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Pfeiffer, Thomas
Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit: die internationale Zuständigkeit im Zivilprozess zwischen effektivem Rechtsschutz und nationaler Zuständigkeitspolitik — Frankfurt am Main: Klostermann, 1995

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.49328#0204
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Rechtsstreits durch das Gericht, die dazu führt, daß eine sachkundigere
Befassung möglich ist, kommt nicht lediglich dem Interesse der Parteien
an ihrem Rechtsschutz zugute. Sie läßt sich ebenso als Ausdrucks eines
Gerichtsinteresses daran begreifen, durch effiziente Ressourcenverwen-
dung und umfassende BefriedungsWirkung keine vermeidbaren Schwie-
rigkeiten zu schaffen und eine sachkundige Befassung sicherstellen351.
Außerdem kann die Konzentration der Zuständigkeiten an einem Ge-
richt helfen, die durch widersprechende Entscheidungen möglichen
Friktionen im Interesse einer möglichst universellen Kohärenz der
Rechtsordnung zu vermeiden352. Aus dem mutatis mutandis gleichen
Grund mag auch die Rechtsnähe im Interesse des Gerichts als zuständi-
gem Staatsorgan liegen. Sie kann indes darüberhinaus auch deswegen im
Interesse des Gerichtsstaates liegen, weil - trotz aller Bedenken - ein
Gleichlauf zwischen materiellem Recht und internationaler Zuständig-
keit der Verwirklichung der Zwecke und Wertungen des inländischen
materiellen Rechts dienen kann353. Außerdem mag Gleichlauf immerhin
in einigen Fällen durch die Vermeidung hinkender Rechtsverhältnisse
die Einheit und Kohärenz der rechtlichen Regelung der Lebensverhält-
nisse in einem Staat zu erreichen helfen.
Schließlich können derartige Überlegungen auch bei den übrigen am
Individualinteresse der Parteien ausgerichteten Zuständigkeitserwägun-
gen Geltung beanspruchen. Die Berücksichtigung der Konnexität zwi-
schen verschiedenen Streitigkeiten und der möglichen Anerkennungs-
und Vollstreckungsaussichten und -Bedürfnisse einer Entscheidung trägt
dem staatlichen Interesse an effizientem Einsatz der Gerichte durch Ver-
meidung zumindest in manchen Fällen wirkungsloser Erkenntnisverfah-
ren Rechnung. Zugleich wird einer gegebenenfalls im Wege der Zwangs-
vollstreckung herbeizuführenden Sicherung des Rechtsfriedens gedient.
Eine am politischen Ziel einer funktionierenden Marktwirtschaft ausge-
richtete ökonomische Analyse kann vollstreckbare Titel als „property
rights“ ansehen, deren marktwirtschaftliche Leistungsfähigkeit voraus-
setzen würde, daß sie tatsächlich auch international vollstreckt werden
können. Insofern ist die der Zuständigkeits- und Anerkennungsordnung
des EuGVÜ zugrundeliegende Einschätzung354 zutreffend, ohne umfas-
351 Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 108 f.
352 Vgl. etwa BGH, FamRZ 1990, 1228 (1229).
353 Heidrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, S. 111; ders., FS
Ficker, S. 205 (210 f.); vgl. auch Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 109.
354 Dazu Jenard-Bericht, BT-Drs. VI/1973, 52 (53); Pfeiffer, in: Jickeli/Kotzur/No-
ack/Weber (Hrsg.), Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1991, S. 71 (77).

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