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Tour den Weg, und trotz aller Uebermacht tonnten die
Franzosen den Feind aus diesen Dörfern nicht vertreiben.
Hier war es, wo die preußische Reiterei, nur um dem aufs
äußersten ermüdeten und zusammengeschosseuen Fußvolk und
Luft zu machen, zum direkten Angriff gegen das mit den
weittragenden Chassepots bewaffnete feindliche Fußvolk und
gegen die Geschütze der Franzosen verwendet wurde; die
Magdeburger Cürassiere, deren Uniform Graf Bismark trug,
und die altmärkischen Ulanen überritten Mittags ein Uhr
ein Treffen Fußvolk, dann eine Batterie dann ein zweites
Treffen Fußvolk und jagten die hinter diesen stehenden
Batterien ebenfalls in die Flucht ; erst als die tapferen
Männer auf 3000 feindliche Reiter stießen, wandten sie um
und durchbrachen in wildem Ritt, unter verzweifeltem Ringen,
die Scharen des Feindes, die sich inzwischen wieder gesammelt
hatten, zum zweitenmal. Als sie bei den Ihren wieder an-
langten, waren von 800 Reitern, welche den Angriff unter-
nommen hatten nicht viel über 400 noch vorhanden: aber
die Franzosen zogen aus dem wuchtigen Borstoß der Deutschen
den falschen Schluß, daß dieselben in starker Anzahl zur
Stelle seien, und wagten ihrerseits keinen Angriff auf diesem
Punkt mehr; und als die Hannoveraner und ein paar
rheinische und hessische Regimenter eintrafen, war der Tag
insofern für die Deutschen gewonnen, als die südliche der
zwei von Metz nach Verdun an der Maas führenden Straßen
endgültig dem Feinde verlegt war.
Noch aber war für Bazaine die nördliche Straße, welche
bei Gravelotte abgezweigi und über St. Privat führt, frei;
wenn sie nicht auch gesperrt wurde, so waren die furchtbaren
Opfer des 16. August — fast 16,000 Man:; — umsonst
gebracht. Deshalb wurde im Laufe des 17. August die noch
unversehrten Armeecorps herangezogen und der König eilte
selbst auf das Schlachtfeld, von der Meinung ausgeheut, daß
der Feind sich bereits auf dem Rückmarsch nach Verdun be-
finde. Bazaine aber hatte aus dem furchtbaren Kampfe des
16. August, wo er über 17,000 Mann eingebüßt hatte, die
ganze irrige Ansicht geschöpft, daß ihm die Deutschen mit
gleicher Macht entgegengesianden seien, während thatsächlich
stundenlang die vier- und fünffache Uebermacht aff seiner
Seite gewesen war. Für die folgenden Tage nahm er des-
halb, und dies mit einigem Grund, an, daß der Feind ihm
überlegen sein werde, und beschloß demgemäß, in einer seiner
Ansicht nach uneinnehmbaren Stellung den Angriff der
Deutschen abzuwarten, sie gründlich zurückzuschlagen und
daun feinen Marsch an die 'Maas unbehelligt fortzusetzen.
Da fanden_die deutschen Späher, daß das ganze französische
Heer, gegen"200,000 Mann alter, erprobter Soldaten zählend,
sich von Gravelotte bis St. Privat aufgestellt hatte, in der
Front durch die Schlucht des Mancebaches gedeckt, im Rücken
durch die Forts vor Metz des Rückzugs auf alle Fälle ver-
sichert. Es galt also deutscherseits, in der Schlacht von
Gravelotte und St. Privat, die am 18. August Mittags
zwölf Uhr begann, die Stellung Bazaines zu nehmen und
ihn nach Metz hineinzuwerfen; die Front des deutschen
Heeres, die bisher nach Nordm gerichtet war, wurde nach
Osten umgebogen, und nach furchtbarem Ringen, das bis
in die Nacht hinein dauerte, die Entscheidung dadurch her-
beigefübrt, daß abends sieben Uhr die Sachsen unter ihrem
Kronprinzen Albert und die Garden das Dorf St. Privat
Mit Sturm nahmen, dem sich anderthalb Stunden vorher
die Garden allein trotz allen Todesmuthes nicht hatten
nähern können, weil die Franzosen aus starken und g-deckten
Stellungen ein geradezu vernichtendes Feuer ihnen entgegen-
sandten. König Wilhelm befand sich auf dem rechten deutschen
Flügel, welcher am Ende sich in den Besitz von Gravelotte
setzte und bei einbrechender Dunkelheit noch einen letzten
Verstoß gegen den weichenden Feind richtete, der mittels

Basouettenangriffs zum Ziele führte. „Bei diesem Verstoß",
erzählt oer König selbst in einem Briefe an seine Gemahlin,
„fehlten die historischen Granaten von Königgrätz für mich
nicht, aus denen mich diesmal Minister v. Roon entfernte;"
im Gefolge des Königs wurde an diesem Tage der Ritt-
meister v Buddenbrock an der Hand verwundet. Um halb
neun Uhr abends verstummte überall der Lärm des Kampfes,
in welchem über 20,000 deutsche Krieger außer Gefecht
gesetzt worden waren. „Der König," so wird berichtet, „saß
nach der Schlacht neben einer Gartenmauer diesseits von
Rezonville: unmittelbar neben ihm brannte eine große Woll-
spinnerei, die nächste Umgebung mit ihrem unheimlichen
Lichte erhellend; an seiner Seite befanden sich des Königs
Bruder, Prinz Karl, der Großherzog von Weimar, der
Erbgroßherzog von Mecklenburg, Graf Bismarck v. Roon
und Graf Dünhoff. Nach dem Siege dachte man auch an
Erquickung; ein nicht ferne haltender Marketender wurde
herangeschleppt. Der König trank aus einem abgebrochenen
Tulpenqlase; Bismarck kaute vergnügt an einem großen Stück
Kommisbrod. Die Nacht brachte der greise König in einem
Bauernhause zu, in einem Raum, dem er die Benennung
„Stube,, beilegte, auf dem Gestell eines Krankentransport-
wagens liegend, das Haupt auf den Kissen seines Wagens;
der Körper des Königs war nur in den Mantel gehüllt."
Die Bedeutung des Sieges bezeichnete der König in
dem Telegramme Vas er abends neun Uhr an die Königin
Augusta richtete und das Graf Bismarck beim trüben Schein
eines Wachtfeuers niederschrieb, mit den Worten: „Die fran-
zösische Armee ist m neunstündiger Schlacht vollständig ge-
schlagen, von Pans mit ihren Verbindungen abgeschnitten
und gegen Metz zurückgeworfen." Noch machte man sich
auf einen Versuch Bazaines gefaßt, am 19. den Kampf zu
erneuern und den Weg nach Westen sich frei zu machen;
die Pommern und Westfalen standen bereit, am anderen
Morgen sofort dem Ansturm der Franzosen zu stehen. Aber
diese befanden sich unter dem Eindruck ihrer Niederlage; in
der Nacht räumten sie ihre noch behaupteten Stellungen, so
Moscou und Point du Jour, und zogen sich hinter die
Festungswerke von Metz zurück. Prinz Friedrich Karl aber
umklammerte alsbald diese mächtige Feste auf allen Seiten;
es galt, das Errungene festzuhalten, den Feind nicht mehr
ausbrechen zu lassen und am Ende Metz gerade durch seine
Ueberfüllung mit Truppen zur Uebergabe zu zwingen.
In 14 Tagen hatten die Deutschen sechs Schlachten ge-
wonnen; ein feindliches Heer war zersprengt, das andere um-
lagert; Frankreichs Aussichten standen schon jetzt verzweifelt.
Die bösen Nachbarn Deutschlands, Oesterreich u. Dänemark,
hielten ihr Schwert weislich in der Scheide, der Versuch, den
Napoleon jetzt machte, Italien durch seinen Vetter Jorome,
den Schwiegerson Viktor Emanuels, zur Theilnahme am
Kriege zu bestimmen und ihm Rom preiszugeben, kam zu
spät. Wohl waren fast 15,000 deutsche Streiter gefallen
und 43,000 lagen verwundet in den Lazaretten; aber der
Gewinn, der mit solchen Opfern erreicht worden, war auch
gewaltig; wenn Bazaine nicht befreit wurde, war der Krieg
auf alle Fälle für die Franzosen verloren und Deutschland
war im Besitz derjenigen Lande, welche die öffentliche Mei-
nung schon jetzt mit steigendem Nachdruck als Siegespreis
forderte: des Elsaß und Deutsch-Lothringens.

Ein Zusammentreffen mit Franktireurs im
MdMge 187(M.
Wir waren von Rheims aus zur Belagerung von
Verdun commandirt worden, und machten uns an einem
schönen Herbsttage früh Morgens auf den Weg — drei
Militair-Aerzte und zwei Burschen. Unseres Gepäckes wegen

Muhten wir einen Wagen requinren. Doch schon im ersten
Dorfe erklärte der Eigenthümer des Wagens, daß sein Pferd
lahm und nicht mehr weiter könne. Ohne weiteres ging
er fort, um ein anderes Pferd zu suchen, und, obschon an
fangs das Dorf wie ausgestorbm schien, waren wir nach
wenigen Minuten derart von einer Menge zerlumpter und
bös blickender Kerle umringt, daß wir uns kaum von der
Stelle bewegen konnten. Erst nach sehr energischem Auf-
treten unserseits gelang es, Luft zu bekommen, den Wagen-
besitzer wiederzufinden und ihn endlich zu zwingen, den Weg
fortzusetzen, wobei das „lahme" Pferd iein n Herrn durch
große Ausdauer Lügen strafte. Aehnliche Seenen wieder-
holten sich in den Dörfern, wllche wir paffiren mußten, bis
wir endlich St. Menehould, am Fuße der Ardennen, er-
reichten. Hier schien ein Weiterkommen unmöglich, da kein
Mittel mehr half, den störrischen Bauern weiter zu bewegen.
Als rettender Engel in der höchst n Noth erschien da der
Maire, welcher uns mit übergroßer Freundlichkeit anbot,
den Post-Omnibus zu benutzen, der im Begriffe stände, seine
tägliche Fahrt durch die Ardennen bis Clermont anzutreten.
Da wir doch in Clermont nächtigen wollten, nahmen wir
freudig die Gelegenheit wahr, und hatten gerade Platz in
dem Gefährt genommen, als ein einzelner vreußischer Husar
des Weges kam. Auf Befragen theilte uns dieser mit, daß
-er mit einem Unteroffizier und noch zwei Kameraden in St.
Menehould stastionirt sei, um den Weg bis Clermont wegen
vieler sich dort aufhalteuder Franctireurs offen zu halten.
Sofort waren die vier Leute bereit, uns zu begleiten, und
fo ging's denn mit dem beruhigenden Gefühle in den Wald
hinein, vor und neben dem Wagen die schützenden Husaren
zu wissen, welche, den Karabiner im Arm, abwechselnd
rauchend und singend, munter einhertrabten.
Der Weg windet sich, ziemlich stark ansteigend, durch
dunkeln dichten Wald, der kaum der Sonne Platz gönnt,
hier und da durch Streiflichter ihr Dasein zu verkünden,
so daß es, noch früh am Nachmittage, schon bald dunkelte.
Schweigsam ging jeder seinen Gedanken nach, und es war
ein eigenthümliches Bild, wie wir so, jeder die geladene
Pistole in der Hand, den Säbel in der Scheide gelockert,
stumm in dem dämmernden Walde dahinrollten. Es war
eine romantische Fahrt, und nichts schien den stillen Frieden
der Natur zu stören. Da —- wir hatten ungefähr die höchste
Steigung des Weges und mit ihr die Hälfte unserer Reise
erreicht — fielen plötzlich vor uns Schüsse. Der Wagen
hielt mit einem Rack. Wir sprangen hinaus, und vor unsern
Augen entwickelte sich ein unvergeßliches Schauspiel.
Wie schon oben gesagt, durchstreiften von Zeit zu Zeit
Husaren-Patrouillen die Straße zwischen Clermont und
St. Menehould, welche von beiden Orten bis zu der Stelle
ritten, wo wir uns im Augenblicke befanden. Hier stand
dicht am Wege, sich nach hinten an die Bergwand anleh-
nend, ein einsames Haus, welches nach vorn zwei Stock-
werke hatte, nach hinten aber nur im zweiten Stocke einen
Ausgang nach dem Walde hatte. Am Tage unseres Marsches
hatte eine Bande stark bewaffneter Franctireurs dieses Haus
besetzt, um, wie sich später hsrausstellte, die etwaigen Insassen
Les pünktlich eintreffenven Post-Omnibus zu überfallen. Ob
die scheinbare Freundlichkeit des Maire von St. Menehould
damit in Verbindung stand, bleibe dahingestellt. Jedenfalls
wäre unser Schicksal ein sehr fragliches gewesen, wenn nicht
unmittelbar vor unserm Eintreffen an dem Waldhause eine
Patrouille von Clermont, also der uns entgegengesetzten
Seite, ebendaselbst angelangt wäre. Diese hatte Halt ge-
macht, der Unteroffizier war abgestiegen und machte das
Sattelzeug seines Pferdes zurecht, als ein Schuß aus dem
Hause ihm beide Hände durchbohrte. Gerade in dem Augen-
blicke kamen wir von der andern Seite an, und es gelang,

da wir zusammen nun in der Uebermacht waren, nach kurzer-
Gegenwehr und einigen gut gezielten Schüssen in die jetzt
auseinanderstiebende Gruppe der Franctireurs fünf Kerle zu
fangen und zu binden, während die übrigen nach oben in
den Wald entkamen. Da das Haus einen ungemein gün-
stigen Schlupfwinkel für weitere Üeberfälle gewten hätte,
so wurde dasselbe, nachdem sich niemand mehr darin vor-
fand, in Brand gesteckt. Bald stand das Gebäude in Flam-
men, die an dem alten Holzwerke reichlich Nahrung fanden;
alle Fenster standen auf und zeigten im Parterre-Zimmer
einen langen, weißgedeckten Tisch; rings umher erschien
der dunkele Wald doppelt finster und geheimnißvoll, und
finster schauten die gefesselten Franctireurs dem unvergeß-
lichen Schauspiele zu. Da, gerade als wir im Begriffe wa-
ren, unsere unterbrochene Reise weiter fortzusetzm, erscholl
ein so gräßliches Hohngelächter über uns durch die ringsum
herrschende Stille, daß alle entsetzt umschauten; und siehe,
im obersten Fenster des lichterloh brennenden Hauses erschien
der häßliche Kopf einer alten Französin, mit einer weißen
Haube bedeckt, aus dessen weit geöffnetem Munde ein so
schallendes Hohnlachen ertönte, daß man glaubte das Bild
der Hölle vor sich zu haben. Im nächsten Augenblicke war
sie verschwunden.
Während wir nach Clermont weiterritten, kehrten unsere
treuen Begleiter, die vier Husaren, nach St. Menehould
zurück. Am andern Morgen fand man alle vier, mit auf-
geschlitzten Leibern, todt! Ich kann sie nicht' vergessen, die
lustigen Burschen, die, fern von der Heimath, ein so gräß-
liches Ende finden mußten!
Die rothe Muse.
Wenn ich Jemanden mahnen will, denn kann ich es doch
nicht auf der Straße thun, sondern muß in seine Wohnung
gehn. Wie ich mich dadurch eines Hausfriedensbruchs schul-
dig machen konnte, ist mir nicht klar. Bors.: Sie sind
auch nicht angeklagt, weil Sie hineingegangen sind, sondern
weil Sie nichr hinausgingen, als Sie dazu aufgefordert
wurden. Angekl.: Ich muß doch auf das Berechtigte meiner
Forderung Hinweisen können. Bors.: Wenn der Inhaber
der Wohnung Sie zum Hinausgshen auffordert, müssen Sie
gehen, Sie können ihre Forderung vor dem Civilgericht gel-
tend machen.
Der Angeklagte, der diese Belehrung m t Kopfschütteln
entgegennahm, war der Pffamentier- und Schnittwaaren-
häudler M., ein kleines Männchen, welches aussah, als
wenn es einen Hausfriedensbruch überhaupt nicht begehen
könnte. Da der Angeklagte behauptete, daß er sich nicht
schneller habe entfernen können, als er gethan, so mußte die
Zeugin vernommen werden. Eine große, starke Frau in den
vierziger Jahren tritt in den Saal. Sie ist in übertriebener
Weise aufgeputzt.
Vorsitzender: Sind Sie die Wittwe König? — Zeugin:
Jawohl, Herr Präsident. Ick weeß Bescheed, ick soll den
da rinlejen, und det werde ick ooch jründlich besorgen.
Vorsitzender : Nein, Sie sollen Niemanden hineinlegen,
Sie sollen nur die reine Wahrheit sagen, dazu sind sie hier.
— Zeugin: Det werde ick dhun, aber denn liegt er ooch in't
Essen; wenn er sich uf't Streiten legt, denn mache ick ihn
meineidig.
Bors.: Unsinn! Sie beschwören, der Angeklagte nicht.
Erzählen Sie den Sachverhalt. — Zengin: Mein Mann
is in'n April vorigtes Jahr jestorben. Ick habe ihn mit
Musik bejrabsn lassen, un eenen Steen habe ick ihm setzen
lassen, wovon die Inschrift alleene ieber dreißig Mark kostet,
und ick könnte schon wieder verheirath' sind, wenn dieser
Mensch da mir nicht mit die rothe Blouse rinjelegt hätte.
Ick-
 
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