Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land (68) — 1933 (Juli bis September)

DOI chapter:
Nr. 174-199 (1. - 31. August)
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.68779#0506
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
»Vie find Mensche», Sir," warf ich ei«.
.^vertiert« Menschen, ja", entgegnete er. „Ich habe genug von Euch
gehört, um zu wissen, daß Ihr selbst in der größten Gefahr noch nach-
sichtig mit diesen Kerlen seid; ich aber bin andrer Meinung. Wenn
Ihr erlebt hättet, was ich erlebt habe, würde niemand von Old Shat-
terhand, dem Schonungsvollen, erzählen können. Und da diese Sippe
von Parranoh, dem Abtrünnigen, dem hundertfachen Mörder, ange-
führt wird, so soll sie mein Tomahawk nun erst recht fressen. Ich habe
eine Rechnung mit ihm auszugleichen, eine Rechnung, die mit Blut
geschrieben ist."
„Ihr habt sehr recht," erklärte der Colonel. „Schonung wäre hier
Sünde."
„Well, ich will Euch nicht widersprechen", meinte ich. „Aber haltet
Ihr es nicht für besser, mit der Entscheidung zu warten, bis Winne-
tou seine Meinung in dieser Sache vorgebracht hat?"
„Egad! Den hätte ich beinah vergessen! Sagtet Ihr nicht, daß er
draußen am Rand des Buschwerks wartet?"
„Ja, und ich werde ihn jetzt holen, um-"
„Stop," rief Old Firehand ein, „laßt das lieber mich besorgen! Ich
freue mich zu sehr auf das Wiedersehn mit ihm."
„Mir soll es recht sein. Ich werde also hier bleiben. Die Stelle,
wo Winnetou lagert, brauche ich wohl einem Mann wie Euch nicht ge-
nau zu beschreiben. Ihr werdet sie auch so finden."
„Allright! So wirds gemacht!" Im nächsten Augenblick hatte er
seinen Biberhut vom Nagel gerissen und war zur Tür hinaus. —
Als dann Winnetou kam, wurde zuerst gegessen, dann beriet man
die Einzelheiten, wie die Roten am besten zu empfangen seien.
Um ihnen das Anschleichen so leicht wie möglich zu machen, sollte der
Außenposten eingezogen werden, überhaupt sollte der Eindruck erweckt
werden, als ob die Besatzung von der drohenden Gefahr keine Ahnung
hätte. Jeder Mann sollte außer der Doppelbüchse einen Revolver und
einen Vowiekneif erhalten. Es galt, die Feinde gleich beim ersten
Angriff so zu bedienen, daß sie möglichst geschwächt wurden und von
ihrem Vorhaben ablassen mußten.
Die Hauptsache war, sie nicht nur zu empfangen, sondern in der
ersten Verwirrung mitten unter sie hineinzufahren. Zehn Mann von
der Besatzung waren Dragoner; diese sollten nach der ersten Doppel-
salve aufsitzen und einen Ausfall machen, was die Verwirrung der Ro-
ten, die natürlich ohne Pferde angeschlichen kamen, vermehren mußte,
"her Denkzettel, der ihnen so gegeben wurde, sollte ihnen ein für alle-
mal die Lust zu ähnlichen Teufeleien vertreiben.
Die Roten greifen in der Regel nicht vor der Morgendämmerung
an. Es war nicht anzunehmen, daß sie diesmal eine Ausnahme mach-
ten, doch war immerhin mit jeder Möglichkeit zu rechnen. Deshalb
stand die ganze Besatzung schon von Mitternacht an, die Doppelbüchsen
in Händen, hinter den Palisaden bereit. Sie hatte sich, da der An-
griff kaum von der Flußseite her erfolgen würde, auf die übrigen drei
Seiten verteilt; trotzdem wurde auch nach dem Fluß zu ein Posten
beordert, um jeder Ueberraschung von dieser Richtung vorzubeugen.
Die Zeit verstrich quälend langsam, und die Viertelstunden schienen
sich zu Stunden zu dehnen. Unsre Geduld wurde auf eine harte Probe
gestellt, denn es ereignete sich nicht das geringste, was auf eine An-
näherung der Roten schließen ließ. Und doch wußten wir ganz ge-
nau, daß da draußen hundert blutgierige Teufel auf den Augenblick
warteten, da sie über uns herfallen konnten.
Die Morgendämmerung brach endlich mit einem leichten Nebel an,
der das Vorgehen der Roten, nahe ans Fort heranzukommen, sehr be-
günstigen mußte. Uns kam er dagegen recht ungelegen, da er den
freien Ausblick verhinderte. Doch besserte sich die Fernsicht glücklicher
Weise zusehends, und nach kurzer Zeit war es uns möglich, wenigstens
den obern Teil des vor uns liegenden Hügelabhangs zu überschauen.
Aber kein Indianer wollte sich uns zeigen.
Doch endlich — da waren sie. Aus dem Dunst unten am Fuß des
Hügels löste sich, der Form nach zwar unbestimmt, aber doch deutlich
erkennbar, ein breiter, dunkler Schatten. Immer klarer wurden seine
Umrisse — die Roten kamen.
„Have care — aufgepaßt!" flüsterte Old Firehand. „Nicht schießen,
bevor ich den Befehl dazu gegeben habe!"
Der dunkle, formlose Schatten war bald als eine dichte ungeord-
nete Menge von Menschen zu erkennen. Die Roten mußten ihrer
Sache sehr sicher sein, denn sie kamen nicht in einer lang ausgezognen
Linie, die den ganzen Hügel umschloß, sondern in einem ziemlich dich-
ten Haufen heran. Der Augenblick der Entscheidung war da.
Sie waren auf eine Entfernung von fünfzig Metern herangekom-
men, da ertönte die Stimme Old Firehands.
„Feuer!"
Unsre Salve krachte, und sogleich bildete die Schar der Jdsmen einen
wirren Knäuel von Toten, Verwundeten und Lebenden. Solch einen
Empfang hatten die Roten nicht erwartet. Einen Augenblick blieb
es still, dann aber erzitterte die Luft unter einem wilden Geheul, dem
Krieasgeschrei der Sioux, und mit geschwungnen Tomahawks kamen

„Feuer!" befahl Old Firehand zum zweitenmal, und der zweite Lauf
der Büchsen entlud sich gegen die Anstürmenden.
„Hinaus mit den Pferden!" übertönte jetzt die Stimme des Jägers
das Gebrüll der Roten. Im Nu war das Tor geöffnet, und die zehn
Dragoner brausten hinaus, den Hügel hinunter und mitten hinein in
den dichtesten Schwall der Feinde.
Ich sandte hinter der Umzäunung hervor aus meinem Henrystutzen
Schutz um Schuß in die Masse der Angreifer, doch war ich bestrebt,
nicht zu töten, sondern nur kampfunfähig zu machen. Als ich meine
letzte Kugel verschossen hatte, schaute ich mich um. Old Firehand und
Winnetou, die an meiner Seite gestanden hatten, waren nicht mehr zu
sehn. Sie hatten sich, wie ich später erfuhr, nachdem sie ihre Doppel-
büchse abgefeuert hatten, sogleich über die Umzäunung geschwungen
und auf den Feind geworfen. Auch ich ließ jetzt den Bärentöter und
den Henrystutzen, die mir nur hinderlich gewesen wären, fallen. Un-
mittelbar hinter den Dragonern hatte sich die Hälfte der übrigen Be-
satzungstruppen durch das Tor hinausgedrängt, und ich sprang, ven
Tomahawk in der Rechten, den andern nach. Hinter mir wurde das
Tor wieder geschlossen.
In der ersten Ueberraschung und durch den Anprall der Dragoner
waren die Indianer bis an den Fuß des Hügels zurüägedrängt wor-
den. Dort waren sie aber durch Parranoh zum Stehn gebracht wor-
den, der nicht gesonnen war, auf den Sieg, den er schon in Händen zu
haben glaubte, so schnell zu verzichten. Obgleich seine Schar durch
unsre beiden Salven sehr geschwächt worden war, befand er sich uns
gegenüber doch noch immer im Vorteil — wenigstens der Zahl nach
war er uns noch um mehr als das Doppelte überlegen.
An Toten und Verwundeten, die den Hügelabhang bedeckten, vorü-
ber stürmte ich auf den Kampfplatz zu. Winnetou und Old Firehand
befanden sich im dichtesten Schwarm der Feinde.
Winnetou kannte ich genugsam und ließ ihn also unbeachtet; mit
Gewalt dagegen drängte es mich in die Nähe von Old Firehand, dessen
Anblick mich an jene alten Recken mahnte, von denen ich als Knabe >o
oft mit Begeisterung gelesen. Mit auseinandergespreizten Beinen
stand er grad und aufrecht da und ließ sich von den Soldaten des
Forts die Indianer ins Schlachtbeil treiben, das, von seiner riesen-
starken Faust geführt, bei jedem Schlag zerschmetternd auf die Köpfe
der Feinde sank. Die langen, mähnenähnlichen Haare wehten ihm
ums entblößte Haupt, und in seinem Gesicht prägte sich eine Sieges-
gewißheit aus, die den Zügen einen fremden Ausdruck verlieh.
Jetzt erblickte ich Parranoh im Haufen der Indianer und bemühte
mich, an ihn zu kommen. Mir ausweichend, kam er in die Nähe des
Apatschen, wollte aber auch diesen vermeiden. Das sah Winnetou,
sprang auf ihn ein und rief:
„Parranoh! Will der Hund von Athabaskah laufen vor Winnetou,
dem Häuptling der Apatschen? Der Mund der Erde soll sein Blut
trinken, und die Kralle des Geiers soll zerreißen den Leib des Ver-
räters."
Er warf den Tomahawk von sich, riß das Messer aus dem Gürtel
und packte den weißen Häuptling an der Kehle. Aber er wurde von
dem tödlichen Stich abgehalten.
Als er sich ganz gegen seine sonstige Gewohnheit mit so drohendem
Ruf auf den Ponka stürzte, hatte Old Firehand einen Blick herüber-
geworfen, der das Gesicht des Feindes streifte. Nur eine Sekunde
währte das, aber er hatte doch den Mann erkannt, den er haßte mit
der tiefsten Faser seines Innern, den er lange, lange mit rastlosem
Eifer, aber vergebens gesucht, und der ihm jetzt endlich vor die Augen
kam.
„Tim Finnetey!" schrie er, schlug mit den Armen die Indianer wie
Grashalme auseinander und sprang mitten durch sie hindurch auf
Winnetou zu, dessen zum Stotz erhobene Hand er packte. „Halt, Bru-
der, dieser Mann gehört mir!"
Vor Schrecken starr stand Parranoh, als er seinen eigentlichen Na-
men rufen hörte; kaum aber hatte er einen Blick ins Gesicht Old Fire-
hands geworfen, so riß er sich von der Hand Winnetous los, der seine
Aufmerksamkeit geteilt hatte, und stürmte wie von der Sehne ge-
schnellt, davon. Im Augenblick machte auch ich mich von dem Indianer
frei, mit dem ich während dieses Auftritts im Kampf stand, und setzte
dem Fliehenden nach. Er mußte mein werden. Zwar hatte ich selber
keinerlei Abrechnung mit ihm zu halten, aber selbst wenn er nicht als
der eigentliche Urheber des Ueberfalls Anrecht auf eine Kugel gehabt
hätte, so wußte ich doch, daß er ein Todfeind Winnetous war, und
ebenso hatten mich die letzten Augenblicke belehrt, daß Old Firehand
an seiner Person gelegen sein müsse.
Beide hatten sich gleichfalls augenblicklich zur Verfolgung in Be-
wegung gesetzt; aber ich wußte, daß sie den Vorsprung, den ich vor
ihnen hatte, nicht verringern würden; freilich mußte ich zur gleichen
Zeit auch bemerken, daß ich es mit einem vorzüglichen Läufer zu tun
hatte. Obgleich Old Firehand nach dem, was ich von ihm gehört
hatte, ein Meister in allen Fertigkeiten, die das Leben im Westen ver-
langt, sein mußte, so befand er sich doch nicht mehr in den Jahren, bis
einen Wettlauf auf Tod und Leben begünstigen, und Winnetou harte
mir schon öfters eingestanden, daß er mich nicht einzuholen ver- 'cht«.

Zu meiner Genugtuung bemerkt« ich, baß Parranoh den Fehler be-
ging, ohne seine Kräfte gehörig abzumessen, Hals über Kopf immer
g- rdaus zu rennen, und in seiner Bestürzung das gewöhnliche Verfah-
ren der Indianer, im Zickzack zu fliehn, nicht befolgte, während ich den
Atem zu sparen suchte und in sorgfältiger Berechnung meiner Kräfte
die Anstrengung des Laufs abwechselnd von einem Bein aufs andre
legte, ein Verfahren, das mir stets von Vorteil gewesen war.
Die beiden andern blieben immer weiter zurück, so daß ich ihr schwe-
res Atmen, das ich erst dicht hinter mir gehört hatte, nicht mehr ver-
nahm, und jetzt erscholl auch schon aus beträchtlicher Entfernung die
Stimme Winnetous:
„Old Firehand mag stehen bleiben! Mein junger, weißer Bruder
w--' die Kröte von Athabaskah fangen und töten. Er hat die Füße
des Sturms, und niemand vermag, ihm zu entkommen."
So schmeichelhaft diese Worte für mich klangen, ich konnte mich doch
n ! umsehn, um festzustellen, ob der grimmige Jäger ihnen auch
Folge leistete. Parranoh hatte jetzt den Rand des Buschwerks er-
reicht, und ich mutzte alle meine Aufmerksamkeit zusammennehmen, um
ihn nicht aus dem Auge zu verlieren.
war dem Flüchtling jetzt auf zwanzig Schritt nahe gekommen.
Wenn es ihm gelang, mehrere Büsche als Deckung zwischen sich und
mich zu bekommen, so konnte er mir entwischen. Darum holte ich
weiter aus, und in kurzer Zeit flog ich so dicht hinter ihm her, daß ich
sc.. keuchendes Schnaufen vernahm. Ich hatte keine andre Wäife
bei mir, als die beiden abgeschossenen Revolver und das Bowiemesser,
das zog ich jetzt aus dem Gürtel. Das Beil hätte mich am Laufen ge-
hinderi; deshalb hatte ich es schon nach den ersten Sprüngen weg-
geworfen.
Da plötzlich schnellte Parranoh zur Seite, um mich in vollem Jagen
an sich vorüberschießen zu lassen und dann von hinten an mich zu
kommen; aber ich war auf diese Finte gefaßt und bog in demselben
Augenblick seitwärts, so daß wir mit voller Gewalt zusammenprall-
ten, wobei ihm mein Messer bis an den Griff in den Leib fuhr.
Der Zusammenstoß war so kräftig, daß wir beide zur Erde stürzten,
von der sich Parranoh allerdings nicht wieder erhob, während ich mich
augenblicklich zusammenraffte, da ich nicht wissen konnte, ob er tödlich
getroffen war. Aber er bewegte kein Glied, und tief Atem holend, zog
ich das Messer zurück.
Es war nicht der erste Feind, den ich niedergestreckt hatte, und
mein Körper zeigte manches Andenken an einen nicht im ner glücklich
bestandenen Strauß mit den kampfgeübten Bewohnern der amerikani-
schen Steppen, aber hier lag ein Weißer vor mir, der von meiner
Waffe gefallen war, und ich konnte mich eines unangenehmen Ge-
fühls nicht erwehren. Doch hatte er den Tod jedenfalls veroient und
war des Bedauerns nicht wert.
Während ich noch mit mir zu Rat ging, welches Zeichen meines
Sieges ich mit mir nehmen sollte, hörte ich hinter mir den eiligen Lauf
eines Menschen. Rasch warf ich mich nieder; aber ich hatte nichts zu
bc-ürchten; denn es war Winnetou, der mir in freundschaftlicher Be-
sorgnis doch gefolgt war und jetzt an meiner Seite hielt.
„Mein Bruder ist schnell wie der Pfeil des Apatschen, und sein
Messer trifft sicher das Ziel," sagte er, als er den Toten liegen sah.
„Wo ist Old Firehand?" erkundigte ich mich.
„Er ist stark wie der Bür zur Zeit des Schneefalls; aber sein Fuß
wird gehalten von der Hand der Jahre."
Ich sah, wie die Hand meines roten Freundes nach dem Mess.'r
zuckte. Seine indianische Natur machte sich geltend, und ich erriet, daß
er jetzt mit der Versuchung kämpfte, dem gefallenen Feind die Kopf-
haut zu nehmen. Aber einerseits hätte er es verschmäht, sich mit einem
Siegeszeichen zu schmücken, das er nicht selber errungen hatte, und
andrerseits hatte ihm der Verkehr mit mir soviel christliches Denken
beigebracht, daß er seit Jahren schon dieser indianischen Sitte ent-
sagte. Immerhin kostete es ihn eine nicht geringe Willensanstren-
gung, sich zu bezwingen; indem er den Gefallenen mit dem Fuß an-
stieß, sagte er verächtlich:
„Der weiße Häuptling ist ein Aas; Winnetous Hand mag ihn nicht
berühren. Er überläßt ihn den Coyoten zum Fratz."
Damit wandte er sich ab, in der Richtung nach dem Fort. Ich
folgte ihm auf dem Fuß, wobei mich eine leise Sorge um Old Firehand
überkam. Längst schon hätte er bei uns sein müssen; aber vermutlich
hatte er, sobald Winnetou ihm aus dem Auge gekommen war, eine
falsche Richtung eingeschlagen.
Da hörte ich einen Ruf, der aus weiter Entfernung zu uns drang.
„Uff!" stutzte Winnetou. „Da muß unser Bruder Old Firehand
sein, denn den fliehenden Ponkas wird es nicht einfallen, sich durch
Rufe zu verraten."
„Das ist auch meine Meinung; und die Soldaten werden sich nicht
so weit vom Fort entfernt haben, folglich wird es wohl auch keiner
von ihnen sein. Laufen wir schnell hin!"
„Ja, schnell! Er befindet sich in Gefahr, sonst würde er nicht rufen."
Wir setzten uns in Bewegung, aber Winnetou nach Süd und ich
nach Ost. Darum blieben wir sofort wieder halten, und der Apatsche
fragte:

>Marurn etlt mein Bruder dorthin? Es »ar ff» Südens
„Nein, sondern im Oste«. Horch!"
Der Ruf wiederholte sich, und ich war meiner Sache gewiß.
ist im Osten; ich höre es ganz deutlich."
„Es ist im Süden; mein Bruder irrt sich abermals."
„Und ich bin überzeugt, daß ich recht habe. Wir haben aber kein«
Zeit, die irrige Meinung zu berichtigen. Winnetou mag also südlich
gehn, während ich östlich laufe; einer von uns findet ihn dann be-
stimmt."
„Howgh!"
Mit diesem Wort sprang er, der sich sonst in solchen Dingen nie-
mals irrte, fort und ich lief, so schnell ich konnte, in der von mir be-
haupteten Richtung davon. Schon nach kurzer Zeit bemerkte ich, daß
ich recht gehabt hatte, denn der Ruf erklang wieder und zwar viel
deutlicher als vorher.
„Ich komme, Old Firehand, ich komme!" schrie ich und verwandelt«
meine Schritte in noch viel weitere Sätze.
Die Savanne war mit vereinzeltem Buschwerk besetzt, da» den
freien Ausblick nach allen Seiten verwehrte. Doch war das für mich
kein Hindernis; ich kannte ja jetzt die Richtung. Im Laufen lud ich
meine abgeschossenen Revolver wieder, und dann sah ich, um einen
Busch biegend, vor mir eine Gruppe kämpfender Menschen.
Old Firehand kniete an der Erde, weil er verwundet zusammenge-
sunken war, und verteidigte sich gegen drei Feinde, während er schon
drei niedergemacht hatte. Jeder Streich konnte ihm das Leben kostm,
und es war höchste Zeit, daß ich ihm zu Hilfe kam. Einige Sätze brach-
ten mich in Schußweite. Drei schnell aufeinanderfolgende Schüsse aus
dem Revolver und die drei Feinde stürzten nieder; ich rannte weiter,
auf Old Firehand zu.
„Gott sei Dank! Das war zur rechten Zeit, grad im letzten Augen-
blick, Sir!" rief er mir entgegen.
„Ihr seid verwundet?" fragte ich, bei ihm anhaltend. „Doch nicht
etwa schwer?"
„Lebensgefährlich wohl nicht. Zwei Tomahawkhiebe in die Beinef
T.e Kerls konnten mir oben nicht an den Leib! darum hackten fl»
unten in die Beine, daß ich zusammenbrechen mußte."
„Das gibt großen Blutverlust. Erlaubt, "daß ich Euch untersuche!"
„Well, gern! Aber, Sir, was seid Ihr für ein Schütze! Aus dieser
Entfernung alle drei in den Kopf geschossen! Sie sind tot. Das bringt
nur ein Old Shatterhand fertig! Ich kam Euch vorhin, als wir Tim
Finnetey verfolgten, nicht nach, weil ich eine Pfeilwunde am Bei«
hatte, die mich am Laufen hinderte. Ich suchte nach Euch; da wucyseO
die sechs roten Kerls grad vor mir förmlich aus der Erde. Ich hatt«
nur das Messer und meine Fäuste, weil ich die andern Waffen, um
besser laufen zu können, weggeworfen hatte. Drei stach ich nieder;
die andern drei hätten mich, wenn Ihr nicht gekommen wärt, wohl
kalt gemacht. Ich werde das Old Shatterhand nie vergessen."
Während er erzählte, untersuchte ich seine Wunden! sie wäre»
schmerzhaft, aber glücklicherweise nicht gefährlich. Da kam Winne-
tou, der den Knall meines Revolvers gehört hatte, und hals Old
Firehand verbinden. Er gab freimütig zu, heut einmal von seinem!
sonst so vortrefflichen Gehör getäuscht worden zu sein. Di« sechs-
Toten ließen wir liegen und kehrten nach dem Fort zurück, natürlich
sehr langsam, weil Old Firehand nicht schnell gehen konnte.
Als wir den Saum des Buschwerks erreichten und das Fort vor uns
liegen sahn, waren die Roten verschwunden. Der Kampf war vor-
über, und die Besatzung war damit beschäftigt, die Toten zusammen-
zutragen und die Verwundeten ins Fort zu schleppen. Das Bajonett
der Fußtruppe und der Säbel der Dragoner hatte unter den Ponka»
reiche Ernte gehalten. Wir zählten auf Seiten der Angreifer, di«
sechs Indianer Old Firehands mit eingerechnet, fünfundvierzig Tote
und dreiundzwanzig Verwundete, die nicht imstand gewesen waren,
mit den andern zu fliehn — eine schreckliche Lehre, die den Roten für
lange Zeit zur Warnung dienen mußte. Die Verwundeten kamen
hauptsächlich auf meine Rechnung, denn die Soldaten waren nicht so
zartfühlend gewesen, ihre Feinde nur kampfunfähig zu machen, und
hatten keine Gnade gegeben. Glücklicherweise waren ihre eigene»
Verluste ganz gering, nur einige Verwundete.
Wir waren, nachdem wir für Old Firehands Pflege gesorgt hatte«
noch mit den Opfern des Kampfs beschäftigt, da kehrten die Dragoner
von der Verfolgung zurück. Auch sie hatten keinen Toten zu beklagen,
wenn auch kaum einer ohne Wunde davongekommen war. Dafür
brachten sie eine nicht unansehnliche Beute mit, nämlich einen lange»
Zug von sechzig Pferden, die sie den Fliehenden abgejagt hatten.
Unter all dem war der Morgen angebrochen, hell und strahlend;
die Sonne lachte so freundlich auf uns hernieder, als ob es überhaupt
keinen Haß und keine Feindschaft, kein Morden und Blutvergießen
gäbe.
^Fortsetzung folgt.)
 
Annotationen