Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land (29) — 1894

DOI Kapitel:
Nr. 251 - Nr. 260 (4. November - 15. November)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44153#1013

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext








eint £äglid mit Ausnahme der Sonx- u. Feiextage
gtli:de}iß bierteljährlich UE 1.20 ohne Zrägerlohn u. Bolt-
aufſchlag. DBeftellungen bei den Boftanftalten u. bei der
) Exyedition ZwingeritraBe 7. —
—_ Redakteur: Yof. Cremertus, Hauptfir. 121, Heidelberg.




für Stadt



Unzeige-Blatt für die Amt2hezirke Heidelb
Cberbach, Sinsheim, Eppingen, Weinheim, *
aen, Wiesloch, Bruchjal, Bretten, Mosbach, &
Zauberbitchofsheim, Walldiürnze. —
— Werlag Gebr, Auber, Geidelb., Zwinger











——






8







s Krankreichs Todtenklage um den Jaren.

Hart iſt es, äußexſt hart und grauſam, mit Ge-
walt getrennt zu werden von dem, was wir mit ganzer
Seele liehen Wie der Menſch, der nichts liebt, dem
ganz und gar nichts ein tieferes Intereſſe einflößt,
ſich elend, verlaſſen und bodenlos unglücklich fühlt,
ſo hat derjenige Menſch den höchſten Gipfel irdiſchen
Glücks erklommen, welcher ſeine heißeſten Wünſche in
Erfüllung gehen ſieht d. h. mit andern Worten: wenn
er das, was er ſo heiß begehrte und liebte, erreichte.
Das weiß jeder Menſch, daß unſer ganzes Leben und


wie es ja auch die Schlußworte jenes hekannten un

vergaͤnglichen Liedchens beſagen: „glücklich allein iſt

die Seele, die liebt.“ Mancher unſerer Leſer wird
viielleicht ungläubig oder unwillig den Kopf ſchütteln;

das wäre aͤber nur für den Fall gerechtfertigt, daß
man allein eine Liebe zwiſchen „er“ und „fie“ im Auge
hätte. Wenn freilich ſolches der Mittelpunkt unſeres
Lebens und Strebens wäre, dann müßte
wirklich aus den Angeln gehen, oder richtiger: die
Wenſchheit wäre längſt aus Mangel an innerer
Feſtigkeit wie ein trockener Klumpen Erde auseinander
gefallen. Glücklicherweiſe iſt dieſe ſo hochgeprieſene


chen jener mächtigen Kraft, die man mit dem allge-
meinen Namen „Liebe“ belegen kann. Liebe iſt all-
gemein dasjenige Gefühl, welches antreibt, zur Er-
reichung eines für gewöhnlich guten und begehrens-
werthen Zweckes unſere ganze Kraft einzufjeßen, daß
wir zur Erlangung dieſes unſeres ZieleS ſtets ſtrehen
und arbeiten und alle unſere Wünſche auf dieſen
Gegenſtand hinlenken.
Wie jeder ſieht, kann ein ſolcher Gegenſtand, ein
ſolches Ziel ganz verſchiedener Ait ſein, — und es
muß ſehr verſchiedenarlig ſein, weil wir erſchen
von Natur die verſchiedenſten Anlagen und Jaͤhig-
keiten beſitzen, die mir wieder nach verſchiedenen
Richtungen hin bethätigen müſſen. So geht es dem
einzelnen Menſchen, ſo geht e& ganzen Völkern und
Staaten. Für den einzelnen Menjch beginnt das


Seele ganz erfüllt oder erfüllen ſoll, ſchon mit der
vollen Entwicklung ſeiner Vernunft, alſo zu jener Zeit,
wo an uns die Aufgabe herantritt, uns unfern Beruf
fürs ſpaͤtere Leben zu waͤhlen Hat der Menſch aber
einmal dieſe erſte und wichtigſte,Wahl“ gettoffen,
dann muß fein ganzes Herz alle ſeine Kraft dem
Gegenſtande diefer ſeiner Wahl gewidmet ſein, — er








muß möglichſt vollkommen ſein giel zu erreichen ſtre-
ben. Baß er dazu gewiffer Mittel und Berfonen
nöthig hat, liegt auf der Hand, und glücklich der
Menſch, welchem das Erforderliche zur Verfügung
ſteht — unglüclich aber derjenize, welcher dieſe
„Mittel“ nicht beſitzt, — am unglücklichſten aber
jener, welchem feine Hilfsmittel während der beſten
Arbeit zur. Erreichung jeines Zieles und vielleicht
ſchon nahe dem Zitle, plötzlich. verjagen. Dann
iſt _ mit der Ausſicht, den Preis ſeines Kämpfenz und
Axbeitens zu verlieren, plötzlich das arößte Ungluͤck
über ihn hereingebrochen; er ſteht untröſtlich vor dem
Crabe ſeiner Hoffnungen, und Thräuen benetzen ſeine
AWangen, die vordem von der Zuverſicht auf die
ſchöne Zukunft hell aufleuchtet.


Leben — leider — ſo oft vor unſeren Bliken ab-
Was aber in der geſchilderten Weiſe dem
ein zelnen Menſchen widerfahren kann, bleibl auch einer
größeren Geſammtheit von Menſchen für gewöhnlich
nicht exſpart, und ivenn es felbft die mächtigſte Ge-
ſammtheit, das größte Reich der Erde wäre. Waͤh⸗
rend augenplicklich ob des allzu frühen Verkuͤſtes ihres
Bhen Gatten die ruſſiſche Kaiferin in die tiefſte
Trauer verſentt iſt, ſo daß ob al dem Kummer ihre
Hagre faſt erbleichten, — während ihre Kinder trau-


ſie äußerſt beſorgten kaiſerlichen Baters umftehen,
weint da draußen/ außerhalb Dder ſtillen Hallen des
Todtenhauſes, eine ganze Nation ebenfalls blutige
das ſie betroffen.
Natürlich wird man glauben, dieſes weinueuͤde Voͤlt
ſeien die vom verſtordenen Baͤte ſo vielge-
liebten Ruſſen, „die er ſo gerı haͤtte“
nein, weit gefehlt! Wenn aͤud
aufrichtigſie Bedauern fühlen und wenn auch manche
Thräne über die Wangen der panſlaviſtiſchen Stockruſſen
herniederrieſeln mag, ſo ſind doch dieſe Thränen nichts
gegen die Ströme natütlichen Augenwaͤffers, welche
augenblicklich auf — Frantkre ich s ſchbue Fluren ſich
herabgießen und vielleicht binnen kurzein die franzö-
ſiſchen Hauptflüſſe als Seine, Loire zc. zum Ueberfließen
bringen werden. ; (

Wenn auch etwas bildlich geſprochen, ſo iſt die
Thatſache, daß Frankreich jeßt wimmert wie ein
Pudel unter der Peitſche, daduͤrch ganz richtig gekenn-
zeichnet. Mit dem verſtorbenen Zaren ſcheiuͤt die
große Hoffnung des franzöſiſchen Volkes ius Grab
geſunken zu ſein; durch den Tod des Zaren iſt augen-
ſcheinlich der Liebling, das Heil, der Angelpunkt der







2







— verboten)
Das Wrark des Piraͤten.

Erzählung von Zriedr. Gerſtäcker.
„Sind denn heute alle Teufel 108 !“ tairſchte der Pirat,
Lahrend er der neuen Gefahr der er fajt geradezu in den
Hachen gelaufen wäre, nur durch eine abermalige rafche
Wendung entgehen lounte — „Aber habt .
ichen, habt Ucht — Ihr fhwirrt wie Mücen um’s
Heuer, denn lebendig befommt Ihr Tenaves nimmer-
_ mebhr, und ſelbſt todt ſollte er noch einen ſchweren Breis
von Euch fordern !“

So jehr er übrigen3 dem erſten Boote an Schnelle
und Gemwandtheit überlegen gewejen war, ſo fehr fand er
hier einen Gegner, der ihm jelbit alleın zu ſchaffen gemacht
hätte, waͤhrend er überall von Zeinden bedrängt, faſt gar
nicht mehr wußte wo er binaus follte, denn die Boote der
Kriegsichiffe waren indejjen ebenfalls ſo nahe hHerangekom-
mel;„ daß er gar nicht hoffen durfte, aus der Bai hinaus
zu fönnen.

19)


am wenigiien Seuerwalfen fürdtete, obgleich er wohl wußte,
daß die nicht {D Leicht gegen iNn angewandt werden wür-
den, war jedenfalls das des Spaniers, das indefjen feinen
Bug wieder glüclich herumgebracht hHatte, und Ddem hielt
er aud) jeßt entgegen. Konnte er hier nur an irgend einer
Stelle Grund erreichen, 10 war er jo genau mit allen
. Straßen und Gebäuden befannt, daß er keinen Augenblic

Yürchtete, jeinen Verfolgern zu entgehen, und wenn er die
halbe Stadt hinter jich her gehabt hHätte. Er {uchte dabei,
indem er den Bug ſeines kleinen Bootes wieder mehr nach
außen zufehrte, dem Zeinde aufs Neue glauben zu machen,
daß er in den Hafen hinaus zu Nüchten beablichtige, Der
alte Capitän ließ 4* aber nicht zweimal an einem Abend
auf ein und diejelbe Art zum Belten haben, und wohl
wijlend, daß in Höchitens zehn Minuten die fämmtlichen
_ Boote der KriegsSichiffe jede Flucht des Teindes nach dort-

bin total verhindern mußten, während er jelber nicht im
Stande war, an Schnelle den Slüchtling zu Überbieten,
ließ er, als er Diefen wieder na fih zw fommen






jah, fjeine Leute auf den RKRudern über das Boot {o
%emdgtet liegen, daß es augenblicklich dem Lande zuſchießen
Onnte. 2

Berade dort war auch eine vortreffliche Stelle für ihn,
die Bewegung des Biraten zu erwarten, denn nach dem
Larde zu lagen einige lange Stüde ange[hwemmtes Schiff-
banhols, und fich an dem Ende deffelben Galtend, mußte
Sener, wenn er dort Hindurch wollte, entweder ganz dicht
vor ihm vorÄber, oder den jebt mit rajden Ruderichlägen
?äf)fer kommenden Booten der Kriegsfchiffe gerade entgegen
aufen.
‚ Der Birat, defjen Auge an Schärfe zu gewinnen ſchien,
je mehr ex gedrängt wurde und je näher ihm die Gefahr
an’3 Seben frat, jah aber das Holz noch zur rechten Beit,
um einer joldhen Jalle auszumweichen, und hHielt jeßt einige
Kuderfhläge wirklih in Ddie Bat hinaus, feinen legten
und gefährlichiten Berfolger abzuleıten. Edward Wil-
finjon wußte aber recht gut, daß er doͤrthin nicht entfom-
men fonnte. } } 14

„Dalt !” rief er jeinen beiden Leuten zu, und im Nu
lag Das jhlanie Fahrzeug wie feit vor Anker auf feiner
Stelle, während er den Bug nun nacdh außen wandte, um
au jeder Richtung gleich bereit zu fein. Der Verfolgte hatte
aber feine Zeit mehr zu manveudriren, und auf die Schnelle
ſeines kleinen Fahrzeuges vertrauend, warf er diefes wieder
herum, ſich neben der Zölle des jungen Engländers eine
Bahn an’3 feſte Ufer zu erzwingen. ; ,

Diefer folgte aber mit feinen Rudern noch nicht der
Bewegung des Keindes; er fürchtete eine neue Finte und
wollte erit der NRichtung, die Jener zu nehmen beablichtigte,
volliommen gemwiß jein. Dadurh gewanı allerdings der
Birat wieder einen kleinen Voriprung, doch da die Eng-
länder nocdh immer die innere Seite Hielten, mußte er auch
vor oder Hinter iHnem Herum, das Land zu erreichen —
bas leßte verfuchte er zuerit, Willinjon’3 MAufmerkffamfkeit
vereitelte das aber, und die beiden Boote liefen. nun Seite
an Seite wohl zweihnundert Schritt lang mit fabelhafter
Schnelle, mährend ſie keine zwei Bootslängen von einan-
der entfernt waren. *

„Ergebt Euch, Herr!“ rief ihm da Edward hinüber —














































franzöſiſchen Eeſammtheit entſchwunden, über
Berluft die Stockfranzoſen ihr Herz ſchier br
fühlen. Unglaublich, aber mahr. Soll man daz
eine „Tugend“ oder eine „Schande“ preijen? D
über wollen wir hier nicht richten.
Was hat ihnen aber eigentlich der ruſſ. Sel
ſcher gethan, er, der feine lieben Ruſſen oft ſo
und zärtlich mit der vielſchwänzigen Leder-Kuute
den nackten Rücken geſtrichen hat, daß ſie die Au
perdreht zum Himmel aufſchlugen?? — Wel
Eigenſchaflen des todten Gewaltoͤniannes ware
die das franzöſiſche Herz ſo gewaltjam an ihn
feſſelt haben, ſo Daß jeßt das Wehklagen der Fraͤ
zoſen ſelbſt einen Kieſelſtein erweichen könnte?? W
wiſſen es ſchon ungefähr und unfere Leſer wohl auı
aber beſſer iſt es, wenn wir es aus dem Mund
Franzofen ſelbſt erfahren. Hören wir alfo!.
Zunächt erzählen uns die franzöfijchen Bl
daß beim Eintreffen der Todesnaͤchricht das Publikt
ſich die Extrabläiter förmlich „auͤs den Händen ge
riſſen“ habe die Blätter konnten nicht genug Worte
finden, um die „Beftürzung“ der Paͤrifer Bevölkeru
zu ſchildern. So berichtet die Zeitung Jou
vörtlich: „Geſenkten Hauptes ging das VBolt v
Paris heute zur MArbeit; das fonft ſo fröhliche
Summen in den Arheiter Vororten klaͤng gedämpft
Lielleicht ſind ſich die Leute auch vor Schrecen u
Schmerz gegenſeitig in die Arme geſunken. —
Der „Saulois“ klagt, daß „die Menſchheit einen
ihrer Wohlthäter, ihrer B äter verloren habe“, und
E ſchreibt dann: „Rußland und Frankreich find mehr
Schweſtern als jemals, da ſie fich vor demſelben
Sarge in derſelben Verzweiflung in die Arme prefjen
Dadei muß man ſich unwillkürlich doch fragen,
man me hr oder weniger Schweſter ſein könn
Der bekannte Caſſagnae ſchrieb in diefen Tagen: „L
Millionen Menſchen ſind über da3 flein
eijerne Bett gebengt, in welchem der gaiſer 50
Rußland ftirbt.“ In aͤnderen Bläitern wird Ml
gander lll, daz „Mufter eines Staat3-Chefs“ genann
ferner: „eine Elite Muſter)Seele?; ferner: *
edelfte Sohn der Menſchheit“ cer iſt alſo zuglei
deren Vater und deren Sohn); ferner „einer d
edelſten Kaiſer, die jemals eriftirt haben“; ferner
zdas Symbol der Herrſcherwürde?, u:d ſo weite
bis in's Unendliche. Millevoye gibt ihm den Be
namen, Alexander der Gerechte“ und würde ficherli
„Alexander der Grotze“ ſagen, wenn er „
nicht fr mehr hielte als „groß“. Der
Winiſter Florens, welcher das Vokrecht hat,

— — —— —
LCux Anftrengung iſt vexaeblich, Jur ſeid umzingelt

ergebt Cuch, vder INr zwingt ung zum Neußerften !“
„DHenfer !” war die einzige AUntwort, Ddie der Bir
durch die Zähne zijhte — „als vb Shr nicht ſchoͤn Lanc
Euer Neußerftes gethan hHättet, mid) zu bekommen — ab
Seduld!” Und mit rafdem Ruderichlage trieb er den B
ſeines Bootes gerade auf den geinb Aı *
‚, „Dalt !“ jcrie der junge Mann und fuhr von fetnet
Sitze mit Bligesjhnelle in die Hihe — „Halt, Ihr Len
un Euer Leben l
Die Leute preßten mit dem ganzen Gewicht ihre
Körhers gegen die rafd eingehaltenen RKRuder, und da
Aaſtiſche Eſchenholz bog zum Heripringen, als ſie im plös
liden. Gegendruc das Boot in jeinem {fcOHnelliten La
hHemmen jollten. Kaum ſeine eigene Qänge {9oß e8 ab
nocdh vorwarts, ſo rafh und nachdräüclich mar dem Bereh)
gehorcht worden. Nichtsdejtoweniger hHatte Ddieje Entfe
nung dem fMeinen, kurzen Fabrzeug des Biraten genügt, e
Herumzuwerfen und hHinter dem feindlihen Boote vorb
zu hHalten; noch zwei Ruderzchläge, und e3 wäre, ehe jene
uur gewendet werden kennte in Sicherheit gewejen, al
AWilkinjon, der den ganzen WVortheil des Feindes mi
einem Ölie überfah, raſch entichloffen auf Ddie hinter
Seite feines Bootes {prang und ſich mit einem Sag au
* jetzt 5* vier Fuß entfernt vorüberſchießenden Fllicht

ing warf. n ; ;
Der Birat hatte die Bewegung geſehen und
und den Hintertheil ſeines Bootes 10 taſch und fo wei
als moglich ven dem Sprung des Gegners abzuwerfen
war das Vert eines Augenblids gewejen, aber er fonnt
nicdt mehr verhindern, daß die ausgefiredte linfe Han
beifelben ſeinen Bootrand ergriff, während die rechte de
tollfühnen jungen Mannes mit Riefenkraft in den Gürtel
des Feindes padte. Das fo plößlih Ddagegen getworfen
Sewicdht Konnte das ſchwache, außerdem nur wenige Zoll
über bem Waffer gehende Boot nicht ertragen. .
„„Teufel !” ſchrie der Birat und drängte jich faſt inſtinet
artig nach der entgegengejeßten Seite, das Öleichgewicht zu









errathen



Halten, während er das jeßt nutzlofe Nuder fallen ließ und
ſein laͤnges Meſſer herausriß; aber in demſelben Moment


 
Annotationen