überhand, so bliebe das Ideal autonomer Zuständigkeitsgerechtigkeit
zwar erstrebenswert und könnte vom Gesetz (theoretisch) weiterhin zu-
grundegelegt werden. Praktisch indessen wäre es weithin ausgehöhlt,
woran die Gestaltung des Zuständigkeitsrechts nicht vorbeigehen könn-
te. Denn ein weitgehend auf Notzuständigkeiten gestütztes Zuständig-
keitssystem kollidierte insbesondere mit dem Prinzip der Rechtsweg-
klarheit. Ebenso praktisch kann allerdings derzeit festgestellt werden,
daß zu solcher Befürchtung kein Anlaß besteht213. Und im Bereich des
Zivilrechtsverkehrs mit Staaten der Europäischen Gemeinschaft ist diese
Feststellung EG-vertraglich abgesichert214. An unserem generellen Be-
fund ändert sich also durch diese Einschränkung nichts:
Zuständigkeitsgerechtigkeit im eigentlichen Sinne des Wortes wird
durch das Modell autonomer Zuständigkeitsgerechtigkeit erst möglich.
Mit diesem Befund kann allerdings weder ausgeschlossen werden, daß
die ordnungspolitische Relevanz einer Norm deren Hinüberwirken in das
Zuständigkeitsrecht erfordert, noch kann aber andererseits für bestimmte
Fälle ein Hinüberwirken des materiellen Rechts in das Zuständigkeitsrecht
a priori angenommen werden. Doch zeigt sich in den vorstehenden Über-
legungen ein wertungsystematisches Regel-Ausnahme-Verhältnis, das ins-
besondere Bedeutung für die Verteilung von Argumentationslasten hat215:
Die Hintanstellung spezifisch zuständigkeitsrechtlicher Erwägungen zu-
gunsten eines bestimmten Regelungsmodells muß demnach als (ein im
Einzelfall hinnehmbarer) Eingriff in das Prinzip der Zuständigkeitsgerech-
tigkeit konzipiert werden216. Wegen der Leitbildwirkung des Modells auto-
nomer Zuständigkeitsgerechtigkeit bedarf indes ein solches Hinüberwir-
ken des materiellen Rechts in das Zuständigkeitsrecht jeweils besonderer
Begründung und Rechtfertigung.
213 Ähnliche Erwägungen hat im internationalprivatrechtlichen Zusammenhang Schu-
rig, Kollisionsnorm und Sachrecht, S. 276, 351 f., angestellt. Das (von ihm „re-konstruier-
te“ klassische IPR) setze keineswegs Austauschbarkeit der materiellen Zivilrechtsordnun-
gen voraus, sondern lege sie lediglich insoweit zugrunde, als sie tatsächlich bestehe, was in
einem „sehr weiten Feld“ der Fall sei.
214 Zur Kompatibilität der Zivilrechtsordnungen der EG-Staaten Müller-Graff, FS Bör-
ner, S. 303 (307); ders., NJW 1993, 13.
2,5 Sie wird günstigerweise durch das Gesetz selbst wahrgenommen, zu den Parallel-
problemen im IPR Sonnenberger, in: MünchKommBGB, Einl. v. § 3 EGBGB, Rz. 30 ff.,
vor allem Rz. 41.
216 So andeutungsweise auch schon v. Hoffmann, IPRax 1982, 217 (218) anhand des Ver-
hältnisses zwischen ausschließlicher inländischer Zuständigkeit und Anerkennung ausländi-
scher Entscheidungen: „Wenn mit einem geringeren Eingriff in die internationale Freizügig-
keit von Urteilen der gleiche Schutz inländischer öffentlicher Interessen erzielt werden kann,
so ist es exorbitant, ausschließliche internationale Zuständigkeit zu beanspruchen.“
380
zwar erstrebenswert und könnte vom Gesetz (theoretisch) weiterhin zu-
grundegelegt werden. Praktisch indessen wäre es weithin ausgehöhlt,
woran die Gestaltung des Zuständigkeitsrechts nicht vorbeigehen könn-
te. Denn ein weitgehend auf Notzuständigkeiten gestütztes Zuständig-
keitssystem kollidierte insbesondere mit dem Prinzip der Rechtsweg-
klarheit. Ebenso praktisch kann allerdings derzeit festgestellt werden,
daß zu solcher Befürchtung kein Anlaß besteht213. Und im Bereich des
Zivilrechtsverkehrs mit Staaten der Europäischen Gemeinschaft ist diese
Feststellung EG-vertraglich abgesichert214. An unserem generellen Be-
fund ändert sich also durch diese Einschränkung nichts:
Zuständigkeitsgerechtigkeit im eigentlichen Sinne des Wortes wird
durch das Modell autonomer Zuständigkeitsgerechtigkeit erst möglich.
Mit diesem Befund kann allerdings weder ausgeschlossen werden, daß
die ordnungspolitische Relevanz einer Norm deren Hinüberwirken in das
Zuständigkeitsrecht erfordert, noch kann aber andererseits für bestimmte
Fälle ein Hinüberwirken des materiellen Rechts in das Zuständigkeitsrecht
a priori angenommen werden. Doch zeigt sich in den vorstehenden Über-
legungen ein wertungsystematisches Regel-Ausnahme-Verhältnis, das ins-
besondere Bedeutung für die Verteilung von Argumentationslasten hat215:
Die Hintanstellung spezifisch zuständigkeitsrechtlicher Erwägungen zu-
gunsten eines bestimmten Regelungsmodells muß demnach als (ein im
Einzelfall hinnehmbarer) Eingriff in das Prinzip der Zuständigkeitsgerech-
tigkeit konzipiert werden216. Wegen der Leitbildwirkung des Modells auto-
nomer Zuständigkeitsgerechtigkeit bedarf indes ein solches Hinüberwir-
ken des materiellen Rechts in das Zuständigkeitsrecht jeweils besonderer
Begründung und Rechtfertigung.
213 Ähnliche Erwägungen hat im internationalprivatrechtlichen Zusammenhang Schu-
rig, Kollisionsnorm und Sachrecht, S. 276, 351 f., angestellt. Das (von ihm „re-konstruier-
te“ klassische IPR) setze keineswegs Austauschbarkeit der materiellen Zivilrechtsordnun-
gen voraus, sondern lege sie lediglich insoweit zugrunde, als sie tatsächlich bestehe, was in
einem „sehr weiten Feld“ der Fall sei.
214 Zur Kompatibilität der Zivilrechtsordnungen der EG-Staaten Müller-Graff, FS Bör-
ner, S. 303 (307); ders., NJW 1993, 13.
2,5 Sie wird günstigerweise durch das Gesetz selbst wahrgenommen, zu den Parallel-
problemen im IPR Sonnenberger, in: MünchKommBGB, Einl. v. § 3 EGBGB, Rz. 30 ff.,
vor allem Rz. 41.
216 So andeutungsweise auch schon v. Hoffmann, IPRax 1982, 217 (218) anhand des Ver-
hältnisses zwischen ausschließlicher inländischer Zuständigkeit und Anerkennung ausländi-
scher Entscheidungen: „Wenn mit einem geringeren Eingriff in die internationale Freizügig-
keit von Urteilen der gleiche Schutz inländischer öffentlicher Interessen erzielt werden kann,
so ist es exorbitant, ausschließliche internationale Zuständigkeit zu beanspruchen.“
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