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Nr. 1.

Sonntag, Sen 3 Januar.

1892.

Bauernball.
Der Sixt und der Hartl gehen in die Stadt auf'n Ball.
Von Carl Wolf in Meran.
Beim Stoffenbrugger Bauer hatten sie heute den ganzen
Tag gedroschen. Das ist so eine Winterarbeit. Wenn
draußen der Schnee liegt und im Herbst sonst viel dringende
Arbeit war, so hört man schon oft da und dort den gleich-
förmigen Schlag der „Drischgel". Zu dreien, vieren oder
auch sechsschlägig. Letzteres ist schier eine Kunst und müssen
Drescher und Drescherinnen völlig musikalisch sein.
Der Sixt und der Hartl waren heute fast einsilbig und
sonst stand ihnen die Rede kaum still; aber es liefen ihnen
heute auch ganz besondere Gedanken im Kopf um. In der
Stadt drinnen wollten die Herrenleut' einen Ball anrichten,
ganz bäurisch. Es sollten da nur Leute hineindürfen, die
bäurisch gewandet sind. Herren und Frauen, Fräulein und
halt die Stadtbuben, alle im Bauersgewand. Anfangs
wollten sie die Nachricht von diesem Feste gar nicht glauben.
Aber unten im Dorfe war ein Zettel angeschlagen und da
war es kleinweis zu lesen: „Der Zutritt ist nur im Na-
tioualkostüme gestattet."
Das mit d m „Nationalkostüm" hätten sie zwar nie
im Leben verstanden. Der Kramer Jörgl war aber ein
„G'studirter".
„Wenn die Stadtleut' was recht fein's anricht'n woll'n,"
sagte der Kramer Jörgl, „so thun si's auf bäurische Weis'.
Schaut's lei im Sommer die herrischen Grasgraber an,
wie's ber uns in die Berg' umersteig'n. An g'schoss'nen
Hut, a derrupft's Röckl, a g'schund'ne Hos'n, dreifache
Strümps z'weg'n die Wad'l und g'nagelte Schuh. So
renneu's einer in's Landl und wenn sie ihnen die Knie
allzwei erfrier'n, vermeinen's, Teufel wir sei'n so kernige
Leut'. Und wenn einer so ausschaut, sagt man, der ist im
Natioualkostüm. Je derlatterter nnd derschundtner, desto
schöner dünkt's den Stadtleutnen."
„Sell muß wahr sein," mengt sich nun ein anderer
Bursche m die Erklärung des Kramer Jörgl. „Letzt bin
i a mal auf so an Bauernball g'west' und zelm hat a recht
a versetzter Goaser in ersten Preis bekommen."
„Was für einen Preis," fragte verwundert der Sixt.
„Ja halt drei Stücklen (Napoleonsd'or), 's aus
g'schrieb'n g'west' für den, der au Almer, oder auHirte'n,
oder meiuetweg'n an Holzknecht am gleichigst'n sein thut,
der bekommt einen Preis. Und heut' steht's a wieder da:
„Die originellste Figur bekommt einen werthvollen Ehren-
preis." Und selb will ich sagen, wenn einer halt g'rad' so
ausschaut, als kummet er vom Pechklauben, oder wie a
Goaser, der fünf Tag' ausgelegen ist im Regenwetter."
Kopfschüttelnd stiegen der Sixt und der Hartl den Berg
hinan, dem Stoffenbrugger Hofe zu. Die Geschichte wollte
ihnen nicht recht einleuchten. Wenn sie zum Tanze gingen
so suchten sie ihr Feiertaggewand heraus, denn nur ein
schmucker Bursche konnte rechnen, einem Dierndl zu gefallen.
„Eini geh'n thu i m die Stadt auf den narrischen
Ball, eini geh' i," sagte endli Hartl. „Zweg'n dem Ge°
»and brauch i nit lang zu suchen. Hab i ja Kohlen brennt

im Sommer, zwei Monat schier und Gewand könnt taugen.
Und 's Gsicht schwärz i mir just, wie zur selbigen Zeit;
thut mi kein Mensch kennen."
„Zwegnen kennen ist's lei eine leichte Sach'," sagte
hierauf der Sixt. „Kennen thut mi so kein Mensch in der
Stadt. Der Bauer, wenn er in seiner Mühl mahlt, hat
immerling a bsunders Gewand an. Vierzig Jahr ist's
leicht alt und a Katz thät si' halt schon hart, a Maus
drinnen zu fangen, wegen die Löcher. Dös leg i mir an
und auf'n Ball gehen wir zwei heut miteinand in die Stadt
eini."
-r- *
*
Das Comito des Baueruballes in *** war in fieber-
hafter Thätigkeit. Die Musik spielte allerlei nationale
Weisen, der Saal war geschmückt mit Tannen- und Fichten-
zweigen, „Gstanzleu" und „Gsanglen" waren an den Wänden
aufgehängt, Zäune, Wege and kleine Brücken versetzten die
Besucher des Festes in eine Alpeulandschast und in einem
Nebenlokale war eine Sennhütte aufgeschlagen, in welcher
eine gar schmucke Sennerin Branntwein ausschenkte. Eine
Menge von Menschen in allen möglichen alpinen Kostüme«
war da und wogte in den Sälen hm und her. Kritischen
Blickes musterte das Empfangscomitä die ankommenden
Gäste, die Verordnung, „nur im Nationalkostüm", wurde
strenge eingehalteu. Es waren auch schon eine Menge natio-
naler Kostüme erschienen: Steyrer in sammtenen Hosen,
Tyrolerinnen mit kostbaren Spitzen und seidenen Schürzen,
Elsäßerinnen in einer Tracht, wie man sie in der ganzen
Welt nicht findet, Schweizerinnen, russische Bäuerinnen,
schwedische Mädchen und wahre Lichtbilder, hie und da auch
Damen in den schönen, echten, originellen Gebirgstrachten.
Darunter selbstverständlich auch die Herren in National-
oder Touristenkostümen. Einige hievon sogar in sehr origi-
nellen Anzügen; das waren die Bewerber um die Preise.
Es war gerade ein großer Andrang am Saaleingang,
als der Sixt und der Hartl sich anschickten, den Ball M
besuchen. Lange hatten sie unschlüssig an der Treppe ge-
standen und sich das vorüberwaudelnde Publikum betrachtet.
Bedenklich sagte Hartl: „Mei, mir scheint's, nit recht ein-
e. taugen thun wir da in die Gesellschaft; 's sein Alle gac
sauber gewandtet und gewasch'n."
„Ei was," beschwichtigte der Sixt seinen zögernden
Kameraden, „da schau da drenten den selben Kraxentrager
an und den Edelweißhandler und dort den Rastelbinder.
Schau da hinten die zwei Handwerksburschen sein a nit
sauberer wie wir. Aussigeh'n thun wir und eini. Mehr als
aussischmeißeu können sie uns a nit und auf der Stieg'n
da bin i nit verzagt, wenn's dazu kommen thut; 's muß
schon öfter gscheg'n, daß 's ein' abwerfen, weil sie über die
Staffl so an gelben Zeug aufg'spannt haben."
„Na, so geh'n wir's halt au in Gottes Namen," sagte
hierauf der Hartl und stieg entschlossen die Treppe hinan.
Der Sixt folgte mit dem vergnügtesten Gesicht.
Unter den Mitgliedern des Empfangscomits'S war auch
der Herr Maier. Ein kleines, bewegliches Männchen, das
alles wußte, alles verstand und jeden Menschen kannte.
Als unsere beiden Burschen im Vorraum des Saales er-
 
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