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Pfälzer Bote für Stadt und Land (68) — 1933 (Juli bis September)

DOI Kapitel:
Nr. 148-173 (1. - 31. Juli)
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Nr. 149

Die Scholastik und
Vor vielen Jahren in der Zweiten Kammer
des Badischen Landtags hat einmal ein schon
längst verstorbener liberaler Minister sich
höchst abfällig über die Scholastik ausgespro-
chen. Bei den Zuhörern herrschte der Ein-
druck, daß der Mann gar nicht wußte, was
Scholastik ist; er hat auch weiter nicht gesagt,
ob er etwas und was er sich dabei dachte.
Nachdem merkwürdigerweise in heutigen
Tagen Begriffe der Scholastik auftauchen und
teils im richtigen Sinne, teils irreführender
Weise Anwendung finden, so soll hier der Ver-
such gemacht werden, in gemeinverständlicher
Art die Begriffe vorzutragen.
Kardinal Ehrle sagt in seinem kleinen Buch:
„Die Scholastik und ihre Aufgaben in unserer
Zeit" die Scholastik sei „das innere zustim-
mende Verhältnis zu zwei der wichtigsten Er-
kenntnisquellen: zu der christlichen Offen-
ibarung und der aristotelischen Philosophie.
>Jene gilt für die scholastische Theologie als
irrste Quelle und Gegenstand, für die Philoso-
phie als Norm, während die aristotelische Phi-
losophie die vorzüglichste Quelle für die schola-
stische Philosophie ist und für die scholastische
«Theologie ein hervorragendes Hilfsmittel zur
,Erkenntnis der Offenbarungswahrheiten bil-
det". Ein anderer Jesuit, Blötzer, erklärt in
dem Kirchenlexikon von Weßer L Welte, Scho-
lastik sef diejenige Philosophie und Theologie,
,welche in den Schulen des Mittelalters gelehrt
und gelernt wurde. Nach Auffassung der Scho-
lastik wird darunter diejenige theologische Wis-
senschaft verstanden, welche die Offenbarungs-
lehren, wie sie durch das unfehlbare Lehramt
der Kirche dargeboten werden, im Glauben er-
faßt und dann weiter durch Vernunftschlüsse
neue Kenntnisse über Gott und göttliche Dinge
zu gewinnen sucht.
Willmann: Geschichte des Idealismus II. B.
S. 323 definiert die Scholastik „als Schulwis-
senschaft, ausgehend auf Ausgestaltung des
christlichen Lehrgutes auf dem Grunde der
Theologie der Kirchenväter mit den Hilfsmit-

Montag, den

Zustandereform
Reichenau und in Fulda, in letzterer Abtei
als Schüler des hl. Rhabanus Maurus 826/29.
Als Erzieher des Sohnes Karl, des Kaisers
Ludwig des Frommen und der Kaiserin Ju-
dith lebte er einige Jahre am Hofe. Wie er
dann in die Streitigkeiten über die Thronfolge
in Deutschland verwickelt wurde, kann hier
weiter nicht interessieren. Außer Gedichten
und Prosawerken verschiedenen Inhaltes ist
das am meisten benutzte Werk die „Olooss
orstiuaris", ferner einige Heiligenleben: „die
vita st. Oalli und die vita st. Otinari".
Von besonderer Bedeutung waren die jü-
disch-arabischen Philosophen im Orient sowohl
wie in Spanien, weil sie der Frühscholastik die
Kenntnis des Aristoteles vermittelten.
Albert Magnus hat den Aristoteles
in die Wissenschaft des Mittelalters einge-
führt. Uebersetzer und Vermittler der Schrif-
ten des Aristoteles war Bötzius (470—525
n. Ehr.).
Die Blütezeit der Scholastik fällt in das
Jahrhundert 1230—1330 und wird an erster
Stelle vertreten durch Thomas v. Aquin.
lieber die Bedeutung des hl. Thomas für aNe
Zeiten sprechen die zahlreichen Anordnungen
der Päpste, welche, wie Kardinal Ehrle sagt,
„vor allem beabsichtigen, der Unterweisung
der studierenden Kleriker in Philosophie und
Theologie eine möglichst sichere und erprobte
Grundlage zu geben. Dieses Wahrheitsgut
findet sich in bester Form gerade in den Schrif-
ten des hl. Thomas und insbesondere in seiner
theologischen Summe. Es handelt sich aber
nicht nur um die Lehre, sondern auch um die
Rückkehr zum Geiste und zur Arbeitsart des
hl. Thomas".
Nach einer Periode des Verfalls erhebt sich
die Scholastik wieder aus dem Schutt, den Auf-
klärung, Gottlosigkeit und Staatskirchentum
durch Jahrhunderte aufgehäuft haben. Papst
Pius XI. empfiehlt in der Enzyklika (Znaciia-
Kssiino anno die Reform der Zustände. Da-
mit will der hl. Vater sagen, daß man den

I. JuN 1S38
kath. Kirche: „Die Gewalt ruht auf göttlicher
Anordnung." Die Grundlage des Staates ist
die Familie und die Ehe. Wie die Ehe unauf-
löslich ist, so soll auch das Verhältnis von
Mensch zum Staate ein unabänderliches sein.
Daher weiter auch die Pflicht und die immer
wiederkehrende Sorge, die Familie gesund und
rein zu erhalten.
Zu wiederholten Malen und mit nicht zu
überhörender Bedeutung erinnert Leo XIII.
an die weitherzige katholische Staatsauffas-
sung, die keine Bindung an eine bestimmte
Staatsform kennt.
Jede Ableitung der staatlichen Gewalt aus
dem Volke widerspricht der kathol. Staatsauf-
fassung. Der Träger der Gewalt kann durch
den freien Willen des Volkes gestellt werden.
Pflicht des Bürgers ist es, Anteil zu nehmen,
wenn die Volksvertretung eingeführt ist.
Ueber das Verhältnis des Indi-
viduums zu der Gemeinschafts-
frage, eine Frage, welche heute vielfach er-
örtert wird, hat Herr Prälat Dr. Netzbach in
feinem Buche: „Die Erneuerung der gesell-
schaftlichen Ordnung" sehr klar und anspre-
chend geschrieben. Im Zeitalter des Univer-
salismus ist es in der Tat lebenswichtig, daß
der Solidarismus betont wird, d. h. daß die
Wahrheit in den Vordergrund gestellt werde,
wonach die Gemeinschaft der Individuen we-
gen da ist und nicht umgekehrt. Da das Indi-
viduum nicht nur Glied ist, sondern eigene
Bedeutung genießt, so steht ihm ein gewisser
Rechtsbereich zu, in den keine Gemeinschaft
einbrechen darf (Retzbach Io S. 53). Die En-
zyklika rorurn novarurn sögt: „Der Mensch ist
älter als der Staat, darum muß er sein Recht
auf Schutz seines Lebens und seines Körpers
von der Natur eher empfangen haben, als es
irgend ein Staat gab." Somit wird der llni-
versalismus abgelehnt, der die Gemeinschaft
als das Wesentliche betont und das Indivi-
duum als etwas zufälliges, weil vergänglich
in den Hintergrund drängt.

Dir Ausgaben des ReWm"
und Nrsvaganda

SKe S

In der Scholastik heißen Universalismus
jene allgemeinen Begriffe, welche der mensch-
liche Geist gewinnt, in dem er von den unter-
scheidenden Merkmalen der Einzeldinge abstra-
hiert und das auffaßt, was mehreren Dingen
gemeinsam ist. Auf den Staat übertragen,
würde das Individuum benachteiligt und die
Gemeinschaft allein maßgebend sein, was nach
dem oben Gesagten der Lehre der kath. Kirche
direkt zuwider läuft. Dem Eingriff des Staa-
tes in den Rechtsbereich des Einzelindividu-
ums sind Grenzen gesetzt. Anderseits wird
„durch die Solidarität die Mensch versichert..
sie bezeichnet die Einheit der menschlichen Na-
tur Uund die enge Verwandtschaft, welche die
Menschen unter einander verbandet". (Pesch:
„Lehrbuch der Nat.Oek. I S. 396 zitiert diesen
Ausspruch von Donoso Cortez: Versuch über
Katholizismus, Liberalismus und Sozialis-
mus.) Solidarismus ist die Verbundenheit
jeder Gemeinschaft mit ihren Gliedern und der
Glieder mit ihrer Gemeinschaft. In der Zeit
der Gärung und der Neuerung mutz es wert-
voll sein, an diese Begriffe zu erinnern. Eben-
so wie die Betonung notwendig ist, daß das
Neue auf die ewigen Prinzipien gegründet
werde.
Zum Schluß sei darauf hingewiesen, daß die
Staatslehre Leo XIII. mit jener des hl. Tho-
mas und der Scholastik vollkommen überein-
stimmt; dies gilt von der Lehre über den Ur-
sprung des Staates, über die Staatsgewalt,
den Zweck des Staates, das Verhältnis von
Staat und Kirche, über den christlichen Staat,
die Pflichten des Herrschers und der Unter-
tanen, Naturrecht und Gesetz, die Beziehungen
von Staat zu Staat (vgl. Schilling: Staats-
und Soziallehre des Papstes Leo XIII. S.
198 ff.).
Für die Katholiken sind diese Grundsätze
bindend, deshalb sollte in jeder neuen Verfas-
sung darauf Rücksicht genommen werden.
Frhr. v. Mentzingen.

M MMlmWrung

teln, welche die altchristliche und die daran er-
haltene antike Wissenschaft darbot".
Die Scholastik läßt sich bestimmen als die
systematische Zusammenfassung des Glaubens-
inhaltes in Verbindung mit Systematisierung
und ausgiebiger Verwertung der Vernunft-
wahrheiten.
Man kann auch sagen, die Scholastik ist ein
durch den Glauben orientierter Realismus.
Weiter ist es Sache der Scholastik, das Sinn-
liche durch Vordringen zum Uebersinnlichen zu
verstehen (Willmann: Geschichte des Idealis-
mus, II. B. 8 67 S. 313 ff.).
Die Einteilung der Scholastik nach den Zeit-
perioden in Frühscholastik, Hochfcholastik und
Spätscholastik bedeutet rein äußerliche Ab-
schnitte, ohne auf den Gehalt der Lehre Rück-
sicht zu nehmen.
Als nach dem Erstarken des Christentums
man daran denken mußte, die Lehre wissen-
schaftlich zu begründen, teils zum Zwecke der
inneren Kräftigung, teils wegen der Angriffe
heidnischer, jüdischer und jüdisch-arabischer
Philosophie und Theologie begründeten.
Ein besonders hervorragender Mann jener
Zeit der Frühscholastik steht uns nahe, weil er
viele Jahre seines Lebens und der Arbeit auf
der Reichenau verbracht hat: Wallafried
Strabo, einer alemannischen Familie ent-
sprossen, erhielt er seine Ausbildung auf der
KU MöM Ülküs
Komsn von Kobsi-t Hass
k/rbeberrecäkssiAutr ckurckr VercksZ ^reckebsuk L
Loenen, Lsssn
13) (Nachdruck verboten.)
So verlief auch dieser Tag ohne wirkliches
Ergebnis. Die Zeitungen hatten ihren Dienst
getan. Sie lagen zerknüllt oder zerrissen irgend-
wo umher, wurden morgen zu Packpapier ge-
braucht; denn morgen würde es neue Sensa-
tionen geben. Aber die von heute ging um in
der Stadt, wurde breitgetceten, verzerrt und
mit Vermutungen umwoben. Der ehrliche Name
Brandt war mit Kot beworfen. Generationen,
die unter den Augen des greisen Rektors g^otz
geworden, vergaßen, daß er ein Ehrenmann
war, weil er eine Tochter hatte, die davon-
gelaufen. Ja, davongelaufen! Eine andere Er-
klärung gab es nicht.
Mit diesem Gedanken quälte sich der Rektor,
offenen Auges im Bett liegend, bis spät in die
Nacht hinein. Draußen ging ein leiser Wind.
Er merkte es an dem Lichtschein, der von der
schaukelnden Bogenlampe in sein Zimmer fiel
Er mochte wohl langsam emgeschlafen sein;
denn Plötzlich erwachte er in dem Glauben, die
Hausklingel habe geschellt. Er stemmte sich hoch,
horchte und wußte im Augenblick nicht, ob er
träume oder wache. Dann klingelte es wieder.
Er wollte an die Wand klopfen, um Else zu
wecken. Aber da hörte er schon, wie sie das
Fenster zu Straße hin öffnete, dann wieder
schloß und die Treppe hinunterging. Er rnf,
um zu erfahren, wer zu so später Nachtzeit
etwas von ihm wolle. Aber sie hörte es »richt.
Gott, wenn sie es wäre! Christel!
Schnell schlüpfte er in seinen Anzug, zog
die Pantoffel über und eilte in den Hausflur
Bon unten stieg ein elastischer MännerschZtt

Aufbau der Gesellschaft auf ein neues Funda-
ment zu stellen hat, im Bezug auf die Staats-
lehre und Politik sowohl wie hinsichtlich der
Wirtschaft, vor allem auch wegen der Ideen-
welt und der Wandlung der Sitten. Der Neu-
aufbau soll geleitet werden durch die Be-
ruf s st ä n d e. Es handelt sich darum, aus
dem liberalistischen, kapitalistischen Gedanken-
kreis heraus zu kommen, in dem der Sinn der
Zeitgenossen für die christliche Ideale empfäng-
lich gemacht wurde. Man stößt auf den Begriff
„Staa t".
Der Staat ist die Verbandseinheit seßhafter
Menschen (Staatslexikon der Eörresgesellschaft
IV. B. S. 1806). Er ist nicht identisch mit
Nation. Er setzt ein Volk voraus. Wie kein
Staat ohne Volk, so kein Staat ohne Gebiet.
Die Kirche kennt keine territorialen Grenzen;
dem Staate ist das Gebiet wesentlich. Der
Staat kann untergehen oder neu gegründet
werden; die Kirche steht da wie ein Fels im
Meer, unverändert und unveränderlich bis
ans Ende der Zeiten. Die katholische Kirche
richtet sich hinsichtlich der Staatslehre nach den
von Leo XIII. festgesetzten Grundsätzen, der
seinerseits aus dem Lehrgute schöpft, welches
Aristoteles, Thomas, Suarez, Bellarmin u. a.
d. h. die Scholastik festgelegt haben, Der hl.
Paulus, Römer 13, 1, sagt: „Keine Gewalt
außer von Gott," daher oberster Grundsatz der

herauf: Gerhard. Else unterhielt sich flüsterns
mit ihm, bis daß er, auf dem Treppenabsatz
angekommen, den Vater oben stehen sah.
„Guten Abend, Vaterl Warum bist du noch
nicht im Bett?"
„Junge wo kommst du her, so spät?"
Gerharo antwortete nicht, drückte feinem
Vater stumm die Hand und legte seinen Arm
um dessen Schulter. Dabei konnte man sehen,
daß der Sohn ein schlanker junger Mann war,
der den Vater um Kopfhöhe überragte. Sein
Gesicht verriet ihn auf den ersten Blick als den
Bruder Christels. Nur war es männlicher,
noch schärfer geschnitten und von jener edlen
Selbstzucht, die dem Jüngling die Festigkeit
des Mannes verleiht. Er trug einen Hellen,
weit fallenden Ueberzieher und einen breit-
krempigen, dunklen Hutu. Seine Stimme klang
voll und tief durch das nächtlich-stille Treppen-
haus.
„Woher weißt du . . .?" fragte der Vater,
als sie die Dür der Wohnung hinter sich ge-
schlossen und im Wohnzimmer Licht gemacht
hatten.
„Aus der Zeitung", unterbrach ihn Gerhard,
der merkte, daß der Vater noch kein Wort für
das ganze Geschehnis hatte. „Ich habe mir ja
immer unsere Zeitung nachschicken lassen. Und
da erfährt man dann plötzlich so etwas." (So
hatte ex sich unterwegs die Erklärung für seine
plötzliche Heimreise zurechtgelsgt. In Wirtlich-
keit war Elses Brief die Veranlassung dazu
gewesen. Das von der Zeitung hatte sie nn
Laufe des Nachmittags telephonisch mitgeteilt.)
„Ja, da kannst du mal sehen, was für eine
Schwester du hast!" seufzte sein Vater.
„Da steckt ein anderer dahinter, Vater, glaub
es mir. Aber nun geh schlafen. Morgen spre-
chen wir ausführlich über die ganze Sache."
„Else, mach was zu essen für den Jungen",
drängte der Rektor.
„Danke. Ich habe im Speisewagen etwas

Eine Verordnung des Reichskanzlers
Berlin, 1. Juli. Der Reichskanzler hat eine
Verordnung erlassen, wonach der Reichsminister
für Volksaufklärung und Propaganda zuständig
ist für alle Aufgaben der geistigen Einwirkung
auf die Nation, der Werbung für Staat, Kultur
und Wirtschaft, der Unterrichtung der in- und
ausländischen Oeffentlichkeit über" diese und der
Verwaltung aller diesen Zwecken dienenden Ein-
richtungen.
Demzufolge gehen auf den Geschäftsbereich des
Reichsministeriums für Volksaufklärung und
Propaganda Über:
Aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes: Nachrichtenwesen und Aufklärung im
Auslände, Kunst, Kunstausstellungen, Film und
Sportwesen im Auslande.
Aus dem Geschäftsbereich des Reichsminffte-
riums des Innern: Allgemeine iunevpMtische
Aufklärung, Hochschule für Politik, Einführung
und Bsgechung von nationalen Feiertagen und
Staatsfeiern unter Beteiligung des Rsichsmim-
stevs des Innern, Presse, Rundfunk, National-
hymne, Deutsche Bücherei in Leipzig, Kunst (mit
gewissen Einschränkungen), Mustkpflege, Thea-
tevangölegenhöiten, Lichtspielwesen, Bekämpfung
von Schund und Schmutz.
Aus dem Geschäftsbereich des Roichswirt-
schastsmiNisterinms und des Reichsministeriums
für Ernährung und Landwirtschaft: WirtschaftZ-

gsgessen. Aber etwas zu trinken, wenn 'hr
was da habt."
„Kalte Milch? Die trinkst du ja so gerne",
fragte Elfe.
„Ja, die wäre mir eine Erquickung." Der
Rektor mußte sich wohl oder übel darein fin-
den, zu Bett zu gehen. Es sei schon ein Uhr,
und er habe gewiß einen schweren Tag hinter
sich.
„Ja, den schwersten meines Lebens", gestund
er und schlurfte in sein Schlafzimmer zurück.
Lange saßen Schwester und Bruder noch
beisammen und berieten, was zu tun sei. Als
sie zur Ruhe gingen, war es Else leichter ums
Herz. Sie hatte immer viel Zutrauen zu ihrem
Bruder gehabt, obwohl er beträchtlich jünger
war als sie. Gerhard aber war der Ueber-
zeugung, daß Christel nicht so bald ihren Kopf
beugen werde. Dafür kannte er sie zu gut.
Und Hundertmark würde nicht leicht beizu-
kommen sein . . .
V.
Als Christel zum ersten Male in ihrem
Stübchen in der Keithstraße erwachte, war
schon Heller Morgen.
Müde und von einer unerklärlichen Span-
nung der Nerven erschöpft, hatte sie nach ihrer
Heimkehr aus dem Theater noch lange wach
gelegen, ehe sie eingeschlafen war. Ganz von
ferne rollten die Straßenbahnen durch die
Nacht, die hier überhauupt nicht zur Ruhe zu
kommen schienen. Die Melodie der Oper wollte
nicht aus ihrem Gehör weichen. Sie hatte
„Madame Butterfly" gehört und würgte im-
mer noch an dem Schmerze, den hier eine
Frau durch einen treulosen Mann erleidet. Die
Musik wühlte in ihrem weichen Gemüte wie
ein Sturm in der Tiefe eines Sees. Niemand
war, dem sie ihre Ahnung hätte aussprechen
können.
Nun log sie hier i« einem schmalen Bett,
zwischen engen Wänden, fern von allem, was

Ausstcllungs-, Messe- und Reklame-
wesen.
Aus dem Geschäftsbereich des Reichspostmini-
steriums und des Reiichsverkchrsministeriums:
Verkehrswerbung.
Aus dem Geschäftsbereich des Röichspostmini-
steriums gehen ferner alle bisher dort bearbei-
teten RuNdfunkauMlögenheiten über, soivsit sie
nicht die technische Verwaltung außerhalb der
Häuser der Reichsrunidfunk-Gesellschaft und der
Ruudsuukgssellschaflen betreffen. An Ängelsgen-
heiten der technischen Vemvaltuug ist der Reichs-
minister für Volksaufklävung und Propaganda
soweit zu beteiligen, als es die Durchführung
seiner eigenen Aufgaben notwendig macht, vor
allem bei der Festsetzung der VerleihungsWdin-
g-ungen für Rundfunkankrgen und der Göbühren-
vsgelung. Auf den Reichsminister für Volks-
aufklärung und Propaganda geht insonderheit
die Vertretung des Reiches in der Reichsrund-
funk-Gesellschaft und den Rundfunk-Gesellschaf-
ten in vollem Umfange über.
Auf den bezeichneten Gebieten ist der Reichs-
minister für Balksaufklärung und Propaganda
für alle Aufgaben, einschließl. der Gesetzgebung,
federführend. Für die Beteiligung der übrigen
Michsmimster gelten die allgemeinen Grund-
sätze.
ihre Tage bisher umhegt und ausgefüllt hatte.
Ganz auf sich selbst gestellt! Ach — fort mit
diesen düsteren Gedanken. Hatte sie selbst es
nicht so gewollt? War sie jetzt nicht ihr eigener
Herr?"
Sie besah das schlecht gewaschene Leinen
ihres Oberbettes, durch das das rote Inlett
schon durchschimmerte. Hier war alles Lillig-
dünn, verwaschen. Das Bett ächzte, als sie sich
entschloß, aufzustehen und den Tag zu begin-
nen. Dort auf dem Stuhl stand noch chr Koffer
unausgepackt, lieber dem Tische lag ihr Thea-
terlleid, wie sie es am späten Abend ausgezogen
hatte. Langsam, lustlos wusch sie Gesicht und
Hände. Die Seife roch herb, das Handtuch
würde niemals zu den ausgiebigen Waschungen
genügen, die sie daheim jeden Morgen gewohnt
war, so ging es ihr durch den Sinn, als sie
überlegte, wie sie sich in dieser Puppenstube
häuslich einrichten werde.
Dann ging sie daran, den Koffer auszu-
packen. Obenauf lagen die wenigen schnell zu-
sammengerasften Kleider. Nur zwei Wollkleid-
chen hatte sie für würdig befunden, mit nach
Berlin zu gehen. Gut, daß sie auch an den
Jumper und das Faltenröckchen gedacht hatte.
Es würde ihr gute Dienste tun. Zwei Paar
Stiefel kamen noch hervor; das dritte, fast
neue lacklederne, stand noch von gestern abend
unter dem Bett. Mit Wäsche war sie ziemlich
reich versehen. Aber was sollte sie damit nach
dem, was sie in den Fensterauslagen gestern
gesehen hatte? Sie verstaute alles, soweit sie
Platz fand, in den Schubladen, stellte ihre
Toilettssachen auf den schmalen Wischtisch,
schlüpfte in den Faltenrock, fuhr mit dem
Kamm durch ihre flotte Frisur, Polierte die
Fingernägel, die wie rosiges Perlmutter glänz-
ten und sich schlank um die Finger legtea, und
zog den warmen Jumper über.
(Fortsetzung folgte
 
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