keitspolitik, sondern um eine Ermittlung, welche Bewertung von Zu-
ständigkeitsinteressen das EuGVÜ vornimmt, um auf diese Weise ausle-
gungsleitende Wertungsgesichtspunkte zu ermitteln.
Außerhalb autonomer und staatsvertraglicher Rechtssetzung tritt
staatliche Zuständigkeitspolitik ohnehin nur gelegentlich zutage. Eine
Ausnahme besteht allerdings in den Verfahren vor dem Europäischen
Gerichtshof zur Auslegung des EuGVÜ, in denen die Vertragsstaaten
Stellungnahmen abgegeben können. Diese Stellungnahmen werden in
der Literatur zum Teil dahin interpretiert, daß die Staaten bei der For-
mulierung ihrer Standpunkte maßgeblich nicht etwa an möglichen eige-
nen Souveränitäts- oder Effizienzwünschen, sondern an den Erforder-
nissen individueller Rechtsverwirklichung sich ausrichten106. Auch wenn
man dies, sofern man dieser Interpretation folgen würde107, als Bestäti-
gung des hier vertretenen Ansatzes verstehen dürfte, kann darauf nicht
weiter aufgebaut werden. Die Kompetenz zur Rechtsauslegung und An-
wendung liegt im gewaltenteiligen Europa nicht bei den Regierungen,
sondern den Gerichten; Regierungsmeinung wird erst dann und ledig-
lich insoweit zur Rechtsquelle, wie sie die verfassungsmäßig hierfür vor-
gesehenen Rechtssetzungsverfahren durchlaufen hat und dadurch zum
Gegenstand der Auslegung wird, deren zuständigkeitsrechtliche Maxi-
men wiederum hier gesucht werden.
Zu beachten ist ferner, daß auch die Auslegungsrelevanz des Pro-
zeßzwecks sich nach dem Kontext der Fragestellung unterscheiden
kann. So mag die Antwort auf die Zweckfrage unterschiedlich ausfallen,
106 Juenger, 82 Mich.L.Rev. (1984), 1195 (1210).
107 Beispielsweise in EuGH, Slg. 1976, 1735, orientiert sich die niederländische Regie-
rung bei ihren Äußerungen zur Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ in der Tat allein an ei-
ner Bewertung von Parteiinteressen. Eine Auseinandersetzung mit weiteren einzelnen Stel-
lungnahmen führt aber zu einer allenfalls differenzierten Zustimmung dieser
Einschätzung; hierfür als typisches Beispiel: In EuGH, Slg. 1976, 1473 (1478 f.) befürwor-
tet die Bundesregierung eine autonome Auslegung des Begriffs Erfüllungsort in Art. 5
Nr. 3 EuGVÜ im Hinblick auf dessen „integrationspolitische Bedeutung“ (ebenso z.B.
EuGH, Slg. 1976, 1541 [1546]); indessen schimmern allenthalben die „hinter“ diesem Ziel
stehenden individuellen Rechtsschutzinteressen (etwa: Vermeidung negativer Kompetenz-
konflikte; Gleichbehandlung der Parteien) durch die Stellungnahme durch. In EuGH, Slg.
1976, 1497 (1502 f), wendet sich die Stellungnahme des Vereinigten Königreichs gerade ge-
gen diese integrative Wirkung; doch beruht dies vor allem auf dem Wunsch nach sachge-
rechter Abgrenzung von internationalem Privat- und Prozeßrecht - ein Ziel, das sich (auch
wenn man die von der Regierung des Vereinigten Königreichs gezogene Konsequenz nicht
teilen mag) am besten aus der auch hier vertretenen Einschätzung erklären läßt, internatio-
nalprivatrechtliche und internationalprozeßrechtliche Gerechtigkeitswertungen seien
nicht notwendig gleich.
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ständigkeitsinteressen das EuGVÜ vornimmt, um auf diese Weise ausle-
gungsleitende Wertungsgesichtspunkte zu ermitteln.
Außerhalb autonomer und staatsvertraglicher Rechtssetzung tritt
staatliche Zuständigkeitspolitik ohnehin nur gelegentlich zutage. Eine
Ausnahme besteht allerdings in den Verfahren vor dem Europäischen
Gerichtshof zur Auslegung des EuGVÜ, in denen die Vertragsstaaten
Stellungnahmen abgegeben können. Diese Stellungnahmen werden in
der Literatur zum Teil dahin interpretiert, daß die Staaten bei der For-
mulierung ihrer Standpunkte maßgeblich nicht etwa an möglichen eige-
nen Souveränitäts- oder Effizienzwünschen, sondern an den Erforder-
nissen individueller Rechtsverwirklichung sich ausrichten106. Auch wenn
man dies, sofern man dieser Interpretation folgen würde107, als Bestäti-
gung des hier vertretenen Ansatzes verstehen dürfte, kann darauf nicht
weiter aufgebaut werden. Die Kompetenz zur Rechtsauslegung und An-
wendung liegt im gewaltenteiligen Europa nicht bei den Regierungen,
sondern den Gerichten; Regierungsmeinung wird erst dann und ledig-
lich insoweit zur Rechtsquelle, wie sie die verfassungsmäßig hierfür vor-
gesehenen Rechtssetzungsverfahren durchlaufen hat und dadurch zum
Gegenstand der Auslegung wird, deren zuständigkeitsrechtliche Maxi-
men wiederum hier gesucht werden.
Zu beachten ist ferner, daß auch die Auslegungsrelevanz des Pro-
zeßzwecks sich nach dem Kontext der Fragestellung unterscheiden
kann. So mag die Antwort auf die Zweckfrage unterschiedlich ausfallen,
106 Juenger, 82 Mich.L.Rev. (1984), 1195 (1210).
107 Beispielsweise in EuGH, Slg. 1976, 1735, orientiert sich die niederländische Regie-
rung bei ihren Äußerungen zur Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ in der Tat allein an ei-
ner Bewertung von Parteiinteressen. Eine Auseinandersetzung mit weiteren einzelnen Stel-
lungnahmen führt aber zu einer allenfalls differenzierten Zustimmung dieser
Einschätzung; hierfür als typisches Beispiel: In EuGH, Slg. 1976, 1473 (1478 f.) befürwor-
tet die Bundesregierung eine autonome Auslegung des Begriffs Erfüllungsort in Art. 5
Nr. 3 EuGVÜ im Hinblick auf dessen „integrationspolitische Bedeutung“ (ebenso z.B.
EuGH, Slg. 1976, 1541 [1546]); indessen schimmern allenthalben die „hinter“ diesem Ziel
stehenden individuellen Rechtsschutzinteressen (etwa: Vermeidung negativer Kompetenz-
konflikte; Gleichbehandlung der Parteien) durch die Stellungnahme durch. In EuGH, Slg.
1976, 1497 (1502 f), wendet sich die Stellungnahme des Vereinigten Königreichs gerade ge-
gen diese integrative Wirkung; doch beruht dies vor allem auf dem Wunsch nach sachge-
rechter Abgrenzung von internationalem Privat- und Prozeßrecht - ein Ziel, das sich (auch
wenn man die von der Regierung des Vereinigten Königreichs gezogene Konsequenz nicht
teilen mag) am besten aus der auch hier vertretenen Einschätzung erklären läßt, internatio-
nalprivatrechtliche und internationalprozeßrechtliche Gerechtigkeitswertungen seien
nicht notwendig gleich.
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