„Aber eine Gans, ein Schwein —"
„Nun was? Ich will doch lieber unterrichten ein
Schwein als ein Kind? Ich will lieber unterrichten zehn
Schweine als ein Kind," fuhr er demonstrirend fort, „oder
zehn Gänse eine Gans iernt sehr gut! Und da nicht
so viel Mühe, nicht so viel Aerger! Ein Thier kann ich
leicht dahin bringen, zu thun, was es soll; ein Thier nicht
unartig, nicht lärmen, nicht wieder vergessen: was haben
gelernt, — aber Kinder? Oh, Kinder alles das — und,
oh, begreifen schrecklich schwer! Man immer nicht weiß,
wie aufangen, daß begreifen und dann morgen — bums!
— alles wieder vergessen! Nein, ich mir loben, Thier e
unterrichten, das leicht, das ein Vergnügen und nicht viel
Mühe! Aber Kinder unterrichten — das schwer — oh,
sehr viel mehr schwer als Thiere dressiren."
Der Mann muß eben wohl ganz schreckliche Er-
innerungen an „höhere Knaben" in Rußland mit sich
herum tragen!
Allerlei.
— Neber Lebensmittel-Verfälschung. Eigenartig
und im hohem Grade interessant ist in der gegenwärtigen
Wiener Ausstellung für Volksernährung eine kleine, äußer-
lich unscheinbare Abtheilung der städtischen Markt-Commisiare
Wiens mit einer wohlgevrdueten Sammlung von Gegen-
ständen mit Bezug auf die Verfälschung von Lebensmitteln.
Diese Gegenstände wurden im Laufe der letzten 10 Jahre bei
gewissenlosen Geschäftsleuten mit Beschlag belegt und ver-
anschaulichen, welchen Fälschungen zunächst die pflanzlichen
Nahruugs- und Genußmittel unterliegen. Belehrend ist
vor Allem die Sammlung von Theefälschungen, wozu ver-
wendet werden: Kaukasisches Gras, Steinsamenblätter, ferner
Blätter des Kirschbaumes, der Schlehe, Esche, Weide, Erd-
beere, Rose u. s. w. u. s. w. Zuweilen wird auch bereits
gebrauchter Thee mit Zuckerfarbe frisch gefärbt und sodann
mit gutem vermischt. Die Fälschung von Safran erfolgt
vorwiegend durch bengalischen und persischen Saflor, mit
Maisnarben, auch mit Ringelblumen, die durch Ziegelmehl
gefärbt werdeu. Behufs Erhöhung des Gewichts nimmt
man Schwerspat und Gips dazu. Gewürznelken werden
täuschend aus Brod uachgeahmt, ab und zu auch aus
Sandelholz. Vanille wird mit Benzoesäure aufgefrischt.
Künstlicher Pfeffer, gemahlen aus Tavakasche, Linsenmehl
Steinnußpulver. Leinsamen, Rindenmehl, Mandelkleie, Bir-
nen und Gerstenmehl, Polenta, Kartoffelstärke, mit Graphit,
Streusand usw. Paprika wird häufig mit Curkuma und
Sandelholz versetzt. Zur Verfälschung des Kakaomehles
nimmt man Eichelmehl, gemahlene Kakaoschale, Kartoffel-
stärke, Kesiapulver und Linsenmehl. Mannigfaltig sind
die Verfälschungen des Kaffees. Da findet sich u. A.
havarirter Kaffee, der mit Klarain glasirt ist und dadurch
das Aussehen von gebranntem Kaffee erlangt. Kaffee
in geriebenem Zustande wird verfälscht mit Dattelker-
nen, Cichorie, Johannisbrod, Mais, Weintraubenkernen,
Buchen, Feigen, Pflaumenkernen, Brod usw. Der
sogenannte Goldkaffee besteht lediglich aus Brod und
Kleien. Vielfach sehen die gefälschten Waren sehr appe-
titlich aus und manche Besucher wollen nicht glauben, daß
hier Fälschungen vorliegen. Von großem Werth wäre eine
Ausstellung in Gestalt einer dauernden Einrichtung in
Verbindung mit jenen amtlichen Stellen, welche sich mit der
Feststellung von vorkommrvden Rahrungsmittelverfälschuugen
zu befassen haben. In Dresden und Kiel will man die
Wiener BrrfälschungsauSsteüung vorführen, doch würde es
sich empfehlen, eigene Ausstellungen dieser Art zu schaffen,
da auch die Nahrungsmittelverfälschungen mit örtlichen
Sitten und Unsitten in engsten Beziehungen stehen.
KumorMsches.
Klagelied einer Hausfrau.
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten.
Daß ich so traurig bin!
Ein Mädchen aus alten Zeiten,
Das will mir nicht aus dem Sinn!
Es ist die alte Kar'line,
Sie diente zehn Jahre uns schon —
Eine ganze Wirthschafts-Maschine —
Und kriegt zwölf Thaler Lohn!
Und heut meine Jette sitzet
Dort hinten wunderbar,
Bon Ausgeh-Gedanken erhitzet,
Und macht sich eben ihr Haar.
Sie hat einen Hut mit Federn
Und ist »on Mundwerk sehr stark,
Kann kaum die Fenster abledern,
Und kriegt hundertachtzig Mark.
Die Köchin in meiner Küche
Erfüllt mich mit schrecklicher Wuth,
Doch ach, ich verschlucke die Flüche
Und thu', als wär' Alles gut;
Ich glaube, die Jette, die kündigt
Mir sonst am Ende au ooux,
Und hab' ich mich also versündigt,
Zieht keine Änd're mehr zu!
(Zeitgemäß.) Kassirer: „Herr Prinzipal, es ist nun die
höchste Zeit, ich bin reisefertig, übermorgen ist Ultimo und wir
sind bereits insolvent!" Prinzipal: „Bah, umarmen Sie mich.
Also brennen Sie heute mit d m Rest der Kasse durch, morgen
mit dem Schnellzuge eile ich Ihnen nach unter dem Vorwande,
Sie zu verfolgen und in New-Uork treffen wir uns im „Hotel-
Europa" und theilen brüderlich den Gewinn- Nun eilen Sie
und leben Sie wohl, auf fröhliches Wiedersehen."
(Humor in Anzeigen.) „Ein Bierkeller ist wegen Alters-
schwäche zu vermiethen." — „Ein Sohn wünscht von anständigen
Eltern Schönfärberei zu erlernen." — Eine Butterhändlerin
macht folgende Anzeige: „Von heute ab befindet sich mein Butter-
keller eine Treppe hoch." — In der Angermünder Ztg. empfiehlt
ein Zahnkünstler „künstliche Zähne", „zum Essen brauchbar."
Guten Appetit!
(Auf der Eisenbahn.) „Als ich durch B. reiste," sagte
ein Passagier im Postwagen zu seinem Reisegefährten, „wurden
sechs Füsilire gerichtet." — „Was hatten sie denn gethan?" fragte
sein Nachbar mitleidig neugierig. — „Nichts Erhebliches — sie
standen nicht gerade."
(Das Katzenschüsserl.) Gast: „Aber liebe Frau Mi-
thin, schafft mir doch um Himmelswillen einmal diese ekelhaste
Katze vom Halse; sie rückt mir immer näher und wird gleich den
Kopf in der Schüssel haben." — Wirthin: „O mei, es dös a liebs
gscheids Viecherl! Schaun's, die Schüssel, aus der Sie essen,
dös is halt sonst ihr gewöhnliches Schüsserl, und dös kennts
accurat und möcht da a gern mitsressen."
Ehestands-Wochenkalender.
Montag. Assessor: „Meinetwegen magst Du Dir ein Schlepp-
kleid anschaffen." — Frau Assessor (entrüstet): „Wo denkst Du
hin? Ich sollte so ein Ungethüm tragen! Ich sollte mich zur
Straßenkehrerin degradiren? Das ist geradezu beleidigend." —
Assessor: „Na, na, ich meinte nur so."
Dienstag. Frau: „Das Modejournal ist voll von Schlepp-
kleidern — so etwas Lächerliches! Aber gut sieht es aus." —
Assessor: „Hm!"
Mittwoch. Frau: „Denk' Dir Männchen, die Gerichtsräthin
hat sich ein Schleppkleid bestellt." — Assessor: „Du weißt, sie ist
eine Modenärrin."
Donnerstag. Frau: „Wenn man diese unqualifizirten Angriffe
gegen die Schleppe liest, bekommt man wirklich Lust, durch die
That zu opponiren. Ich weiß schon, was Du sagen willst. Du
bist auch so Einer, der seiner Frau keine Freude gönnt."
Freitag. Fr.: ,Du, die Gerichtspräsidenttn trägt ein Schleppkleid/
Samstag. Assessor ; „Du willst ein Schleppkleid tragen? Du
wirst Dich doch nicht zur Straßenkehrerin degradiren, Du —" —
Frau (entrüstet)! „Das dachte ich mir! Du stimmst auch in den
allgemeinen Chorus ein- Pfui, schäme Dich! Jetzt fahre ich zur
Schneiderin und bestelle mir eine Schleppe."
Verantwort!. Redakteur: Joseph Cremerius m Heidelberg
Druck von Gebr. Huder in Heidelberg.
U«1krhM«gMtt M „Wher Kolk«".
27. Heidelberg, Sonntag, 8. Juli 1894
Nr.
Die Trompeter auf der Schloßbrücke.
Au! Au! Au!-Wer kennt diesen Ruf
nicht?! — Ich meine, welches Kneipgeuie kennt diesen Rus
nicht?-Na, kurz und gut, dieses „Au" ertönte aus
aller Mund, denn — es war ein Kalauer, gerissen von der
craffesten Sorte. „Welches weiße Säugethier kann weder
vorn noch hinten sehen?" Antwort: „Ein blinder Schim-
mel." Deswegen das Au-unisono. Trotzdem war die
Kneiperei an diesem Abend, oder vielmehr — Morgens
famos, net, gemüthlich. Bier war genug vorhanden, trotz-
dem es 3 Uhr Nachts war; Geld brauchten wir nicht —
wir zahlten am Gagetage — also was brauchten wir mehr,
nm glückliche Schmiuklappengesellen oder dramatische Ver-
brecher des Hoftheaters zu Höhenrauchheim zu sem.
Zuerst hatten wir geknobelt, natürlich um's Bier,
später Kartenkunststücke losgelassen, Schwefelhölzchen-Räthsel
anfgegeben und schließlich waren wir bei den unver-
rneindlichen Anecdoten angelangt, nebst obligater Kalauer-
bekleidung.
„Meine Herren" — sagte jetzt ein durch seine spaß-
haften Einfälle beliebter Amtsauditor — meine Herren,
können Sie mir wohl Aufschluß darüber geben, warum
das Musikorps unseres Husaren-Regiements beim
Passiren der Schloßbrücke, also vor dem Palais unseres
Fürsten, niemals auf besagter Brücke zu blasen pflegt?
Ich habe bereits seit langer Zeit diese Beobachtung'gemacht
und finde, daß darin eine kolossale Rücksichtslosigkeit gegen
unfern Fürsten liegt."
Niemand wußte Antwort zu geben. Besagter Amts-
auditor hatte seinen Satz mit einem solchen überzeugenden
Ernst gesprochen, daß wir alle an die Wahrheit dieser
Behauptung glaubten.
Nach einer langen Grübelpause, wobei natürlich immer
getrunken wurde, sagte der Audiror: „Ihr seid wieder mal
schön 'reingefallen." — „Wieso?" — „Wieso?" wieder-
holte er. — „Lächerbar, die Kerle blasen doch nicht auf
der Schloßbrücke, die blasen ja auf der Trompete!"
Au! Au! Au! Au! Au! Au!
„Ja ihr mit euerm ewigen Au; macht doch 'mal 'nen
besseren Kalauer." Damit war diese Angelegenheit absol-
virt. Es erzählte auch schon ein anderer und fing mit den
Worten an: „Da fällt mir eine Geschichte bei ein. Ein
Weinreisender kam eines Nachts einmal in ein Hotel u. s.
w." — Ich brauche diese Geschichte nicht weiter zu erzählen,
denn wer diesen Anfang hört, kennt auch den Schluß.
Der Redacteur Schroff, welcher sich auch in unserer
Gesellschaft befand, hörte aber diese weinreisende Anecdote
nicht mit an, sondern machte sich einige Notizen.
Ueber welchen Gegenstand — weiß ich nicht. Wir
saßen noch ein Stündchen zusammen; unser gemüthlicher
Wirth holte seine Stockflöte und pfiff uns was — bis
wir endlich aufstanden, noch einen Stehseidel im Sitzen
tranken, dann die Schlafmütze darauf setzten und jeder
seinen Heimweg antrat. Ich schlief bis 12 Uhr, versäumte
die Probe, mußte bei unserm Caffirer Altmüller drei Thaler
Strafe bezahlen und hatte schließlich einen fürchterlichen
Brummschädel, daß jedes Haar einzeln schmerzte. So
etwas kann den Menschen doch ärgern? An dem Morgen
hat sich aber noch Jemand geärgert. Und dieser Jemand
war der Oberst und Regimentskommandeur der Husaren.
Der Oberst hatte auch gekneipt, aber nicht Bier, son-
dern Sekt in vorschriftsmäßigen weißen Beinkleidern aus
dem Hofballe. Der Oberst war glücklich, als er erwachte;
er hatte einen guten Traum gehabt. Auf dem Hosballe
hatte Se. Kgl. Hoheit mindestens sechs Minuten mit ihm
sich unterhalten und von Ihrer Kgl. Hoheit hatte er einen
gnädigen Blick erwischt.
Als der Oberst erwachte, fand er vor seinem Bette die
Zeitung, welche sein Bursche Jan, auf Strümpfen schleichend,
hereiugebracht hatte.
Der Oberst las.
Auf einmal schnellte der Oberst iu die Höhe, als hätte
er sich auf einen Nagel gesetzt.
Himmel, schockschwerenoth!
Weiter konnte er nichts über seine Lippen bringen.
Warum? In der Zeitung stand Folgendes: „Anfrage!
Kann Jemand Auskunft darüber geben, warum das Musik-
korps unseres Husarenregiments beim Passiren der Schloß-
brücke niemals auf derselben zu blasen pflegt? Antwort
folgt in nächster dieses Blattes."
Der Oberst schellte. Jan kam herein.
„Sofort Stabstrompeter holen! Kehrt! Marsch." ---
„Zu Befehl, Herr Oberst." Jan verschwand.
Der Oberst stieg in die Stiefel und zog sie vollends
an. In einer halben Stunde war der Stabstrompeter da;
vorschriftsmäßig mit Helm und Säbel, natürlich trat er
ins Zimmer, ohne auzuklopfen.
Zwei Männer standen einander gegenüber — einer,
der vor Wuth zitterte, und einer, der vor Furcht dasselbe
that. — Lange Pause. — Endlich ging das Donnerwetter
los. Jan horchte an der Thür, und wie er später erzählt
hat, war in dieser Sturmfluth von Titulationeu die Benen-
nung: „alter Esel" eine Schmeichelei.
„Lese Er das, wenn Er überhaupt noch lesen kann,"
herrschte der Oberst den armen Stabstrompeter an. Er
las. Grün und gelb wurde es ihm vor den Augen.
„Warum wird gerade auf der Schloßbrücke vor dem
Palais Sr. Kgl. Hoheit nicht geblasen? He?"
„D—d—d— das ist mir noch nicht ausgefallen —
zu Befehl."
„WaS? Es fällt doch im Publikum auf! — Eine
Erklärung verlange ich, oder Ihn soll das Donnerwetter
holen!"
„Z—z— zu Befehl, wahrscheinlich können meine Leute
dort nicht blasen, weil die Brücke zu eng ist," sagte zähne-
klappernd der Stabstrompeter.
„So — werde in die Zeitung setzen lassen. Kehrt!
Marsch."
Der Stabstrompetrr verschwand so schleunigst, als
würde er an einer Gummischnur zurückgeschnellt.
Der Oberst schellte. Jan erschien.
„Jan", sagte der Oberst, „Du gehst sofort zur Hospi--
„Nun was? Ich will doch lieber unterrichten ein
Schwein als ein Kind? Ich will lieber unterrichten zehn
Schweine als ein Kind," fuhr er demonstrirend fort, „oder
zehn Gänse eine Gans iernt sehr gut! Und da nicht
so viel Mühe, nicht so viel Aerger! Ein Thier kann ich
leicht dahin bringen, zu thun, was es soll; ein Thier nicht
unartig, nicht lärmen, nicht wieder vergessen: was haben
gelernt, — aber Kinder? Oh, Kinder alles das — und,
oh, begreifen schrecklich schwer! Man immer nicht weiß,
wie aufangen, daß begreifen und dann morgen — bums!
— alles wieder vergessen! Nein, ich mir loben, Thier e
unterrichten, das leicht, das ein Vergnügen und nicht viel
Mühe! Aber Kinder unterrichten — das schwer — oh,
sehr viel mehr schwer als Thiere dressiren."
Der Mann muß eben wohl ganz schreckliche Er-
innerungen an „höhere Knaben" in Rußland mit sich
herum tragen!
Allerlei.
— Neber Lebensmittel-Verfälschung. Eigenartig
und im hohem Grade interessant ist in der gegenwärtigen
Wiener Ausstellung für Volksernährung eine kleine, äußer-
lich unscheinbare Abtheilung der städtischen Markt-Commisiare
Wiens mit einer wohlgevrdueten Sammlung von Gegen-
ständen mit Bezug auf die Verfälschung von Lebensmitteln.
Diese Gegenstände wurden im Laufe der letzten 10 Jahre bei
gewissenlosen Geschäftsleuten mit Beschlag belegt und ver-
anschaulichen, welchen Fälschungen zunächst die pflanzlichen
Nahruugs- und Genußmittel unterliegen. Belehrend ist
vor Allem die Sammlung von Theefälschungen, wozu ver-
wendet werden: Kaukasisches Gras, Steinsamenblätter, ferner
Blätter des Kirschbaumes, der Schlehe, Esche, Weide, Erd-
beere, Rose u. s. w. u. s. w. Zuweilen wird auch bereits
gebrauchter Thee mit Zuckerfarbe frisch gefärbt und sodann
mit gutem vermischt. Die Fälschung von Safran erfolgt
vorwiegend durch bengalischen und persischen Saflor, mit
Maisnarben, auch mit Ringelblumen, die durch Ziegelmehl
gefärbt werdeu. Behufs Erhöhung des Gewichts nimmt
man Schwerspat und Gips dazu. Gewürznelken werden
täuschend aus Brod uachgeahmt, ab und zu auch aus
Sandelholz. Vanille wird mit Benzoesäure aufgefrischt.
Künstlicher Pfeffer, gemahlen aus Tavakasche, Linsenmehl
Steinnußpulver. Leinsamen, Rindenmehl, Mandelkleie, Bir-
nen und Gerstenmehl, Polenta, Kartoffelstärke, mit Graphit,
Streusand usw. Paprika wird häufig mit Curkuma und
Sandelholz versetzt. Zur Verfälschung des Kakaomehles
nimmt man Eichelmehl, gemahlene Kakaoschale, Kartoffel-
stärke, Kesiapulver und Linsenmehl. Mannigfaltig sind
die Verfälschungen des Kaffees. Da findet sich u. A.
havarirter Kaffee, der mit Klarain glasirt ist und dadurch
das Aussehen von gebranntem Kaffee erlangt. Kaffee
in geriebenem Zustande wird verfälscht mit Dattelker-
nen, Cichorie, Johannisbrod, Mais, Weintraubenkernen,
Buchen, Feigen, Pflaumenkernen, Brod usw. Der
sogenannte Goldkaffee besteht lediglich aus Brod und
Kleien. Vielfach sehen die gefälschten Waren sehr appe-
titlich aus und manche Besucher wollen nicht glauben, daß
hier Fälschungen vorliegen. Von großem Werth wäre eine
Ausstellung in Gestalt einer dauernden Einrichtung in
Verbindung mit jenen amtlichen Stellen, welche sich mit der
Feststellung von vorkommrvden Rahrungsmittelverfälschuugen
zu befassen haben. In Dresden und Kiel will man die
Wiener BrrfälschungsauSsteüung vorführen, doch würde es
sich empfehlen, eigene Ausstellungen dieser Art zu schaffen,
da auch die Nahrungsmittelverfälschungen mit örtlichen
Sitten und Unsitten in engsten Beziehungen stehen.
KumorMsches.
Klagelied einer Hausfrau.
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten.
Daß ich so traurig bin!
Ein Mädchen aus alten Zeiten,
Das will mir nicht aus dem Sinn!
Es ist die alte Kar'line,
Sie diente zehn Jahre uns schon —
Eine ganze Wirthschafts-Maschine —
Und kriegt zwölf Thaler Lohn!
Und heut meine Jette sitzet
Dort hinten wunderbar,
Bon Ausgeh-Gedanken erhitzet,
Und macht sich eben ihr Haar.
Sie hat einen Hut mit Federn
Und ist »on Mundwerk sehr stark,
Kann kaum die Fenster abledern,
Und kriegt hundertachtzig Mark.
Die Köchin in meiner Küche
Erfüllt mich mit schrecklicher Wuth,
Doch ach, ich verschlucke die Flüche
Und thu', als wär' Alles gut;
Ich glaube, die Jette, die kündigt
Mir sonst am Ende au ooux,
Und hab' ich mich also versündigt,
Zieht keine Änd're mehr zu!
(Zeitgemäß.) Kassirer: „Herr Prinzipal, es ist nun die
höchste Zeit, ich bin reisefertig, übermorgen ist Ultimo und wir
sind bereits insolvent!" Prinzipal: „Bah, umarmen Sie mich.
Also brennen Sie heute mit d m Rest der Kasse durch, morgen
mit dem Schnellzuge eile ich Ihnen nach unter dem Vorwande,
Sie zu verfolgen und in New-Uork treffen wir uns im „Hotel-
Europa" und theilen brüderlich den Gewinn- Nun eilen Sie
und leben Sie wohl, auf fröhliches Wiedersehen."
(Humor in Anzeigen.) „Ein Bierkeller ist wegen Alters-
schwäche zu vermiethen." — „Ein Sohn wünscht von anständigen
Eltern Schönfärberei zu erlernen." — Eine Butterhändlerin
macht folgende Anzeige: „Von heute ab befindet sich mein Butter-
keller eine Treppe hoch." — In der Angermünder Ztg. empfiehlt
ein Zahnkünstler „künstliche Zähne", „zum Essen brauchbar."
Guten Appetit!
(Auf der Eisenbahn.) „Als ich durch B. reiste," sagte
ein Passagier im Postwagen zu seinem Reisegefährten, „wurden
sechs Füsilire gerichtet." — „Was hatten sie denn gethan?" fragte
sein Nachbar mitleidig neugierig. — „Nichts Erhebliches — sie
standen nicht gerade."
(Das Katzenschüsserl.) Gast: „Aber liebe Frau Mi-
thin, schafft mir doch um Himmelswillen einmal diese ekelhaste
Katze vom Halse; sie rückt mir immer näher und wird gleich den
Kopf in der Schüssel haben." — Wirthin: „O mei, es dös a liebs
gscheids Viecherl! Schaun's, die Schüssel, aus der Sie essen,
dös is halt sonst ihr gewöhnliches Schüsserl, und dös kennts
accurat und möcht da a gern mitsressen."
Ehestands-Wochenkalender.
Montag. Assessor: „Meinetwegen magst Du Dir ein Schlepp-
kleid anschaffen." — Frau Assessor (entrüstet): „Wo denkst Du
hin? Ich sollte so ein Ungethüm tragen! Ich sollte mich zur
Straßenkehrerin degradiren? Das ist geradezu beleidigend." —
Assessor: „Na, na, ich meinte nur so."
Dienstag. Frau: „Das Modejournal ist voll von Schlepp-
kleidern — so etwas Lächerliches! Aber gut sieht es aus." —
Assessor: „Hm!"
Mittwoch. Frau: „Denk' Dir Männchen, die Gerichtsräthin
hat sich ein Schleppkleid bestellt." — Assessor: „Du weißt, sie ist
eine Modenärrin."
Donnerstag. Frau: „Wenn man diese unqualifizirten Angriffe
gegen die Schleppe liest, bekommt man wirklich Lust, durch die
That zu opponiren. Ich weiß schon, was Du sagen willst. Du
bist auch so Einer, der seiner Frau keine Freude gönnt."
Freitag. Fr.: ,Du, die Gerichtspräsidenttn trägt ein Schleppkleid/
Samstag. Assessor ; „Du willst ein Schleppkleid tragen? Du
wirst Dich doch nicht zur Straßenkehrerin degradiren, Du —" —
Frau (entrüstet)! „Das dachte ich mir! Du stimmst auch in den
allgemeinen Chorus ein- Pfui, schäme Dich! Jetzt fahre ich zur
Schneiderin und bestelle mir eine Schleppe."
Verantwort!. Redakteur: Joseph Cremerius m Heidelberg
Druck von Gebr. Huder in Heidelberg.
U«1krhM«gMtt M „Wher Kolk«".
27. Heidelberg, Sonntag, 8. Juli 1894
Nr.
Die Trompeter auf der Schloßbrücke.
Au! Au! Au!-Wer kennt diesen Ruf
nicht?! — Ich meine, welches Kneipgeuie kennt diesen Rus
nicht?-Na, kurz und gut, dieses „Au" ertönte aus
aller Mund, denn — es war ein Kalauer, gerissen von der
craffesten Sorte. „Welches weiße Säugethier kann weder
vorn noch hinten sehen?" Antwort: „Ein blinder Schim-
mel." Deswegen das Au-unisono. Trotzdem war die
Kneiperei an diesem Abend, oder vielmehr — Morgens
famos, net, gemüthlich. Bier war genug vorhanden, trotz-
dem es 3 Uhr Nachts war; Geld brauchten wir nicht —
wir zahlten am Gagetage — also was brauchten wir mehr,
nm glückliche Schmiuklappengesellen oder dramatische Ver-
brecher des Hoftheaters zu Höhenrauchheim zu sem.
Zuerst hatten wir geknobelt, natürlich um's Bier,
später Kartenkunststücke losgelassen, Schwefelhölzchen-Räthsel
anfgegeben und schließlich waren wir bei den unver-
rneindlichen Anecdoten angelangt, nebst obligater Kalauer-
bekleidung.
„Meine Herren" — sagte jetzt ein durch seine spaß-
haften Einfälle beliebter Amtsauditor — meine Herren,
können Sie mir wohl Aufschluß darüber geben, warum
das Musikorps unseres Husaren-Regiements beim
Passiren der Schloßbrücke, also vor dem Palais unseres
Fürsten, niemals auf besagter Brücke zu blasen pflegt?
Ich habe bereits seit langer Zeit diese Beobachtung'gemacht
und finde, daß darin eine kolossale Rücksichtslosigkeit gegen
unfern Fürsten liegt."
Niemand wußte Antwort zu geben. Besagter Amts-
auditor hatte seinen Satz mit einem solchen überzeugenden
Ernst gesprochen, daß wir alle an die Wahrheit dieser
Behauptung glaubten.
Nach einer langen Grübelpause, wobei natürlich immer
getrunken wurde, sagte der Audiror: „Ihr seid wieder mal
schön 'reingefallen." — „Wieso?" — „Wieso?" wieder-
holte er. — „Lächerbar, die Kerle blasen doch nicht auf
der Schloßbrücke, die blasen ja auf der Trompete!"
Au! Au! Au! Au! Au! Au!
„Ja ihr mit euerm ewigen Au; macht doch 'mal 'nen
besseren Kalauer." Damit war diese Angelegenheit absol-
virt. Es erzählte auch schon ein anderer und fing mit den
Worten an: „Da fällt mir eine Geschichte bei ein. Ein
Weinreisender kam eines Nachts einmal in ein Hotel u. s.
w." — Ich brauche diese Geschichte nicht weiter zu erzählen,
denn wer diesen Anfang hört, kennt auch den Schluß.
Der Redacteur Schroff, welcher sich auch in unserer
Gesellschaft befand, hörte aber diese weinreisende Anecdote
nicht mit an, sondern machte sich einige Notizen.
Ueber welchen Gegenstand — weiß ich nicht. Wir
saßen noch ein Stündchen zusammen; unser gemüthlicher
Wirth holte seine Stockflöte und pfiff uns was — bis
wir endlich aufstanden, noch einen Stehseidel im Sitzen
tranken, dann die Schlafmütze darauf setzten und jeder
seinen Heimweg antrat. Ich schlief bis 12 Uhr, versäumte
die Probe, mußte bei unserm Caffirer Altmüller drei Thaler
Strafe bezahlen und hatte schließlich einen fürchterlichen
Brummschädel, daß jedes Haar einzeln schmerzte. So
etwas kann den Menschen doch ärgern? An dem Morgen
hat sich aber noch Jemand geärgert. Und dieser Jemand
war der Oberst und Regimentskommandeur der Husaren.
Der Oberst hatte auch gekneipt, aber nicht Bier, son-
dern Sekt in vorschriftsmäßigen weißen Beinkleidern aus
dem Hofballe. Der Oberst war glücklich, als er erwachte;
er hatte einen guten Traum gehabt. Auf dem Hosballe
hatte Se. Kgl. Hoheit mindestens sechs Minuten mit ihm
sich unterhalten und von Ihrer Kgl. Hoheit hatte er einen
gnädigen Blick erwischt.
Als der Oberst erwachte, fand er vor seinem Bette die
Zeitung, welche sein Bursche Jan, auf Strümpfen schleichend,
hereiugebracht hatte.
Der Oberst las.
Auf einmal schnellte der Oberst iu die Höhe, als hätte
er sich auf einen Nagel gesetzt.
Himmel, schockschwerenoth!
Weiter konnte er nichts über seine Lippen bringen.
Warum? In der Zeitung stand Folgendes: „Anfrage!
Kann Jemand Auskunft darüber geben, warum das Musik-
korps unseres Husarenregiments beim Passiren der Schloß-
brücke niemals auf derselben zu blasen pflegt? Antwort
folgt in nächster dieses Blattes."
Der Oberst schellte. Jan kam herein.
„Sofort Stabstrompeter holen! Kehrt! Marsch." ---
„Zu Befehl, Herr Oberst." Jan verschwand.
Der Oberst stieg in die Stiefel und zog sie vollends
an. In einer halben Stunde war der Stabstrompeter da;
vorschriftsmäßig mit Helm und Säbel, natürlich trat er
ins Zimmer, ohne auzuklopfen.
Zwei Männer standen einander gegenüber — einer,
der vor Wuth zitterte, und einer, der vor Furcht dasselbe
that. — Lange Pause. — Endlich ging das Donnerwetter
los. Jan horchte an der Thür, und wie er später erzählt
hat, war in dieser Sturmfluth von Titulationeu die Benen-
nung: „alter Esel" eine Schmeichelei.
„Lese Er das, wenn Er überhaupt noch lesen kann,"
herrschte der Oberst den armen Stabstrompeter an. Er
las. Grün und gelb wurde es ihm vor den Augen.
„Warum wird gerade auf der Schloßbrücke vor dem
Palais Sr. Kgl. Hoheit nicht geblasen? He?"
„D—d—d— das ist mir noch nicht ausgefallen —
zu Befehl."
„WaS? Es fällt doch im Publikum auf! — Eine
Erklärung verlange ich, oder Ihn soll das Donnerwetter
holen!"
„Z—z— zu Befehl, wahrscheinlich können meine Leute
dort nicht blasen, weil die Brücke zu eng ist," sagte zähne-
klappernd der Stabstrompeter.
„So — werde in die Zeitung setzen lassen. Kehrt!
Marsch."
Der Stabstrompetrr verschwand so schleunigst, als
würde er an einer Gummischnur zurückgeschnellt.
Der Oberst schellte. Jan erschien.
„Jan", sagte der Oberst, „Du gehst sofort zur Hospi--