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Unterhaltungsblatt zum "Pfälzer Boten" — 28.1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.44364#0048
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DM kLÄkMchr VelrvVeLM.
Bei dem zurzeit in den Petroleumd'sttnkken der Ver-
einigten Staaten grassierenden „Oelfieber" dürste eine kurze
Schilderung der kaukasischen Oelquellen von Interesse sein.
Noch im Jahre 1879 besaß die Stadt Baku am Kas-
pisee kaum 15 000 Einwohner, jetzt aber zählt sie über
120000. Diesen gewaltigen Aufschwung verdankt sie ihrer
im Laufe dieser fünfzehn Jahre in Blüte gekommenen Petro-
leumindustrie.
Erdöl war im Altertum bekannt und im Gebrauch. Bei
dem Bau von Ninive und Babylon wurde ein Asphtaöl
benutzt, dessen Asphalt man durch Verdunstung von Erdöl
aus den Quellen des Js, eines Nebenflüßchens des Euphrat,
gewonnen. Diese Quellen zogen auch die Aufmerksamkeit des
macedonischen Kaisers Alexander, des Kaisers Trajanus und
des Julianus auf sich und fließen noch heute; das ans ihnen
gewonnene Erdöl wird jetzt als Leuchtmaterial verwendet.
Beim Einzug Alexanders des Großen in Babylon durchzogen
zwei Bäche voll brennender Naphta leuchtend die Straßen.
Die Zauberin Medea überzog das Gewand ihrer Neben-
buhlerin Glauke oder Kreufa, die Tochter des Königs Kreon
der Sage nach mit einem Gift, wahrscheinlich aber mit
Naphtaharz, denn als Glauke in diesem Gewände bei der
Hochzeitsfeier den Fackeln nahe kam, geriet sie in Flammen.
Hnrodot erwähnt Erdölquellen auf Zakynthos, heute Zante,
welche einen Teil Griechenlands mit Erdöl versorgten und
Plutarch spricht von einem brennenden See in der Nähe
von Ekbatana. Dioskorides und Plinius kennen das Erdöl
von Agrigent, „sicilisches Oel," welches zum Brennen in
Lampen verwendet wurde. Man nannte es damals griechisch
xotrslaiou und lateinisch Petroleum.
Die Ansdehnung des kaukasischen Naphtagebletes schätzen
offizielle Angaben auf 30 000 Ouadratwerst. Aber nur zehn
werden augenblicklich ausgebeutet, und diese zehn Quadrat-
werst lieferten 1893 etwa 300 Millionen Pud Naphta.
Balachany, Sabuntschy, Szurachany und Bibinybad
heißen die Orte um Baku, wo Naphta geschöpft wird.
Bon weitem haben alle diese Gegenden das aussehen von
Wäldern, kommt man näher, so sieht man bald, daß die
Bäume aus Schornsteinen oder Bohrtürmen bestehen. Ende
1892 konnte man hier ungefähr 500 Bohrtürme zählen,
von denselben waren 237 in Thätigkeit, 100 im Bohren be-
griffen, die übrigen zeitweise außer Betrieb gesetzt-
Die Naphta, die bis 1872 nur in einfachen brunnenar-
tigen Gruben aufgesammelt wurde, wird jetzt ausschließlich
durch Erbohrung nach dem bekannten amerikanischen System
gewonnen. Man beginnt mit der Aufstellung eines Bohr-
turmes, errichtet neben demselben ein kleines Holzhäuschen
für eine Dampfmaschine, die nacheinander die Arbeiten des
Bohrens, Bohreinrammens, Bohrlochreinigens und endlich
des Naphtapmnpens besorgt. Die Dampferzeugung für den
maschinellen Betrieb geschieht in einer großen Anzahl über
das ganze Terrain zerstreuter Dampfkessel, von denen ge-
wöhnlich je mehrere beifammenstehen und eine Gruppe von
4 oder 5 Bohrturm-Maschinen versorgen.
Bei Oelquellen hat man zwischen solchen zu unterscheiden,
welche durch Bohrung hervortreten und solchen, aus denen
das Oel frei sprudelt. Die Springquellen richten, weil ihr
Austreten jeder Berechnung spottet, häufig großes Unheil an,
1883 brach ein Brunnen aus, bei Druschhabrunnen, welcher
Eigentum einer amerikanischen Gesellschaft war; fein Strahl
ging oft bis 120 Meter hoch und war so heftig, daß man
ihn nicht auffangen konnte, dadurch gingen täglich über 8
Millionen Kilogramm Naphta nicht nur verloren, sondern
sie überschwemmten durch 35 Tage derart verwüstend die
ganze Nachbarschaft, daß die unglücklichen Besitzer des

Bruuurus Vsivk.gr. vrtz zu k.rsiwuvru SchadrursiatzrA Mgrurwe
gingen. Der Schaden lehrte die Anderen Vorsicht, und als
kurze Zeit nach dem geschilderten Vorfall ein der Firma
Nobel gehöriger Brunnen ausbrach, waren Vorbereitungen
so vorzüglich getroffen, daß kaum Oss des Gefammtgehaltes
verloren ging. Dieser Brunnen lieferte im Anfang seines
Springens mehrere Millionen Kilogramm täglich, mehr als
alle 25 000 amerikanischen Brunnen zusammen.
Die Verarbeitung der gejammten Naphta findet statt in
den Soweden oder Fabriken von Tschornygorodok und
Bjelygorodok (Schwarzstädtchen und Weißstädtchen). Von
der Armuth dieser zwei Vorstädte Bakus kann sich nur der-
jenige einen Begriff machen, der sie genossen und verwünscht
hat. Besonders Weißstädtchen leistet in Verkehrshindernissen
daß Möglichste. Von einem Fußweg oder gar einer Fahr-
straße ist selten etwas zu entdecken, man komme vorwärts, wie
man kann. Die ganze Gegend ist bedeckt mit Teichen aus
Naphta, Petroleum, Schmieröl und darüber laufen kreuz und
quer zahllose Rohrleitungen, die ganz frei auf dem Boden
liegen und über die mau hinweg geht, fährt oder fällt.
Ein einziger Weg erscheint einigermaßen vollendet; er ist
1888 gelegentlich der Anwesenheit des Zaren entstanden.
Es giebt in Tschornygorodok und Bjelygorodok jetzt
über 150 Petroleumfabriken. Die kleineren arbeiten fast
alle für Rothschild. Die bedeutendste und interessanteste
Fabrik ist die der Firma Nobel. Sie bildet eigentlich eine
kleine, von mehr als 5000 Beamten und Arbeitern nebst
deren Familien bewohnte Stadt.

B diese Mädchens!
(Eine Gerichtsszene.)
„Bringen Sie mir blos schnell een Jlas Wasser, sonst
kann et sind, det mir uf die Stelle der Schlach rührt!"
Nachdem sie getrunken, weicht die beängstigende Röthe aus
dem runden nicht unschönen Gesicht, die Augen blicken wie-
der recht energisch. — Bors.: Nun Angeklagte sind Sie jetzt
so weit, daß wir in die Verhandlung eintreten können? —
Angekl.: In Jottes Namen, ick werde mir schon bejreifen.
Aber Sie wissen uatierlich nich, wie eene arme verlassene
Wittwe um't Herze is, die in solche Verhältnisse kommt, wie
ick hier. —> Vors.: Nein, das weiß ich freilich nicht. Sie
sind die Schlächter-Wittwe — Angekl.: Jawoll, ich
habe det Jeschäft cwer ufjejeben, weil ick mir nich mit die
Jesellsn un Lehrlinge herumärjern wollte. Aber die Mächens
sind dausendmal schlimmer. — Vors.: Ja, mit dem letzten
ist es Ihnen wohl recht schlecht ergangen, denn Sie sollen
sich der schweren Körperverletzung schuldig gemacht haben, u.
noch dazu mittelst eines gefährlichen Werkzeugs. — Angekl.:
Lassen Sie mir blos noch eenen Schluck Wasser drinken. Ja,
det hört sich jefährlich an. Sie hat ja so'n kleenet Wun-
eken jehabt, aber ick habe ihr jleich Karl Pohl-Wasser je-
jeben, wo sie mit jekühlt hat. Nach zwee Dage war sie
wieder jesund.
Bors.: Sie behaupten wohl, daß Sie sehr gereizt wor-
den sind? -- Angekl.: Jereizt? Herr Jerichtshof, det Blut
hat sie mir aus'n Herzen jepreßt, als die Jeschichte mit det
Kind passirte. — Vors.: Wir werden um Ihre Erzählung
kaum herumkommen. Machen Sie es aber möglichst kurz.
— Angekl. : In zehn Minuten bin ick mit die janze Je-
schichte fertig. — Vors.: Vorher noch eine Frage. Haben
Sie nicht in einem Zeitraum von 6 Monaten 9 Mädchen
gehabt? — Angekl.: Det habe ick, aber wat will det sagen?
Ick sagte also zu meinem Mann — danumals lebte er noch
— ick sage „Willem", sage ick, ick will mir mal eene neh-
men, die eben erst vom Lande nach Berlin gekommen is.

Ml die. andern 1Z ei nich nvrchr antzzrchaiien." — „Js sni",
meeüi er, „die Mächens sind Deine Sache, vor die Jes eilen
forje ick." Ick denn nu los nach't Jesinde-Büreau. Als ick
da eene stehen sehe, die so'n recht ländlichen Jndruck macht,
frage ick ihr: „Du bist wohl vom Dorfe?" Wat antwortet
mir die freche Person? „Madameken," meent sie so recht
höhnisch, „sollten wir Beede früher zusammen die Jänse ge-
hütet haben? „Ick lasse ihr natierlich links stehen un wende
mir an eene Andere, een junget Ding mit knallrothe Backen
un so'ne recht treuherzige Oogen. Sie sagt mir denn, det
sie erst vor zwee Dage von Treuenbrietzen nach Berlin je-
lommen wäre. O, sage ick, det Nest kenne ich, da hat mein
Mann schon manche fette Kuh herjekriegt. Da steht woll
Diel Milletähr? frage ich recht vorsichtig. Nee, meent sie,
die eenzijen, die da MiliMmützen dragen, sind der Brief-
dräjer un der Polizeidiener. Na, sage ick, denn will ick det
man mit Ihnen mal probiren.
Vors.: Sie erzählen aber gar zu umständlich. — An-
geklagte: Also kurz und jut, ick nehme sie also mit nach
Hause, und den ersten Dag ließ sie sich ja ooch janz nett an.
Aber den andern Dag jing det Elend los. Bei Kanzlei-
raths über uns sollte Jeburtstag jefeiert wer'n, und die
Laten uns, ob wir ihnen nich eenen Bierhahn borjen woll-
ten, sie wollten een Faß Echtet drinken. Wir hatten nu
keenen Hahn; da wir die juten Kunden aber jerne jefällig
sind wollten, so sage ick, ick wollte ihnen eenen besorjen. Ick
jebe denn meine Minna 30 Feunije un sage, sie sollte mit
die Stadtbahn nach Friedrichsberg zu meinen Schwager fah-
ren, der da Restaurateur is. Sie sollte ihn bitten, daß er
uns uf 24 Stunden den selben Hahn borjen sollte. Nach 5
Stunden kommt sie zurück, mit'n Hochrothen Kopp un janz
«chaffirt. Ick denke doch, ick soll lang hinschlagen, als sie
in die Küche wat uf'n Fußboden wirft mit die Worte: „Js
Det een Biest!" Un det Packet stellt sich als een lebendster
italienischer Hahn heraus, der nu in die Küche rumflattert.
Vors.: Nun, das war doch gewiß ein schlechter Witz
von Ihrem Schwager ? — Angekl.: Nee, der war jarnich zu
Hause. Meine Schwäjerin hat dem Hausdiener jesagt, dat
er det Mächen den Hahn jebeu sollte, un ob der det nu ooch
falsch verstanden hat, weeß ick nich. Aber von diese Je-
schichte will ick noch nischt sagen. Den andern Dag soll sie
mir für 50 Fennije Nelken holen, die ick zu't Wurschtmachen
gebrauchte. Wat bringt sie mir an: Eenen Topp mit eene
blühende Nelke! Als ick Krach mache, meent sie, sie hätte
fejlvobt, ick wollte zu Kanzleiraths Jeburtstag eenen Topp
stiften. Aber det kömmt noch schöner! Det Sonntags mache
ick mit mein Kind nach Friedrichsberg raus. Als ick Abends
nach zehne nach Hause komme, is meine Minna nich vor-
väthig. Endlich so um Uhre zwölfe rum kommt sie an. Ick
lieke so hinter die Jardine uf die Straße raus, un watschen
meine Oogen! Die Unschuld von Treuenbrietzen bummelt
an den Arm von eenen Maikäber! Na, den Soldaten habe
ick schön heimjeleucht, un meine Minna habe ick so einiger-
maßen die Leviten verlesen. Wieder nach een paar Dage
schicke ick ihr mit det Kind in die Mittagstunde nach die
Anlagen, weil et so schöne Luft war. Sie is een paar
Stunden weg, als et langsam anfängt, zu regnen. Ick stehe
wie uf kochendet Eis, weil sie nich nach Hause kommt. End-
lich, wie et mit Mollen jießt, kommt sie anjethürmt. Ick
raus aus't Haus un ran an den Wagen. Ick schlage die
Decke zurück, un wat sehe ick? — Mein Kind is vertauscht,
anstatt mein kleenet blondet Mächen liegt een schwarzköppijer
Junge drin, der mir anschreit. In den ersten Oogenblick
werde ick so falsch, det ick die Minna, die ooch janz die
Konstantenanze verloren hat, als sie die Verwechselung sieht,
eenen Schlag mit den Handfejer jejen den Kopp jebe. Ick .

siatw der Ding per ade Xu die Hand UN MUI in nremr VachchE
woll etwas derbe zufejchlagen haben. Denken Sie blos an,
eene Nachbarin von mir hat jerade so'n Kinderwagen un je-
rade so'ne Wagendecke wie ick, blos ihr Kind is anders. Die
beeden Mächens haben nu mit Soldaten poussirt, un als det
anfing, zu rejnen, da hat Jede den ersten besten Wagen jenom-
men un is damit losjefahren, ohne erst rinzukieken. Det sind
Mächens!
Da durch die Beweisaufnahme thatsächlich festgestellt wird,
daß Minna aus Treuenbrietzen der Angeklagten viel Aerger be-
reitet hat, so kommt die Letztere mit einer Geldstrafe von 20
Mark davon.

Unsere glücklichen Handwerker.
Welche vorzüglichen Eigenschaften manches Handwerk
hat und wie gut es auch heute noch denen geht, die den gol-
denen Boden des Handwerks betreten haben, zeigt folgende
Beweisführung:
1. Die Bäcker haben ihr tägliches Brod.
2. Die Schneider haben ihr reichliches Futter.
3. Die Schuster leisten viel und haben bei allem Pech
hohen Absatz.
4. Die Hutmacher behaupten sich, indem sie andere be-
haupten; ihre Erzeugnisse haben viele Abnehmer.
5. Die Anstreicher werden um so besser bezahlt, je mehr
sie den Leuten weiß machen.
6. Der Seiler kommt immer mehr vorwärts, je mehr
er mit seinem Fabrikat rückwärts geht.
7. Wenn auch bei den Schmieden alles unter den Ham-
mer kommt, so schmieden sie doch stets das Eisen, so lang
es heiß ist.
8. Der Dachdecker schwingt sich in die Höhe, denn seine
Bedürfnisse sind gedeckt, so lange er zu decken hat.
9. Die Maurer sind am besten dran, wenn ihnen nichts-
einfällt.
10. Die Faßbinder bringen ihr Geschäft ins Rollen,
denn sie überlegen reiflich und stellen alles faßlich dar.
11. Die Lebkuchenbäcker befinden sich allezeit in den Ho-
nigmonaten und können sich das Leben nach Belieben ver-
süßen.
12. Der Pflästerer stampft sich seinen Erwerb buchstäb-
lich aus dem Boden.

Allerlei,
— (Ein Ofen ohne Holz und Kamin.) Eine be-
deutsame Neuerung (vielleicht auch nur einen Versuch) auf
dem Gebiete der Elektrotechnik bedeutet die Erfindung die ein
Berliner Ingenieur ausgearbeitet hat. Es handelt sich hierbei
um nichts weniger, als die Anwendung eine Wärmespenders,
der weder Brennmaterial noch Kamin benöthigt. Der Sach-
verhalt ist folgender: Der elektrische Strom hat bekanntlich
die Eigenschaft, das Wasser in seine Bestandtheile Wasser-
stoff und Sanerstoff zu zersetzen, und zwar entwickelt der
eine Pol doppelt so viel Wasserstoff, als der andere Sauer-
stoff. Die Gasentwickelung geschieht in einem Wasserbassin
von mäßiger Größe, in das sich mittels eines Schwimm-
ventils unaufhörlich Wasser aus der Wasserleitung ergießt.
Die beiden Leitungsdrähte sind am Boden des Bassins ein-
gelötet und enden in Platinbleche, über die sich Glaszylinder
luftdicht stülpen. Wird nun der Strom geschlossen, so be-
ginnen sich die Gase in mächtigen Blasen zn entwickeln und.
werden durch den ziemlich starken Wasserdruck gleichzeitig in
einen eigens konstruierten Hahn (sog. Daniel'schen Hahn) ge-
drückt. Das Ende desselben bilden zwei konzentrische Oeff-
nungen; aus der äußeren dringt Wasserstoff und bildet, an»
 
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