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Der Sonntagsbote: Unterhaltungsbeilage zum Pfälzer Volksblatt — 1.1897

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März
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Nr. 13
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https://doi.org/10.11588/diglit.54632#0102
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datz mehrere derselben ihre Verhärtung im Bösen auch An
gesichtS des "bevorstehenden Tode- nicht abgelegt hätten.
Diesmal war der Fall ein ganz besonderer; ein sonst
unbeichost-ner Bürger war eS gewesen, der durch äußere
Verhältnisse zurückgekommen uid darum so tief gesunken
war. Der Amtsrichter war überzeugt, daß W. ihm die
Gründe keine- tiefen Falles nicht verschweigen werde.
Er sollte sich darin nicht getäuscht haben. Denn als er
nach längerem Hin- und Herreden, nach etlichen ernsten
Vorstellungen an den Verurtheilten die Frage richtete, wie
er, -bislang ein braver und achtbarer Meister, mm Ver-
brecher we den konnte, sah W. den Richter eine Weile lang
ernsten Blicke? an. und erst als der Amtsrichter seine Frage
wiederholte, fand er Worte.
»Sie sprachen die Wahrheit, Herr Amtsrichter," begann
er, „ich war bislang ein unbescholtener Bürger und fleißiger
Arbeiter. Sie fragen mich nun, wie eS mit mir ein solches
Ende nehmen konnte; nun wohl, hören Sw an, wie eS
kam, daß ein braver Geschäftsmann zum Einbrecher, zum
Brandstifter und Mörder wurde. Sie erinnern sich's viel-
leicht noch, ich war schon lange hier ansässig, als Sie in
diesen Ort versetzt wurden. Ich arbeitete damals für Sie,
Sie waren mit dem, waS ich lieferte, zufrieden, insbeson-
dere war es Ihre verstorbene Frau Gemahlin, welche mir
viele Aufträge zu Theil werden ließ. Ich lebte glücklich
und zufrieden mit de» Meinigen, ich war geachtet und ge-
liebt in der Stadt, mein Geschäft qing gut. Nun kam
eine junge Dame — ich werde sie nachher Ihnen nennen —
zu mir und beehrte mich mit einem Auftrage. Leider war
ich nicht im Stande, denselben selbst auszuführen, ich über-
aab ihn meimm zweiten Gehilfen zu Besorgung. Dieser
Mensch, der schon manchen Verweis von mir erhalten, dem
ich TagS vorher Feierabend gegeben hatte, verdarb die ganze
Arbeit, und als das bestellte K'e'dungSstück abqeli-fsrt wurde
mißfiel eS gänzlich. Ich versicherte der erwähnten Dame,
in kürzester Frist kostenfrei nachzuliefern, was ohne mein
Verschulden verdorben war, umsonst, — ich batte eine
meiner besten Kunden verloren. Noch mehr. Die junge
Dame that dos Ihrige, um mir auch die übrigen
Kunden auS besseren Kl eisen abwendig zu machen, und
es gelana ibr nur zu gut, — die nichtswürdige That
meines Gesellen, das verpfuschte Kleid, war «in Beweis-
mittel wieder mich und meine Arbeit. Einer meiner Kun-
den nach dem andern blieb aus, andere, an welche ich For-
derungen hatte, leisteten Zahlung, um nicht wiederzukommen.
Die Rache der erwähnten Dame hatte mich in der Stadt
als schlechter Arbeiter verschrieen, und nur zu Viele hatten
ihr willig Gehör geliehen.
„Der unerwartet schlechte Gang deS Geschäftes batte
mich kleinmüthig und verzagt gemacht, aber meine Frau
war desto entschlossener. Wir wußten aut genug,
wo die Quelle dieses plötzlichen Unglückes zu su-
chen war- Meine Frau begab sich daher zu jener
Dame, die nicht aufhörte, um ein schlecht gear-
beiteten Ballkleides' twillen eine zahlreiche Familie in
Notb und Armuth zu drängen. Aber artige Bitten und
Vorstellungen waren umsonst; meiner Frau wurde unter
Schelten und Höhnen die Thür gewiesen.
„Von nun an brach das Unglück in seiner ganzen
Schwere über mich und die Meinigen herein. Ich behielt
nur wenige und schlecht zahlende Kunden. Bald kam nicht
mehr so viel e'm, das ausreichend gewesen wäre^ für meine
Familie nur dar nothwendigste zu beschaffen. Es blieb
mir nichts anders übrig, als mich nach Arbeit umzusehen.
DaS war ein schweres LooS, denn ich war schon dreizehn
Jahre lang Meister gewesen. Ich hatte bald in einem grö-
ßer?» hiesigen Kleidergefchäste Arbeit gefunden. Aber auch

Mi


Noch einmal sah ich mich ohne
und Kinder, ...
krank und starb nach kurzem Krankenlager. hff

etwas zu tbun, aber was nun?
t ' 7 '' .
würde sie mir Niemand, daS sah ich voraus,
mir zwei Wege, entweder das Mitleid guter^
Jahre gelebt und stets ebrlich und unbescholten.
es anders kommen? Nein, lieber bitte» und *
ist zwar bitter, aber immerhin nicht so 7 k
stehlen. Nur nicht in der Stadt, nein, dräuen

hier verfolgte mich dasselbe Unglück, denn kamN M,,
chen hatte ich dort gearbeitet, als der Inh"" . U
schäfteS mir erklärte, er müsse mich, so sehr er
daure, entlassen, wenn er nicht Kundschaft
Noch einmal sah ich mich ohne Arbeit, ohne W" i
Noch in demselben Fabre würd' 7
war noÄ so gut sie bald zu sich zu nehmen:
noch erleben müssen, wenn st« längere Zeit
wäre! — ich hatte jetzt allein für sieben Unglück- !,.
zu sorgen, aber wie? Alles habe ich aufgebote«,
emporzukommen, aber umsonst. Endlich, endllsd
etwas zu tbun, aber was nun? Ich hatte ke'^ M
zu Hause und brauchte doch immerhin drei
würde sie mir Niemand, daS sah ich voraus,
mir zwei Wege, entweder das Mitleid guter E >
rufen, oder — stehlen ! Herr Amtsrichter, rM. u p .
... — —.
stehlen. Nur nicht in der Stadt, nein, draus-" , ,7
wollte ich guten Leuten mein Leid klagen.
gar stattlicher, vornehmer Herr zu Pferde Hera»-
>'
Zögernd begab ich mich zu ihm hin, in kurzen
räblte ick milk kedr/innti» und bskalll

ihn gar wohl und war ihm auch selbst
zählte ich. was mich bedrängte, und was bekam '"Ai
ren? Vorwürfe, Schmähung — ich sah arm ^ 5
„Gestrenger, lieber H°rr, so erbarmet Euch doch
armen hungernden Kinder willen," rief 'H.
Ein verächtlicher Blick war die Antwort, dam
Herr seinem Pferde die Sporen und ritt davo^-
täubt war ich stehen geblieben. Was nun begas',s
malS bitten, aber «bewiesen werden? NimmerM^^
fiel mir ein, wo der reiche Bauer Berthold
Felde sein Geld verwahrte, oben im Hause, w»
schlief. Dahin! Aber ich wE« ihn nicht ber.^
wollte nur die drei Thaler nehmen und da»» »
entfernen. Gesagt, qethau. Wie es dunkel wur^z v
ich mich auf den Weg, aber immer war's nM,
einer neben mir, d- r mich zurückhalten wollte.
schleiche ich in das Haus und komme an daS
das Geld verwahrt log. Aber ich verstand nnw,
auf solche Handlungsweisen, eben habe ich,A^. E
angezündet, so höre ich auch schon, wie eine werbus» K,
ruft: „Dieb- - Zu Hilfe!" Im Haus-
Alles eilt nach oben, da machte ich mich »de
Bodenleiter davon. Ungehindert kam ich "Hs
aber als ich nabe bei der Stadt war und rmA. -M
blckte ich das Gebäude in Hellen Flammen. D
wissen Sie, Herr Amtsrichter. Drei Thaler
nehmen, drei Menschenleben sind darum z" '
gangen, drei unschuldige, — und morgen das
schuldig.- „
„Sie sehen mich an, Herr Amtsrichter,
der Verurtheilte nach einer kleinen Pause von
„Sie wollen vielleicht wissen, wer die Dame 11-
durch ihre Rache unser» Untergang verschuldet,
der stattliche Herr gewesen, der mich so bart »ms .>
Nun wohl, jenes Fränkin war Ihre eigene
jetzt an Doctor Z. in X. verheiratbet ist, und de .
Pferde, den ich vergebens um Hilfe anflehte, w
selbst. Wären nur Sie au jenem Tage m«nes s
barmherzig gewesen, es wäre nie so west W >
waren es, den ich ansprach. Erinnern Sie M B"
wenige Minuten später Ibr Pferd vor einem em
rasselnden Wagen scheute ?" —
Wortlos starrte der Richter den Sprechenden
 
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