbreitung des Handels, der es auf die
Groſchen der kleinen und kleinſten Leute abſieht, er—

hellt aus der Zunahme der betreffenden Geſchäfte, die
in letzter Zeit allerorts entſtanden ſind. Ihre Agenten
ſuchen bereits die kleinſten Dörfer heim.

Wer ſind nun die Kunden dieſer Ratenloosge
ſchäfte? Kleine Leute, Arbeiter, Geſellen Klein—
bürger, die vom Bankweſen nichts verſtehen und die
Vorſpiegelungen der Agenten glauben. Beſſergeſtellte
kaufen keine Ratenlooſe, die ſie mit 60—100 pCt.
höher bezahlen müſſen, als ſie im Kurſe ſtehen.
bikher gerichtlich bekannt gewordenen Fälle ergaben
ſtets, daß Handwerker, Arxbeiter, Kleinbürger die Opfer
waren. Mir bekannte Agenten haben dieſe Kreiſe als
ihre beſten Abnehmer bezeichnet.

Um uns die ganze Tragweite der ſozialen Schäden
vor Augen zu führen, weiche dieſer traurigſte aller
modernen Geſchäftszweige verurſacht, wollen wir zu—
nächſt die Frage beantworten: Wie werden diéſe
Geſchäfte gemacht? Die Aniwort lautet: Im
Vertrauen auf die Unwiſſenheit der Käufer im Loos—
geſchäfte und Bankgeſchäfte überhaupt. So glauben
die Leute, die Bezugſcheine, die ſie nach der erſten

Das verlaſſene Gaſthorts.
47) von A. K. Green.

Von der neuen Stube gus ſchlich ich mich mit größter
Vorſicht durch die dunkle Lammer bis an die Waͤnd des
Eichenzimmers, legte das Ohr an die verkleidete Oeffnung
und hoͤrchte. ——— * B

Buerſt, vexnahm ich nichts, wohrſcheinlich weil nie—
mand ſprach, danı Hörte ich einen Nusruf der Ermiüdung
und einige abaeriſſene Woxte. Das heruhigte mich ſehr,
peil ich nicht nur, alles hoͤren, ſondexn auch verſtehen
bonnte, denn ſie ſprachen engliſch. Die größte Schwierigkeit
war ſomit überwunden und ich zos mich wieder in meine
eigene Stube zurück Sobald ich wollte, war ich nm im
ſtande, ungeſehen und unbearawoͤhnt in die innerſten Ge⸗
beimniſſe der beiden einzudringen, die ſie einander anver-
frauten. wenn ſie ſich ganz allein wähnten und kein menſch⸗
liches Urtheil zu fürchten brauchten Freilich mußte ich
mich dazu erniedrigen, die Horcherin zu ſpielen. Da ich
mir iedoch nur xeiner Bewegsründe bewußt war, ſetzte ich
nich hieruͤbex hinweg Wurde ih uur endlich auS der Un-
gewißheit erlöſt, ſo entſchädigte mich das füür alles.

Ich kehrte im Lauf des Tages noch mehrmals in die
verborgene Kammer zurück, ohne jedoch lange daſelbſt zu
Lerweilen, denn, wenn Mutter, ind Tochter überhaußt
prachen, ſo drehte ſich die Untexhaltung um nichtige Dinge
und hetraf weder tiefe Gefühle noch wichtige Intereſſen.
Deraleichen begehrte ich nicht zu hHören. 4—

Es wird nicht imwer ſe ſein! dachte ich bei mir; in
den bertraulichen Abendſtunden werden ſie von dem reden,
was ihnen auf den Herzen lieatt

Und ich hatte Recht! Als es im Hauſe ruhiger wurde
und die Lichier in den Fenſtern erloſchen, ſchlich ich mich
wieder auf meinen Poſten au der Waͤnd. Unter an-
deren Verhältnijien wäre mir die Quit, die in dem Raum
Lerrſchte und die ſchreckliche Finſterniß unerträglich geweſen,
aber ich vergaß alles über dem Geſpräch, das jetzt zu mir
— *

O Naimg,“ waren die erſten Worte, die ich vexnahm,
„wenn Du e8 mir nur erflären wolltelt, wenn ich mur



Ratenzahlung erhalten, ſeien das Loos ſelbſt. Sie
ſind der Meinung, das Loos müßte im Lauͤfe der

nächſten Monate gezogen werden, da ſie den Unter—
ſchied zwiſchen Lotterieloos und Serienlooſe, die 20,
30 und mehr Jahre ſpielen, nicht kennen. Ver?
lockend iſt für ſie beſonders die Verſicheruͤng, daß ſie
gewinnen müſſen. Daß ſie aber trotzdem mit einer
edeutenden Summe hängen bleiben können, das ſagt
Der größte Schwindel wird
mit dem Kurs getrieben. Der Unterſchied zwiſchen
Nennwerth und Kurswerth iſt dem kleinen Manne,
der nie Vexanlaſſung hat, die Gehennniſſe des Kurs—
zettels zu ſtudiren, völlig unbekannt. Ein Türkenloos
100 frs. Nominal um 168 M, dazu noch Raten
zahlungen — wie gut meint es doch der Agent!
Daß es nur 93 Mewerth iſt, ſagt ihm der Mann
nicht. Mit Vorliebe ſind es fremdlaͤndiſche, zum
Theile entwerthete Looſe, welche die Agenten ver—
ſchleißen. Der Käufec unterwirft ſich mi der erſten
Ratenloozzahlung den ſchwerſten Bedingungen. Bleibt
er einmal mit ſeinen Zahlungen zurück ſo verliert er
ſein Recht auf die Lobſe und, was er bis dato
gezahlt hat, iſt verloren. Der Agent ſchwindelt aller—
dings dem Käufer vor, er könne ſein Geld zurück⸗
erhalten, wenn er je vom Geſchäfte zurücktreten wolle.
Aber das Bankl?)-Geſchäſt, für welches der Agent
Lunden herbeiſchleppt, hat in dem Vertrage, den der
Kunde unterzeichnet hat, folgenden Paragraphen:
„Falſche Vorſpiegelungen 20, Unſerer Agenten ſind
für uns nicht dindend.
Scheines erklärt ſich der Käufer mit allen darin ent—
haltenen Bedingungen einverſtanden und kann als—
dann das Geſchäſt nicht mehr rückgangig gemaͤcht
werden.“ Bei Nichteinhaltung der Zahitetmine ver
liert der Inhaber das Mitſpielrecht“

Ein einzelner Fall, der in letzter Zeit durch einen
Geiſtlichen zu meiner Kenntniß gelangt iſt, ſoll hier
gewiſſermaßen als Muſler angeführt werden. Tauſende
fallen Jahr aus Jahr ein in ganz gleicher Weiſe
herein und werden um ihre Spargroſchen gebracht.
— Der Agent einer fraukfurter Ratenbank, der neben—
bei Hauſirer mit Cigarren und Papier iſt, kommt zu

einem Glaſergeſellen, der
Dachwohnung inne hat. Um ſeine Zudringlichkeit
los zu werden, kauft man ihm einiges Briefpapier ab.







looslieferſchein, preiſt ihnen den billigen Preis an
und die Ausſichten Hunderttauſende zu gewinnen. Er
ſchlägt den Leutchen unaufgefordert die Karten (9,
weiß ihnen mauches Zutreffende aus der Vergangen⸗


Aber dies Schweigen kann ich nicht ertragen. Wie ein
derirrtes Kind ſehne ich mich darnach, die Stimme der
Mutter zu hören auf meinem dunkeln Wege, um ihr foͤlgen
zu können nach dem ſichern Zufluchtsort.“

„Es gab eine Zeit, da es den Kindern genügte, wenn
ihre Eltern einen Schritt mißbilligten; ſie frägten nicht erſt
nach den Gründen. Dein Vater hat Dir geſagt daß Duͤ
den Marauis nicht zum Gatten wählen daͤrfft füge Dich
ſeinem Willen. Ich habe nicht das Recht mehr zl Jagen
als er.

Vielleicht nicht das Recht Mama; ich wende mich
auch nicht an Dein Rechtsgefüht ndern an Deine Liebe.
Ich bin ſehr unglücklich. Das Schickſal meines gaͤnzen
Lebens ſteht auf dem Spiel und ich kann es nicht wenden!
Du weißt, es handelt ſich um mein Glück, Du ſiehft
mein Leiden und ſagſt mir doch nicht, warum ich e3 tragen
MußB:. —

B@ie Mautter erwiderte fein Wort. .
„Sonſt haſt Du mir keine Bitte verweigert,“ flehte die


und drücke meine Wange gegen die Deine und doch ant
worteſt Du mir nicht. Wunderſt Du Dich da,
das Herz bricht, wenn ich die Augen ſchließen möchte, um
ſie nie wieder zu öffnen?

„Ich wundere mich über nichts.“

2—


grenzenloſe Elend, welche Tiefe der Leidenſchaft, welche
hoffnungsloſe Verzwejflung.! 7

„Wenn er ein Unwürdiger wäre,” rief die Tochter,
„wenn ihm irgend ein Miakel anhaftete ! Aber er beſitzt
Meichthum, einen edlen Namen und iſt ſo ſchön, Ddaß auch
ihr ihm eure Bewunderung nicht verjagen kfönnt. Und
wie hoch ſteht er erſt an Geiſt und Bildüng über allen

andern jungen Leuten, die unjer Haus befuchten! Was
begehrt ihr mehr? Iſt er nicht vollkommen? Sage es

mir, Mama, denn in meinen Träumen erſcheint er mir
immer ſo?“

Die Antwort kam nur langſam und mit Anſtrengung
über ihre Lippen:








heit zu ſagen, und prophezeit ihrem 1 Jahr alten
Linde großes Glück, durch Gewinn in einer Loite

Die Leute fielen auf dieſen raffinirten Schwi

ſchliebuch berein und wurden, die glücklichen Beſitzer
Ines Lieferungsſcheines zu 48 Monatszahlungen 44
Mt = 192 M., wofür ſie nach Schluß der Bahlung
ein ZürfenlovS vom Jahre 1870 und ein Sachien-
MeiningerlooS im Gejammtiveithe von 120 Mark er-
halten. Der Bankinhaber warnte alsbald feinen
neuen Kunden, die Ratenzahlungen an den Agenten
zu leiſten und verſpricht, die Ziehungsliſten regelmäßig
zu ſchicken. Wer kontrolirt ihn hierbei? MWer yers
ſchafft dem Ratenzahler Garautic, daß Ddas Loo8
wixklich in Händen des Bankl?) Geſchäftes iſt? DOder
daß in viex Jahren das Geſchäft nicht bereis vel
kracht iſt? Im günſtigſten Falle hat der Loosbeſther
die Looſe um 7? Mkt oder doch um 52 Y zu
Heuer gekauft, wenn wir 6 Prozent Verzinſung dem
Verkäufer zu Gute rechnen. Dazu kornit uoch das,
wenn ein 2005 in der Serie gezogen ift, der Münfer
den ganzen Reſt ſeiner Schuldſumnie zu bezahlen hat.
Die meſſten Looſe dieten überdies ſo winzig geriuge
Gewinnchancen, daß der Loosbeſitzer ſtetd froh ſein
darf, wenn er nach ein oder zwel Ratenzahlungen,
auf ſeine eingezahlten Markſtücklein verzichtend, — 195
kommt. So 3. B. wurden bei der Septemberziehung
der Mailänder Looſe unter 15, 000 gezogenen Nummern

nur 42 Treffer gezogen, ‚alfo auf 358 Qooje ein
Treffer. Alle anderen Looſe gewinnen 10 Franken

— 8 Marf; Dder Zeittverth der Loofe‘ ift 19 Mark,

der Ratenlooshändler verrechnet ſie zu 25 ja 30 ME

Es iſt ein Sündengeld, das durch die Ratenloͤoshandiet
gerade jenen Leuten, die ſich das Geid am ſchwerftch
verdienen und die von der Hand zum Munde keben,
aus der Taſche gezogen wird Gewifjjenioje Bank (?)-
Geſchäfte,die naͤch geſchäfts jüdiſchen Grundſaͤßzen mit
allen Mitteln arbeiten, laſſen ihren Agenten frrie
Hand. Sie wiſſen, wie unrell jene ihte Geſchäͤfte
machen; Unwiſſenheit der Käufer und ein Geldebe





die armen Leute um ein Bedeutendes leichter zu
machen. E. Naef (Soʒ.pol. Centralblatt, L 18),
Kantonsſtatiſtiker ſagt: „Man darf kühn behaupien
daß keine 50 Prozent der Käufer alle Ratenzahlungen
leiſten. Werden die Zahlungen ſiſtirt, ſo iſt alles
verloren und die Taſche der ſchmunzeluden Banquiers
) wird gefüllt. Wie kann z. B. ein Yrbeiter in
ſchlechten Geſchäftsganges monatlich 4—8
Vek. leiſten? Thatſächlich verfallen die meiften
Ratenlooskäufer den harten Bedingungen und verlieren






‚ „Der Marqut3 ift ein trefflidher junger Mann, a5
wir. haben einen Bewerber für Dih, dem wir den Bor
zug geben; wir wuͤnſchen Dich mit Armand Zhierry zu
verheirathen.“

„Mit dem Krämer,



dem Revolutionär — o Mame!“

Deßhalb bin ich mit Dir fortgereift, deßhalb fı
wir bier, wo Du Zeit und Muße haft, nadhzudenken
und zu erfennen, daß Du Dder befferen Einficht De
Eltern folgen. mußt. SGlaube mir, wir haben un
guten Gründe, nicht in Deine Waͤhl zu willigen, w
2 ſie Dir auch nicht mittheilen Es ift nicht Tyrar
DaB. —

Hier ſtockte die Mutter in ihrer Rede; ſie war auf—
geſtanden und ich Hörte fie unruhig im Zimmer hin und
her gehen.

Ich weiß, eS ift nicht Tyrannei,“ ließ fich die Janste,
weiche Stimme des Mädchens vernehmen, die in o
ſchroffem Segenjaß ſtand zu dem gezwungenen Ton, in
welchem die Mutter zuleßt gefprodhen Hatte. „Wäret ihr
tyranniſch mit mir verfahren, ich Hätte eS leichter ver-
ichmerzt als euer räthfelhaftes Schweigen, Warum wol
f Wozu ſoll es Geheimt
geben zwiſchen Menſchen, Ddie einander {o innig lieben?
Blindlings ſoll ich mich dem Gejchiet unterwerfen, das ihr
über mich verhängt!“ _
‚DHonora —“ Das Wort traf mich wie ein Dol
Gott, wax Honora Dder Name des jungen Mar
dens? — „Du läfelt Deiner Einbildungskraft zu e
den gügel ſchießen Du —“ IH hHörte nicht® mehr, i
dachte nur an den Namen, der joeben miein Ohr beräühr
hatte und fragte mich ob denn mein Argwohn völlig aun
begründet jei? — Sie hHätten doch niemal8 ihr Kind H0
Nnora nennen können! Wie, wenn die beiden mit
DudleighHE befreundet wären und die Tote rächen wollte
— SQ Ddrückte mein Ohr noch feſter an die Wand, da
mir nichts entginge.

































Gortſetzung folgt)


 
Annotationen