Indessen wird eine wirksame Beschränkung einseitiger, regulativer
oder protektionistischer Zuständigkeitspolitik lediglich dann gelingen,
wenn gezeigt werden kann, daß eine solche Zuständigkeitspolitik mit
den Wertungsgrundlagen unseres Zivilprozesses konfligiert, einen wer-
tungssystematischen Fremdkörper im Prozeßrecht darstellt. Die Rich-
tigkeit dieser These ist aber keineswegs selbstverständlich, sondern be-
darf der Begründung. Welchen Tätigkeitsbereich unsere Gerichte in
Abgrenzung gegenüber der Tätigkeit anderer Staaten wahrnehmen,
könnte sich nämlich auch als Ergebnis außenpolitischer Entscheidungen
legitimieren lassen, die sich nicht in gleichem Maße wie der im nationa-
len Kontext zu führende Prozeß „verrechtsstaatlichen“ lassen9. Die für
diese Untersuchung entscheidende Klärung des Verhältnisses zwischen
politischer Gestaltungsfreiheit und rechtsstaatlicher Bindung im interna-
tionalen Zivilprozeß verlangt also nach Klärung der Vorfrage, ob die gei-
stesgeschichtlichen Grundlagen eines rechtsstaatlichen Verfahrensrechts
trotz der Internationalität der Sachverhalte (und damit möglicherweise
außen- und justizpolitischer Überlagerung ihrer Bewertung) Geltung
beanspruchen. Deren Beantwortung versteht sich zugleich als Teil einer
allgemeinen Tendenz,
„mit einem wissenschaftstheoretisch und ideologiekritisch geschärften Bewußt-
sein die moralischen Grundlagen und Wurzeln der modernen Industriegesell-
schaft und des demokratischen Verfassungsstaates freizulegen und dadurch eine
für ein breites Spektrum politischer Auffassungen tragfähige Verständigungsba-
sis zu finden, die es erlaubt, sowohl irrationalistisch-totalitäre Verblendungen als
auch technokratisch-positivistische Verengungen des rechtsstaatlich-politischen
Handelns abzuwehren“10.
Diese Tendenz kann auch das Recht der internationalen Zuständigkeit
nicht aussparen, weil dieses gleichsam einen wesentlichen Teil der „pro-
zessualen Seite“ des Rechtsverkehrs unter den modernen Gesellschaften
9 Verfassungsdogmatisch drückt sich dies in der im Bereich der Außenpolitik anerkann-
ten gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative aus: BVerfGE 40, 141 (178); 36, 1 (14, 17);
allgemein zur politischen Einschätzungsprärogative der Gesetzgebungsorgane noch
BVerfGE 81, 242 (256); 81, 70 (89); 79, 1 (28); 77, 84 (106 f.); 76, 107 (121 f.); 75, 78 (102);
74, 163 (181 f.); 73, 40 (91 f.); 70, 1 (34); 68, 155 (174); 57, 139 (159); 54, 237 (249 ff.); 50, 290
(333); Grimm, JZ 1976, 697; Ossenbühl, in: Starck, Bundesverfassungsgericht und GG,
458; Schenke, NJW 1979, 1321; zur Bedeutung dieser Einschätzungsprärogative im Bereich
internationaler Urteilsanerkennung schon Pfeiffer, RabelsZ 55 (1991), 734 (762 ff.).
10 Dreier, Recht-Moral-Ideologie, S. 12. Rittner, JZ 1990, 838 (839) spricht deshalb von
solchem Denken richtigerweise deshalb als „dem Sichersten, was wir auf dieser Welt besit-
zen.“
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oder protektionistischer Zuständigkeitspolitik lediglich dann gelingen,
wenn gezeigt werden kann, daß eine solche Zuständigkeitspolitik mit
den Wertungsgrundlagen unseres Zivilprozesses konfligiert, einen wer-
tungssystematischen Fremdkörper im Prozeßrecht darstellt. Die Rich-
tigkeit dieser These ist aber keineswegs selbstverständlich, sondern be-
darf der Begründung. Welchen Tätigkeitsbereich unsere Gerichte in
Abgrenzung gegenüber der Tätigkeit anderer Staaten wahrnehmen,
könnte sich nämlich auch als Ergebnis außenpolitischer Entscheidungen
legitimieren lassen, die sich nicht in gleichem Maße wie der im nationa-
len Kontext zu führende Prozeß „verrechtsstaatlichen“ lassen9. Die für
diese Untersuchung entscheidende Klärung des Verhältnisses zwischen
politischer Gestaltungsfreiheit und rechtsstaatlicher Bindung im interna-
tionalen Zivilprozeß verlangt also nach Klärung der Vorfrage, ob die gei-
stesgeschichtlichen Grundlagen eines rechtsstaatlichen Verfahrensrechts
trotz der Internationalität der Sachverhalte (und damit möglicherweise
außen- und justizpolitischer Überlagerung ihrer Bewertung) Geltung
beanspruchen. Deren Beantwortung versteht sich zugleich als Teil einer
allgemeinen Tendenz,
„mit einem wissenschaftstheoretisch und ideologiekritisch geschärften Bewußt-
sein die moralischen Grundlagen und Wurzeln der modernen Industriegesell-
schaft und des demokratischen Verfassungsstaates freizulegen und dadurch eine
für ein breites Spektrum politischer Auffassungen tragfähige Verständigungsba-
sis zu finden, die es erlaubt, sowohl irrationalistisch-totalitäre Verblendungen als
auch technokratisch-positivistische Verengungen des rechtsstaatlich-politischen
Handelns abzuwehren“10.
Diese Tendenz kann auch das Recht der internationalen Zuständigkeit
nicht aussparen, weil dieses gleichsam einen wesentlichen Teil der „pro-
zessualen Seite“ des Rechtsverkehrs unter den modernen Gesellschaften
9 Verfassungsdogmatisch drückt sich dies in der im Bereich der Außenpolitik anerkann-
ten gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative aus: BVerfGE 40, 141 (178); 36, 1 (14, 17);
allgemein zur politischen Einschätzungsprärogative der Gesetzgebungsorgane noch
BVerfGE 81, 242 (256); 81, 70 (89); 79, 1 (28); 77, 84 (106 f.); 76, 107 (121 f.); 75, 78 (102);
74, 163 (181 f.); 73, 40 (91 f.); 70, 1 (34); 68, 155 (174); 57, 139 (159); 54, 237 (249 ff.); 50, 290
(333); Grimm, JZ 1976, 697; Ossenbühl, in: Starck, Bundesverfassungsgericht und GG,
458; Schenke, NJW 1979, 1321; zur Bedeutung dieser Einschätzungsprärogative im Bereich
internationaler Urteilsanerkennung schon Pfeiffer, RabelsZ 55 (1991), 734 (762 ff.).
10 Dreier, Recht-Moral-Ideologie, S. 12. Rittner, JZ 1990, 838 (839) spricht deshalb von
solchem Denken richtigerweise deshalb als „dem Sichersten, was wir auf dieser Welt besit-
zen.“
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