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sodaß die gierigen Hände der Sansculotten von ihr Massen mußten. Die befreite
Glocke verblieb an ihrem Platze und diente nun m Edenkoben mehrere Jahrzehnte
hindurch als einzige Glocke in der Stadt allen Bekenntnissen. Darnach kamen wieder
andere Glocken hinzu, und auch zusammen mit diesen, als zweitgrößte des Geläutes
erfüllte sie bis vor wenig Wochen getreulich ihren Beruf.
Nun aber, da die Glocke von l624, deren Inschriften und künstlerischen Schmuck
man im heutigen Edenkoben vergessen hatte oder überhaupt nicht kannte, einfach
mit den andern unbrauchbar gewordenen Glocken zum Schmelzofen verurteilt worden
war, lag sie schon — um dieser Bestimmung zngesührt zu werden — auf einem Eisen-
bahnwagen in der Station Edenkoben, als Bezirksbaumeister Völcker von Landau die
schöne Glocke zufällig sah und daraufhin durch Anrufung des Bezirksamtes Landau
den ersten Schritt zu ihrer Errettung tat. Bor allem wurde die Glocke von ihren
Gefährten getrennt, nämlich wieder ausgeladen und aufs Stadthaus in Edenkoben
verbracht. Auf Anregung des Bezirksamtes wandte sich dann das protestantische
Pfarramt von Edenkoben — da die Kirchengemeinde mit dem Erlös aus dem Erz
der Glocke rechnen muß — an den Historischen Berein
der Pfalz, damit die Glocke von diesem fürs Museum
in Speyer erworben, d. h. vom Glockengießer, in
dessen Besitz sie schon übergegangen war, zurückgekaust
werde. In der Tat wurde vom Ausschuß des Histo-
rischen Vereins der Ankauf der Glocke sogleich als
unabweisbare Notwendigkeit erkannt und beschlossen.
Zunächst fehlten allerdings noch die Mittel zur
Erwerbung. Es war ja ein Betrag von nahezu
1200 Mark hiefür anfzubringen, etwas mehr als
das Presbyterium für die Glocke gelöst hatte- denn
inzwischen war der Preis des Erzes von Mk. 1.35
auf Mk. 1.55 fürs Kilo gestiegen. Aber es fand
sich eine edelmütige Hand in Speyer, die dem Histo-
rischen Verein den ganzen Betrag für die Glocke
und noch ebensoviel für andere Zwecke zur Verfügung
stellte, sodaß damit das einzige Hindernis der Erwerbung beseitigt war. Durch
diese Stiftung ist dem Historischen Museum ein wertvolles Stück des Gewerbe-
und Kunstsleißes eines Speyerer Bürgers aus der Zeit vor Zerstörung der Stadt
zugeführt worden.
Im neu zu erbauenden Museum wird dereinst der Glocke eine würdige Auf-
bewahrungsstätte angewiesen werden- einstweilen wurde sie — da bei den gegen-
wärtigen Museumsverhültnissen das Ausstellen der Glocke unmöglich ist — im
provisorischen Lapidarium in der ehemaligen Kavalleriekaserne nntergebracht.
Beschreibung der Glocke.
Die Glocke hat drei ringsum laufende Schristbänder, zwei oben, das dritte
ganz unten am Rande. Oberhalb der zwei obersten Schristbänder ist die Glocke
durch ein hübsches Ornament von stilisierten Tieren (Einhorn) und von Pflanzen-
werk im Geschmack der Renaissance eingefaßt und dicht unterhalb jener zwei Schrift-
bänder umzieht sie ein Fries von kleinen, zierlich gegliederten Rundbogen.
Auf dem obersten Schriftband liest man die Jahrzahl und einen hübschen
deutschen Doppelreim:
(Figur und verziertes liegendes Kreuz) A.IMO - 1624 - DVlllOlll - -
^608 - 100 > N -6 -*) 2 V 80616 - 608 - NI0I-I - N6086j (Verziertes lie-
gendes Kreuz wie am Anfang der Schrift). Das Figürchen, ein nackter Knabe
mit etwas Draperie, hält in der Rechten aufrecht einen Stab mit stilisierter Lilie
*) N. O VV bedeutet wahrscheinlich die Brüder Michael und Georg Weber.
sodaß die gierigen Hände der Sansculotten von ihr Massen mußten. Die befreite
Glocke verblieb an ihrem Platze und diente nun m Edenkoben mehrere Jahrzehnte
hindurch als einzige Glocke in der Stadt allen Bekenntnissen. Darnach kamen wieder
andere Glocken hinzu, und auch zusammen mit diesen, als zweitgrößte des Geläutes
erfüllte sie bis vor wenig Wochen getreulich ihren Beruf.
Nun aber, da die Glocke von l624, deren Inschriften und künstlerischen Schmuck
man im heutigen Edenkoben vergessen hatte oder überhaupt nicht kannte, einfach
mit den andern unbrauchbar gewordenen Glocken zum Schmelzofen verurteilt worden
war, lag sie schon — um dieser Bestimmung zngesührt zu werden — auf einem Eisen-
bahnwagen in der Station Edenkoben, als Bezirksbaumeister Völcker von Landau die
schöne Glocke zufällig sah und daraufhin durch Anrufung des Bezirksamtes Landau
den ersten Schritt zu ihrer Errettung tat. Bor allem wurde die Glocke von ihren
Gefährten getrennt, nämlich wieder ausgeladen und aufs Stadthaus in Edenkoben
verbracht. Auf Anregung des Bezirksamtes wandte sich dann das protestantische
Pfarramt von Edenkoben — da die Kirchengemeinde mit dem Erlös aus dem Erz
der Glocke rechnen muß — an den Historischen Berein
der Pfalz, damit die Glocke von diesem fürs Museum
in Speyer erworben, d. h. vom Glockengießer, in
dessen Besitz sie schon übergegangen war, zurückgekaust
werde. In der Tat wurde vom Ausschuß des Histo-
rischen Vereins der Ankauf der Glocke sogleich als
unabweisbare Notwendigkeit erkannt und beschlossen.
Zunächst fehlten allerdings noch die Mittel zur
Erwerbung. Es war ja ein Betrag von nahezu
1200 Mark hiefür anfzubringen, etwas mehr als
das Presbyterium für die Glocke gelöst hatte- denn
inzwischen war der Preis des Erzes von Mk. 1.35
auf Mk. 1.55 fürs Kilo gestiegen. Aber es fand
sich eine edelmütige Hand in Speyer, die dem Histo-
rischen Verein den ganzen Betrag für die Glocke
und noch ebensoviel für andere Zwecke zur Verfügung
stellte, sodaß damit das einzige Hindernis der Erwerbung beseitigt war. Durch
diese Stiftung ist dem Historischen Museum ein wertvolles Stück des Gewerbe-
und Kunstsleißes eines Speyerer Bürgers aus der Zeit vor Zerstörung der Stadt
zugeführt worden.
Im neu zu erbauenden Museum wird dereinst der Glocke eine würdige Auf-
bewahrungsstätte angewiesen werden- einstweilen wurde sie — da bei den gegen-
wärtigen Museumsverhültnissen das Ausstellen der Glocke unmöglich ist — im
provisorischen Lapidarium in der ehemaligen Kavalleriekaserne nntergebracht.
Beschreibung der Glocke.
Die Glocke hat drei ringsum laufende Schristbänder, zwei oben, das dritte
ganz unten am Rande. Oberhalb der zwei obersten Schristbänder ist die Glocke
durch ein hübsches Ornament von stilisierten Tieren (Einhorn) und von Pflanzen-
werk im Geschmack der Renaissance eingefaßt und dicht unterhalb jener zwei Schrift-
bänder umzieht sie ein Fries von kleinen, zierlich gegliederten Rundbogen.
Auf dem obersten Schriftband liest man die Jahrzahl und einen hübschen
deutschen Doppelreim:
(Figur und verziertes liegendes Kreuz) A.IMO - 1624 - DVlllOlll - -
^608 - 100 > N -6 -*) 2 V 80616 - 608 - NI0I-I - N6086j (Verziertes lie-
gendes Kreuz wie am Anfang der Schrift). Das Figürchen, ein nackter Knabe
mit etwas Draperie, hält in der Rechten aufrecht einen Stab mit stilisierter Lilie
*) N. O VV bedeutet wahrscheinlich die Brüder Michael und Georg Weber.