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Pfälzer Bote für Stadt und Land (68) — 1933 (Juli bis September)

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Nr. 174-199 (1. - 31. August)
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Aefer gebräunten Gesichts verriet auch nur die leiseste, freundliche
Regung über mein Kommen.
»Wenn es nicht möglich wäre, würdet Ihr mich nicht hier treffen
bir", antwortete er. „Aber die Berechtigung zu solcher Frage liegt
weh: auf meiner als auf Eurer Seite. Welche Ursache gab Euch
die Erlaubnis, Euer» Weg in unser Lager zu nehmen?"
War das ein Empfang, wie ich ihn verdient hatte? Kälter und
gemessener noch als er erwiderte ich nur das eine Wort:
„Pshaw!" und glitt, ihm den Rücken wendend, vorsichtigen Fußes
wieder hinab.
Obgleich ich nur einen Knaben vor mir hatte, wollte mir sein Ver-
halten nach all dem Eeschehnen doch einen kleinen Aerger verursachen.
Die Behauptung Old Firehands, daß Harry mich für feig gehalten
habe, stimmte allerdings mit seiner damaligen Aeußerung überein
aber das gab dem Knaben wohl noch lange nicht das Recht, in dieser
Weise gegen mich aufzutreten. Doch ich bezwang meine Verstimmung
und kehrte nach dem Lagerplatz zurück.
Es ward Abend. In der Mitte des weiten Talkessels brannte ein
hoch emporzüngelndes Feuer, um das sich sämtliche anwesende Be-
wohner der „Festung" versammelt hatten. Auch Harry, der, wie ich
bald bemerkte, den Männern in jeder Beziehung gleichberechtigt war,
hatte mitten unter ihnen Platz genommen und betrachtete mich, wie
es mir schien, mit weniger gehässigen Blicken als vorhin.
Es wurden eine Reihe selbsterlebter Abenteuer erzählt, denen ich
aufmerksam lauschte, bis ich mich erhob, um mich nach alter Gewohn-
heit einmal nach meinem Pferd umzusehn. Ich verließ das Feuer und
s -ritt in das Dunkel hinaus, über das sich der Himmel so freundlich,
klar und sternenhell ausbreitete, als strahlten seine Millionen Lichter
nicht auf eine Erde nieder, deren höchstentwickelte Wesen sich mit den
Waffen in der Hand einander gegenüberstehn, um sich zu zerfleischen.
L.n leises, freudiges Wiehern am Saum des Gebüschs, das den
Vach berandete, rief mich zu Hatatitla, der mich erkannt hatte und nun
den Kopf zärtlich an meiner Schulter rieb. Er war mir doppelt lieb
geworden, seit er mich durch Glut und Flut getragen, und liebkosend
drückte ich meine Wange an seinen schlanken, weichen Hals.
Ein kurzes Schnauben seiner Nüstern, das mir als Warnungszeichen
bekannt war, ließ - ich zur Seite blicken. Eine Gestalt kam auf uns
zugeschritten, und ich sah den Zipfel des um den Kopf geschlungnen
Tuchs sich bewegen. Es war Harry.
.Verzeiht, wenn ich störe", klang seine Stimme jetzt etwas unsicher.
.t<d dachte an Euern Hatatitla, dem ich das Leben zu danken habe,
wollte das brave Tier gern begrüßen."
Hier steht es. Ich werde die Begrüßung nicht durch meine Gegen-
wart beeinträchtigen. Good nigth!"
Ach wandte mich zum Gehn, hatte aber kaum ein Dutzend Schritte
getan, als ich den halblauten Ruf vernahm:
.Sir!"
Ach blieb stehn. Zögernden Fußes kam Harry mir nach, und das
«r^entümliche Zittern seiner Stimme verriet die Verlegenheit, die er
«tcht so schnell überwinden konnte.
^2ch habe Euch beleidigt!"
„Beleidigt?" erwiderte ich kühl und ruhig. „Ihr irrt, Sir. Ich kann
Euch gegenüber wohl Nachsicht, nie aber das Gefühl des Beleidigt-
seins empfinden."
'L: dauert« eine Minute, ehe er eine Antwort fand.
,Dann verzeiht meinen Irrtum!"
„Gern; ich bin an Irrtümer meiner Mitmenschen über mich
gewöhnt."
„Eure Nachsicht werde ich wohl nicht wieder in Anspruch nehmen."
„Sie steht Euch trotzdem zu jeder Zeit zur Verfügung."
Schon wollte ich mich wieder abwenden, als er mir mit einem schnel-
len Schritt nahe trat und die Hand auf meinen Arm legte.
.Mssen wir Persönliches jetzt unberührt! Ihr habt mir mit der
größten Gefahr für Euch selber das Leben meines Vaters erhalten;
ich muß Euch danken und wenn Ihr noch so böse und abstoßende Worte
sprecht. Ich erfuhr erst vorhin, was Ihr getan habt."
„Jeder Westmann ist zu dem bereit, was ich getan habe, und es
geschehn hier noch ganz andre Dinge als das, was Ihr da erwähnt.
Was der eine für den andern tut, ist ihm von noch andern vielleicht
schon zehnfach geschehn und kaum der Rede wert. Ihr dürft nicht nach
; dem Maßstab urteilen, den Eure Kindesliebe Euch in die Hand gibt."
„Erst war ich es, jetzt aber seid Ihrs, der ungerecht ist, und zwar
seid Ihrs gegen Euch selber. Wollt Ihrs auch g-gen mich sein?"
„Nein!«
,Z>ann darf ich wohl eine Bitte Vorbringen?"
„Sprecht sie aus!"
„Zürnt mir, Sir; seid böse auf mich, so sehr Ihr nur immer könnt,
wenn ich nicht recht tue, aber sprecht nicht wieder von Nachsicht!
i Wollt Ihr?"
„Ich will."
„Danke! Und nun kehrt mit mir zum Fever zurück, um den andern
gute Nacht zu sagen. Ich werde Euch Euer« Schlafraum anweis««;

wir müssen bald die Ruhe suchen, da es morgen einen frühen Aufbruch
geben wird."
„Aus welchem Grund?"
„Ich habe am Bee-sork meine Fallen gestellt, und Ihr sollt mit mir
gehn, nach dem Fang zu sehn."
Einige Minuten später standen wir vor einer der erwähnten Fell-
türen; Harry schlug sie zurück, um mich in einen dunklen Raum zu
führen, der indes bald durch eine mit Hilfe des „Punks" entzündete
Hirschtalgkerze erleuchtet wurde.
„Hier ist Euer bed-room, Sir. Die Companymänner pflegen sich in
Liese Räume zurückzuziehn, wenn sie unter freiem Himmel ein Glie-
derreißen befürchten."
„Und Ihr meint, daß dieser schlimme Gesell auch mir nicht unbe-
kannt sei?"
„Will Euch das Gegenteil wünschen; aber das Tal ist feucht, da die
rundum liegenden Berge dem Wind den Zutritt verwehren, und
Vorsicht ist zu allen Dingen nütze, wie man drüben in der Heimat sagt«
Schlaft wohl!"
Er bot mir die Hand und schritt dann mit freundlichem Kopfnicken
hinaus.
Als ich allein war, blickte ich mich in der kleinen Klause um. Sie
war kein Naturgebilde, sondern durch menschliche Hand in das Gestein
gehauen werden. Den felsigen Fußboden hatte man mit gegerbten
Häuten belegt; ebenso waren die Wände damit behängt, und an der
Hintern Wand stand die Lagerstätte, eine allerdings nur aus glatten
Kirschbaumstämmchen zusammengesetzte Bettstelle, worüber sich auf
einer dicken Lage weißer Putafelle eine hinreichende Anzahl echter
Navajodecken breitete.
Mehrere in den Ritzen eingeschlagene Holzpflöcke trugen Gegen-
stände, die mich bald zu der Ueberzeugung brachten, daß Harry mir
sein eignes „Zimmer" abgetreten habe.
Nur die große Müdigkeit, die ich nun doch fühlte, vermochte mich, in
dem engen, abgeschlossnen Raum zu bleiben; denn wer seine Nächte
in der Unendlichkeit der freien, offnen Prärie zwgebracht hat, kann
sich nur schwer entschließen, sich gleich darauf zur Benutzung des Ge-
fängnisses zu bequemen, das der zivilisierte Mensch eine „Wohnung'^
nennt.
26. AufdemBiberfang.
Die Abgeschlossenheit meines „Zimmers" mochte doch wohl schuld
sein, daß mich der Schlaf etwas fester als gewöhnlich in seine Arme
nahm; denn noch hatte ich mich nicht erhoben, als ich durch eine laute
Stimme geweckt wurde.
„Pooh! Sir, ich glaube gar, Ihr seid noch nicht ganz fertig, die
Decken zu messen. Streckt Euch noch ein wenig, aber nicht in die Länge,
sondern in die Höhe; das wird gut sein, wie mir scheint!"
Ich sprang auf und sah mir den Störenfried an, der unter der
zurückgeschlagnen Tür stand. Es war Sam Hawkens. Während er
gestern nur mit der Büchse versehn gewesen war, trüg er jetzt die voll-
ständige Trapperausrüstung. Er hatte offenbar schon auf mich gewar-
tet, ein Beweis, daß er uns begleiten wollte.
„Bin gleich fertig, lieber Sam."
„Hoffe es; der kleine Sir steht, denke ich, schon am hole*."
„Ihr geht mit?"
„Scheint so, wenn ich mich nicht irre. Der kleine Sir soll doch das
„Gerät" nicht etwa tragen, und Old Shatterhand ist das auch nicht
zuzumuten "
Vor die Tür tretend, bemerkte ich Harry, der am Eingang der
Schlucht meiner wartete. Sam nahm einige zusammengebundne Fallen
auf, warf sie über die Achsel und schritt, ohne sich zu überzeugen, daß
ich ihm auch folgte, nach dem Ausgang.
„Lassen wir die Pferde hier?" fragte ich.
„Meine nicht, daß Euer Tier gelernt hat, ein regelrechtes Eisen zu
legen oder einen Dickschwanz- vom Grund des Flusses heraufzuangeln.
Wir müssen die Beine auseinander nehmen, wenn wir zu rechter Zeit
fertig sein wollen. Kommt also!" antwortete Sam in seiner bekannten
Weise.
„Muß doch erst nach dem Pferd sehn, Alter!"
„Ist nicht notwendig! Der kleine Sir hats schon getan, wenn ich
nicht irre."
Ohne daß er es wußte, sagte er mir mit diesen Worten etwas Er-
freuliches. Harry hatte sich also schon bei grauendem Tag um Hatatitla
bekümmert. Jedenfalls hatte sein Vater von mir gesprochen und den
Anstoß zur Aenderung seiner Meinung gegeben. Eben wollte es mich
wundern, daß er, der Wachsame, noch nicht zu sehn war, als er mit
Winnetou und einem der Jäger durch den Bach gewatet kam.
Winnetou sagte Harry seinen indianischen Gruß:
„Der Sohn Ribannas ist stark wie die Krieger vom Ufer des Gila.
Sein Auge wird viele Biber sehn und seine Hand die große Zahl der

' Loch, Tür.
- Biber.

Felle nicht trage« können." Und den Blick bemerkend, de« ich, nach
Hatatitla suchend, über das Tal warf, meinte er beruhigend; „Mein
Bruder kann ruhig gehn; sein Freund wird sorgen für das Roß, das
auch die Liebe des Apatschen besitzt."
Nachdem wir durch die Kluft schritten, wandten wir uns der Rich-
tung, aus der wir gestern kamen, entgegengesetzt, nach links und folg-
ten dem Lauf des Wassers abwärts, bis wir an die Stelle gelangten,
an der es sich in den Mankizila ergoß.
Dichtes, fast undurchdringliches Gestrüpp bestand die Ufer des Flus-
ses, und die Ranken des wilden Weins kletterten an engstehenden
Stämmen empor, liefen von Zweig zu Zweig, ließen sich fest inein-
ander verschlungen, von oben nieder, stiegen am nächsten Baum
wieder in die Höhe und bildeten so ein Wirrwarr, in das man sich
nur mit Hilfe des Messers Eingang zu verschaffen vermochte.
Sam, der Kleine, war immer vor uns hergegangen; seine vollbe-
packte Gestalt erinnerte mich lebhaft an die slowakischen Mausefallen-
händler, die sich drüben in meinem freundlichen Heimatstädtchen von
Zeit zu Zeit sehn ließen. Trotzdem in der Nähe kein feindliches Wesen
zu vermuten war, vermied sein großbeschuhter Fuß mit bewunderns-
werter Behendigkeit jeden Punkt, der eine Spur zurückbehalten
konnte, und die kleinen Aeuglein streiften mit ununterbrochner Be-
weglichkeit bald rechts, bald links über den reichen Pflanzenwuchs,
der trotz der späten Jahreszeit an Ueppigkeit mit den jungfräulichen
Bottoms des Mesfisippitales zu wetteifern vermochte.
Jetzt hob er einige Ranken in die Höhe, bückte sich und kroch unter
ihnen hindurch.
„Kommt, Sir," forderte Harry, ihm folgend, mich auf. „Hier zweigt
unser Biberpfad ab."
Wirklich zog sich hinter dem grünen Vorhang eine schmale, offene
Linie durch das Dickicht und wir schlüpften, immer in gleicher Rich-
tung mit dem Fluß, eine ansehnliche Weile zwischen dem Baum- und
Strauchgewirr hindurch, bis Sam bei einem halb knurrenden, halb
pfeifenden Laut, der vom Wasser her vernehmlich wurde, innehielt
sich zu uns wendete und die Hand an den Mund legte.
„Wir sind da," flüsterte Harry, „und die Wache hat Verdacht ge-
schöpft."
Nach einer Weile, während der ringsum die tiefste Stille herrschte,
schlichen wir wieder vorwärts und gelangten an eine Biegung des
Flusses, die uns Gelegenheit bot, eine ansehnliche Bibersiedlung
zu beobachten.
Ein breiter, für einen vorsichtigen Menschen eben noch gangbarer
Damm war weit in das Wasser hinein gebaut, und seine vierfüßigen
Bewohner waren eifrig beschäftigt, ihn zu befestigen und zu ver-
größern. Drüben am andern Ufer sah ich eine Anzahl der fleißigen
Tiere bemüht, mit ihren scharfen Zähnen schlanke Stämmchen so zu
zernagen, daß sie ins Wasser fallen mußten; andre waren mit der
Beförderung dieser Bäume beschäftigt, die sie schwimmend vor sich
herschoben, und noch andre beklebten den Bau mit fettem Erdreich,
das sie vom Ufer herbeibrachten und mit Hilfe der Füße und des
breiten, als Kelle gebrauchten Schwanzes an das Holz- und Strauch-
werk befestigten.
Mit Aufmerksamkeit betrachtete ich das Treiben des regsamen
Völkchens und hatte ganz besonders meine Aufmerksamkeit auf ein
ungewöhnlich großes Tier gerichtet, das in wachsamer Haltung auf
dem Damm saß und allem Augenschein nach als Sicherheitsposten
diente. Da plötzlich spitzte der dicke Kerl die kurzen Ohren, machte
eine halbe Drehung um seine Achse, stieß den schon erwähnten War-
nungsruf aus und war im nächsten Augenblick unter dem Wasser ver-
schwunden.
2m Nu folgten die andern nach, und es war höchst drollig zu sehn,
wie sie beim Untertauchen den Hinterkörper in die Höhe warfen und
der Wasserfläche mit dem platten Schwanz einen Schlag versetzten,
dass es weithin schallte und das Wasser hoch aufspritzte.
Freilich war jetzt nicht Zeit, sich scherzhaften Betrachtungen hin-
zugsben; denn diese unerwartete Störung konnte bloß durch das
Nahen eines feindlichen Wesens hervorgerufen sein, und der größte
Feind dieser friedlichen und so gesuchten Tiere ist — der Mensch.
Noch war der letzte der Biber nicht unter der Wasserfläche ver-
schwunden, so lagen wir schon, die Waffe in der Hand, unter den
tief herabhängenden Zweigen einiger Pinien und erwarteten mit
Spannung das Erscheinen des Störenfrieds. Nicht lange dauerte es,
so bewegten sich eine Strecke aufwärts von uns die Spitzen des
Röhrichts, und nur wenige Augenblicke später sahn wir zwei
Indianer schleichenden Schritts am Ufer herabkommen. Der eine
hatte mehere Fallen über der Schulter hängen, der andre trug eine
Anzahl Felle; beide waren vollständig bewaffnet und beobachteten
eine Haltung, der man es anmerkte, daß sie sich in Feindesnähe
wußten.
„Zounds!" zischte Sam durch die Zähne. „Sind die Schurken über
unsre Fallen geraten und haben geerntet, wo sie nicht gesät haben,
wenn ich nicht irre. Wartet, ihr Halunken, meine Liddy hier mag
such sagen, wem die Eise« und die Pelze gehören!"

Er nahm die BUchfe langsam aus und machte sich schußfertig. Ich
erkannte sofort die Notwendigkeit, die beiden Rothäute ohne Lärm
zu beseitigen, und faßte den alten Trapper am Arm. Auf den ersten
Blick hatte ich bemerkt, daß es Ponkas waren, und die Bemalung der
Gesichter gab mir die Gewißheit, daß sie sich nicht auf einem Jagd-
zug, sondern auf dem Kriegspfad befanden. Sie waren also nicht
allein in der Nähe, und jeder Schuß konnte ihnen Helfer oder doch
wenigstens Rächer herbeirufen.
„Nicht schießen, Sam! Nehmt das Messer. Sie haben den Kriegs-
pfeil ausgegraben und sind gewiß nicht nur zu zweien."
„Das sehe ich natürlich auch," flüsterte der kleine, schietzlustige
Mann zurück. „Freilich ist es besser, sie im stillen auszulöschen; aber
mein altes Messer ist zu sehr abgeschliffen, als daß es sich durch zwei
solche Männer hindurchbeißen könnte."
„Pah! Ihr nehmt den einen und ich den andern; come on!"
„Hm! Vier von unsern besten Fallen; kostet jede dreieinhalb
Dollar. Würde mich freuen, wenn sie zu den gestohlnen auch ihre
eignen beiden Felle hergeben müßten!"
„Vorwärts, Sam, ehe es zu spät ist!"
Die beiden Indianer standen jetzt, von uns abgewendet, grad vor
uns und suchten nach Fußspuren. Leise schob ich mich vorwärts, die
Büchse zurllcklassend und das Messer zwischen den Zähnen. Da
flüsterte es ängstlich dicht an meinem Ohr:
„Bleibt, Sir! Ich werde es an Eurer Stelle tun." Das war Harry.
„Danke, bring es auch noch fertig!"
Dabei hatte ich auch schon den Rand des Gebüschs erreicht, sprang
auf, hatte im nächsten Augenblick den mir am nächsten stehenden
Indianer mit der Linken beim Nacken und stieß ihm mit der Rechten
das Messer zwischen die Schultern, daß er sofort lautlos zusammen-
brach. Ich tat das freilich nur notgedrungen; da es Ponkas waren,
durften sie nicht geschont werden, denn wenn sie die „Festung" ent-
deckten, galt es unser Leben. Rasch drehte ich mich mit der zurück-
gezognen Klinge zur Seite, um nötigenfalls den andern auch zu
nehmen; aber auch dieser lag schon auf der Erde, und Sam stand mit
ausgespreizten Beinen über ihm, hatte sich die lange Skalplocke um
die Linke gewickelt und zog ihm die Kopfhaut vom Schädel.
„So, mein Junge; nun kannst du in den ewigen Jagdgründen so
viele Fallen stellen, wie es dir beliebt, aber die unsrigen wirst du
nicht gebrauchen können."
Und den blutenden Skalp im Grase abwischend fügte er mit kurzem
Lachen hinzu:
„Das eine Fell haben wir, und das andre wird sich Old Shatterhand
nehmen."
„Nein," wehrte ich ab. „Ihr wißt ja, wie ich über das Skalpieren
denke. Es wundert mich sehr, zu sehn, daß Ihr Euch jetzt damit be-
faßt!"
„Das hat seine guten Gründe, Sir. Seit wir uns zum letztenmal
sahn, nämlich Ihr und ich, habe ich viel Böses erlebt und mich in der
Weise mit den Roten herumschlagen müssen, daß ich keine Schonung
mehr kenne. Sie haben mich übrigens schon früher auch nicht geschont.
Da seht her!"
Er riß sich den traurigen Filz vom Kopf und zog dabei die eign«
langhaarige Haut mit ab. Ich kannte den Anblick schon, den der kahl«,
blutigrote Schädel bot.
„Was sagt Ihr dazu, Sir, wenn ich mich nicht irre?" stellte er sich
mit einer Wichtigkeit vor, als hätte ich diese Geschichte noch nie aus
seinem Mund gehört. „Hatte meine Haut von Kindesbeinen an ehrlich
und mit vollem Recht getragen, und kein Lawyer hat es gewagt, si«
mir streitig zu machen, bis so ein oder zwei Dutzend Pawnees um mich
waren und mir die Haare nahmen. Bin dann nach Tekama gegangen!
und habe mir dort eine neue Haut gekauft. Nannten es eine Perücke
und kostet mich drei dicke Bündel Biberfelle, meine ich. Schadet aber'
nichts; denn die neue ist zuweilen zweckdienlicher als die alte, beson-
ders im Sommer; kann sie abnehmen, wenn mich schwitzt. Aber trotz-
dem hat manche Rothaut dafür büßen müssen, und ein Skalp macht mir
mehr Vergnügen als der feinste Dickschwanz."
Während dieser Worte hatte er sich Hut und Perrücke wieder auf-
gestülpt; es war jetzt überhaupt keine Zeit zu solchen Erinnerungen
und langen Reden, denn hinter jedem Baum konnte die Sehne eines
Bogens schwirren oder der Hahn einer Büchse knacken, und es war-
vor allen Dingen notwendig, das Lager zu warnen und die Jäger
auf die Nähe der Indianer aufmerksam zu machen. Darum forderte
ich Hawkens auf:
„Greift zu, Sam; wir wollen die Jndsmen unsichtbar machen!"
„Habt recht, Sir! Ist notwendig das, meine ich. Aber der kleine
Sir mag doch ein wenig hinter die Büsche treten; ich wette meine
Mokassins gegen ein Paar Ballettschuhe, daß es in kurzer Zeit hier
rote Männer geben wird."
Harry folgte der Warnung des Alten, und wir verbargen die Lei-
chen, die wir vorsichtshalber nicht ins Wasser stoßen durften, unter
dem Uferschilf. Als wir damit fertig waren, meinte Hawkens:
(Fortsetzung folgt.)
 
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