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Jahre lang täglich zum Frühstück bediente, so die Theorie
durch die Praxis beweisend. Ferner die so süß duftende
Maiblume, der Anis, der Coriander, die Tamarinde: sodann
Linden-, Orangen-, Citronenblätter u. s. w.
Dieft Getränke hätten einen großen Vorzug vor dem
Thee, man brauchte keine Verfälschung zu fürchten — jetzt
bekommt man sie oft im Thee, ohne sie zu wollen. Auch
würden sie Magenbeschwerden nicht nur lindern, sondern oft
sogar heilen.
Allerlei.
— Ein höflicher Redactenr. Nachstehend die genaue
Uebersetzung eienes Briefes, den ein chinesischer Redacteur
einem Mitarbeiter schickte, dessen Manufcript er sich genöthigt
sah zmückzusenden: „Sich' deinen Sklaven hingeworfen zu
deinen Füßen. Ich beuge mich nieder vor dir und erflehe
von deiner Güte die Gnade, leben und sprechen zu dürfen
Dein geehrtes Manuscript hat geruht, das Licht seines hebren
Inhalts auf uns fallen zu lassen. Hingerissen haben wir
es durchflogen. Bei den Gebeinen meiner Ahnen, nie habe
ich solchen Witz, solches Pathos, solch' hohe Gedanken ge-
funden! Mit Furcht und Beben schicke ich das Schreiben
zurück. Denn wollte ich den Schatz, den du mir gesandt,
veröffentlichen, dann würde der Kaiser befehlen, man solle
ihn zur Norm machen — nichts dürste mehr veröffentlicht
werden, außer was ihm gleicht. Wenn man aber wie ich,
die Lrtteratur kennt, so weiß mau, daß in zehntausend
Jahren nichts erscheint, dem gleich, was du geliefert hast.
Darum sende ich dir dein Schreiben zurück. Zehntausend
Mal flehe ich um deine Nachsicht. Glaube mir, mein Haupt
liegt zudeinen Füßen. Mache damit, was du willst
Deiner Sklaven Sklave, der Herausgeber." So versüßt
man imReiche der Mitte den lästigen Mitarbeitern — denn
es gibtauch solche — die bivere Pille!
— Ein seltsames Eisenbahnvergnügen betreibt
der Marquis von Downshiere (ein Engländer.) Er hat
sich eine Eisenbahn bauen lassen, die im Kreise durch seine
Güter geht, und zwar in einer Länge von 10 englischen
Meilen. Der Wagenpark besteht aus einer Lokomotive, einem
Tender und einem fürstlich ausgestattetem Personenwagen.
Bei jeder Ausfahrt werden die jüngeren Mitglieder der
Familie, die Damen nicht ausgenommen, als Weichenwärter
mit ihren Signalflaggen in die Wärterhauschen beordert.
Der Marquis heizt den Kessel selber, er besteigt dann die
Lokomotive und fährt nun mit einer Geschwindigkeit von 40
englischen Meilen pro Stunde seine Gäste umher. Sehr
häufig alarmirt er sein „Bahnpersonal" (wie er seine Familie
nennt) mitten in der Nacht. Die Gäste müssen aus den
Betten heraus und in den Wagen, und nun geht es in toller
Fahrt durch die magisch mit elektrischem Licht erhellte
Landschaft.
— Wie man berühmt wir-, erzählt der frühere
Impresario von Madame Modjeska, Mr. Sargent. Die
Künstlerin spielte in Montreal und es ging ihr herzlich schlecht.
Mit vieler Mühe hatte der Impresario eine Summe von 50
Dollars erspart, die man — für alle Fälle — nicht angrei-
fen wollte. „Eines Tages," so berichtet Sargent, „gehen
wir durch die Kingstreet und plötzlich bleibe ich mit dem
Ausruf stehen: „Sind das aber Brillanten!" „Die möchten
Sie wohl haben, was?" „Das will ich meinen," sagt die
Modjeska, „aber dazu werd' ich wohl im Leben nicht kom
men." „Ach", sag' ich, „wir wollen hinein und fragen, was
das Ding kostet. Wenigstens sieht's so aus, als könnten
wir's kaufen." Wir also hinein. „Was kostet das Collier
draußen ?" fragte ich mit einer Miene, als gehöre die ganze
Welt mir. „Die?" fragt der Juwelier. „O, eine Kleinig-
keit, 60 Dollars," entgegnet der wieder, „denn es ist Imi-

tation." „Hm, wenn Sie sie für SO geben, nehme ich sie."
„Top" und die Brillanten gehörten mir, d. h. ihr. „Nein,
diese Verschwendung," sagte die Modjeska, uahm aber das
Collier dennoch glückstrahlend an. „Verschwendung?" rief
ich aber. „Im Gegentheil unser Glück ist gemacht." Und
es war's. Der Schmuck wurde in eine eiserne Cassette ge-
than und ich auf's Polizeibureau. „Bitte, kann man mir
zwei Mann geben, um das Brillanten-Collier zu bewachen,
das der Kaiser von Rußland der Madame Modjeska ge-
schenkt hat?" Allgemeines Staunen. Der Schmuck erregt
bei der Polizei Sensation. Die 2 Mann werden gegen je
1 Dollar pro Tag bewilligt, die Geschichte kommt in alle
Zeitungen und — die Modjeska ist mit einem Schlage be-
rühmt. Jetzt erst wird ihre Kunst, ihr Genie, ihr Talent
anerkannt und ihr Glück, unser Glück ist für alle Zeiten und
mit einem Kostenaufwands von 50 Dollars gemacht.
— Amerikanischer Humor. Ein reicher Aankee läßt
seinen Sohn in Begleitung des Erziehers auf die Löwen»
jagd nach Afrika rUsen. Mit einem Mal bekommt er
Nachricht, daß sein Sohu von einem Löwm zerrissen worden
und daß die Leiche mit dem nächsten Schiff eintreffen werde.
Der trauernde Vater übernimmt denn auch den Sarg; aber
wie ist er verblüfft, als er den Sarg öffnet und in demselben
den Kadaver eines riesigen Löwen findet. Er telegraphirt
sofort an den Erzieher: „Was soll der Löwe im Sarg,
bedeuten? Antwort bezahlt." — Die Antwort kommt und
lautet: Ihr Sohn befindet sich im Löwen, Bestie hat ihn
gefressen, als er auf sie schoß."

KuMsristisches.
— (Per f e hlte W arnu n g.) Die Mama: „Kind, das
Heiraten will ernst und lange überlegt sein. Die Männer wer-
den von Tag zu Tag schlechter!" — Die Tochter: „Aber da muß
man sich mit dem Heiraten so viel wie möglich beeilen. Denn
se länger man wart t, einen desto schlechteren bekommt man
dann . . ."
— (Aus derKassrne.) Unteroffizier (nachdem er: Richt''
Eucy" kommandiert und kurz daraus bemerkt, daß die Front
eine mehrfach gekrümmte Lmie bildet): „Wat! Det soll eine ge-
rade Linie sind! Del sicht ja aus wie 'ne Ringelnatter, wenn sie
Wadenstrümpfe hat!"
— (Moder n.) Sie: „Aber, Mann, bist Du endlich fertig?'
Du denkst wohl, ich will in dem 300 Mark-Kostüm, das Du mir
gekauft hast, im Hause versauern?" — Er: „Einen Augenblick,
liebes Weibchen! Ich will mir nur noch die Fransen von den
Hosen schneiden!"
— (Im Hutladen.) Frau (unter einer Auswahl von
Hüten kramend): „Wer die Wahl hat, hat die Qual; nicht wahr,
Eduard?" Mann seufzend): „Jawohl, du hast die Mahl unv
ich die Qual!"
— (Undankbar.) Kellnerin (nachdem sich ein Gast ent-
fernt bat: „Der schäbige Kerl! — Habe ich mich heute so gM»
mit ihm verlobt und nun giebt er nicht 'mal 'n Sechser
Trinkgeld!"
(Zarte Anspielung.) Wirth: „Ihr Bruder ist wohl
Professor?" Gast: „Warum meinen Sie das?" Wirth: „Weil
er immer, wenn er zahlen soll, zerstreut ist!"
— (Selbstbew uß t.) Junge Dame: „Waren Sie schon in
der Schweiz?" — Lieutenant: „Nein- — Schweizer können nach
Potsdam kommen, wenn sie mich sehen wollen."
— (Scherzfrage) „Weshalb ist die ganze Welt ein
einziger großer Gerichtshof?" Antwort: „Weil alle Welt-
letzt klagt!"
— (Schla uköpfchen.) Junger Gatte: „Liebe Elsa, ich
muß nun geschäftlich auf einige Wochen verreisen." Junge Frau:
„Ach, ich bin untröstlich, lieber Hans! Bitte lasse mir doch zum
Tröste dein Portemonnaie hier!"

Verantwort!. Redakteur: Joseph Cremerius in Heidelberg.

Druck von Sebr. Huber in Heidelberg.

UMMMMatl M „Whkl Mc«".
26 Heidelberg, Sonntag, 30. Juni. 1893.

Nr.

An einem Sommermorgen
Da nimm den Wanderstab,
Es fallen deine Sorgen
Wie Nebel von dir ab.
Des Himmels heitre Bläue
Lacht dir ins Herz hinein
Und schließt, wie Gottes Treue,
Mit seinem Dach dich ein.
Rings Blüthen nur und Triebe
Und Halme von Segen schwer,
Dir ist als zöge die Liebe
Des Weges nebenher.
Ch. Fontane.

Die verdächtige Reisetasche.
Jeder, der zwischen Liverpool und Newyork hin- u. her-
gefahren ist, kennt den braven Capitän Cole von der Cu-
nard Linie. Ich kann mir über ihn als Seemann kein Ur-
theil erlauben, denn davon verstehe ich Nichts; aber ec galt
für einen der tüchtigsten Capitäne dieser Linie, welche sich
rühmt, niemals weder ein Schiff noch einen Passagier ver-
loren zu haben, so viele Jahre auch schon ihre Fahrzeuge
den Maurischen Ocean durchpflügten. Obgleich wir nicht
viele gemeinsame Sympathien hatten — der Capitän hegte
für das Land und Alles, was dazu gehörte, eine gründliche
Verachtung, und ich war eine vollkommene Landratte —-
waren wir doch gute Freunde geworden. Nur nahm unser
wechselseitiger Verkehr, da von einem Meinungsaustausch
unter obwaltenden Umständen nicht wohl die Rede sein
konnte, hauptsächlich die erzählende Form an. Ich erzählte
ihm Geschichten, die für ihn, da er gar Nichts las, den
Reiz der Neuheit hatten, und er gab mir dafür seine Aben-
teuer zum Besten. Beinahe hätte ich ihn bei einer solchen
Gelegenheit einmal böse gemacht, indem ich von ihm über
Schiffbrüche Etwas wissen wollte, ein Thema, das mir als
Landratte natürlich interessant war.
„Herr", sagte er, während sein ehrliches Gesicht vor
Entrüstung roth wurde, — „Sie vergessen, daß Sie zu einem
Capitän der Cunard-Linie sprechen. Was zum — (hier
folgte ein kräftiger Seemannsfluch) wissen wir von Schiff-
brüchen. „Indessen", setzte er etwas besänftigter hinzu, „muß
ich gesteben, daß ich bei einer Gelegenheit denn doch glaubte,
das sprüchwörtliche Glück unserer Compagnie würde ein Leck
bekommen, und zwar durch mich. Es sind etwa 6 Jahre
her, als das Schiff m Liverpool in See ging. Wir hatten
eine sehr gute Fahrt, die See war die ganze Zeit so ruhig
wie ein Ententeich."
Hier mochte ich etwas ungläubig ausgesehen haben,
denn der Capitän fuhr lächelnd fort : „Nun, vielleicht sollte
ich nicht sagen: die ganze Zeit; denn als wir etwa 100
Meilen von Liverpool entfernt waren, sprang aus Südost
eine ziemlich steife Brise auf. Ich erinnere mich dieses Um-
standes genau, weil wir während der Brise ein kleines Se-
gelboot auflafen, in dem nur ein Mann saß, dem die Le-
bensmittel knapp geworden waren. Der Wind hatte es auf

die hohe See hinausgetrieben. Ungefähr eine halbe Stunde,
nachdem sich der Mann an Bord befand, wurde mir gemel-
det, daß einer der Passagiere mich privatim zu sprechen
wünschte. Gleich darauf kam er in meine Kajüte, ein kleines,
dürres Männchen, wie ein Schneider aussehend, das ich
noch kaum bemerkt hatte. Seine Physiognomie Ivar für ge-
wöhnlich gewiß herzlich unbedeutend, in diesem Augenblick
aber sah sie im höchsten Grade ängstlich und bedrückt aus."
„Nun, guter Freund," sagte ich kurz, denn ich hatte
ihn im Verdacht, daß er getrunken hätte, „was gibt's?
Wir werden bald Land in Sicht haben und meine Zeit ist
kurz bemessen."
„Wohl wahr, Capitän," antwortete er mit dünner zit-
ternder Stimme und stark ausgeprägtem amerikanischen Ac-
cent, aber Ihre Zeit wird noch kürzer bemessen sein, als Sie
denken, wenn Sie mich nicht anhören. Falls Sie meinen
Worten keinen Glauben schenken oder nicht darnach handeln
sollten, werden Sie sammt Ihrem Schiffe in (er sah nach
seiner Uhr) ja genau in ein und e ner halben Stunde auf
dem Grunde des Meeres liegen."
,,^ll rigbt", erwiederte ich ruhig, „Sie können jetzt
gehen. Ich werde dem Schiffsarzt sagen, daß er nach Ihnen
sieht." Die Furcht und Verlegenheit in seinem Gesichtsaus-
druck steigerte sich in diesem Moment zu völliger Todesangst.
Er warf sich vor mir auf die Knie nieder nnd beschwor mich,
seine Worte nicht als Faseleien zu betrachten.
„Warum schwatzen Sie denn solchen verwünschten Unsinn
über mich und mein Schiff?"
„Weil es wahr ist, Capitän," stöhnte er. „Es ist Dy-
namit an Bord und eine Höllenmaschine ist damit in Ver-
bindung gesetzt. So wahr ich lebe, wenn die Geschichte nicht-
unschädlich gemacht wird, so ist in der angegebenen Zeit das
Schiff und Alles an Bord zerrissen."
Ich muß gestehen, daß mir bei dieser Prophezeihung ein
kalter Schauder den Rücken hinablief, denn kaum ein Vier-
teljahr zuvor hatte eine ähnliche Katastrophe in Bremerhafen
stattgefunden und alle Schiffscapitäne mit Schnecken erfüllt.
„Um Himmelswillen, Mensch," rief ich, „reden Sie
sagen Sie mir Alles!"
„Das kann und darf ich nicht," wendete er ein, „bis
Sie mir nicht Ihr heiliges Versprechen gegeben haben, mich
niemals zu verrathen. Ich weiß, Sie sind ein Ehrenmann,
und das genügt mir. Geben Sie mir Ihr Wort, daß, was
auch geschehen mag. Sie niemals etwas von unserer Unter-
haltung verrathen oder zu meinem Schaden gebrauchen wol-
len, und ich will Alles bekennen."
„Gut," sagte ich, „ich verspreche es. Aber wo ist denn
nun dieses verfluchte Dynamit?"
„Einen Augenblick, Capitän. Wir haben noch Zeit, u.
ich muß Ihnen vorher das Bekenntniß ablegen, daß, obgleich
ich einmal den Einflüsterungen des Teufels Gehör gab, ich
später bereute und das Unheil gern ungeschehen gemacht
hätte, wenn es möglich gewesen wäre. Ihr Schiff ist in
London um eine sehr hohe Summe versichert nnd ich bin
damit beauftragt worden, ihm den Untergang zu bereiten.
Ich brachte das Uhrwerk, das noch bis zur Stunde gestellt
ist (denn Sie haben die Fahrt schneller zurückgelegt, als wir
 
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