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Pfeiffer, Thomas
Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit: die internationale Zuständigkeit im Zivilprozess zwischen effektivem Rechtsschutz und nationaler Zuständigkeitspolitik — Frankfurt am Main: Klostermann, 1995

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.49328#0425
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muß unter Berücksichtigung dessen entschieden werden, was nach Ge-
setz und Umständen des Falles richtig und angemessen ist und von Ver-
nunft und dem richterlichen Streben nach einem gerechten Ergebnis ge-
tragen wird65, was auf das Fehlen echten, diskretionären Ermessens und
das Vorliegen einer rechtlich konkretisierbaren Bindung hindeutet. Je-
denfalls zeigt sich, daß die bloße Gleichsetzung von „discretion“ und
Ermessen nicht problemadäquat ist und daß es deswegen genauerer Un-
tersuchung bedarf, in welchem Umfang forum non conveniens echtes
Ermessen einräumt bzw. inwieweit es lediglich um die Konkretisierung
unbestimmter Rechtsbegriffe geht66.
Die konkrete Betrachtung des Maßstabs dieser Doktrin weist allerdings
in eine andere Richtung als die zuvor wiedergegebene gängige Definition.
Dabei erscheinen fünf Umstände als maßgeblich, nämlich der Begrün-
dungszusammenhang, in dem der Begriff „discretion“ typischerweise ver-
wendet wird, das Fehlen einer festen Regel, die eingeschränkte Bindung an
Präjudizien, der abgesenkte Kontrollstandard in der höheren Instanz so-
wie die ungleichmäßige Anwendung in gleichartigen Fällen67.
Zunächst fällt ins Gewicht, daß die Einräumung von „discretion“ re-
gelmäßig dann betont wird, wenn, um eine volle Justiziabilität der Dok-
trin zu erreichen, eigentlich die Definition eines Standards geboten wä-
re68. Anstelle einer Regel wird dann jedoch regelmäßig die „discretion“
des Gerichts betont, und es werden lediglich einzelne Faktoren für die
gerichtliche „discretion“ aufgezählt69. Das Nichtvorhandensein einer
65 „(A) discretion exercised not arbitrarily or wilfully, but with regard to what is right
and equitable under the circumstances and the law, and directed by reason and conscience
of a just result“, z.B. Langnes v. Green, 282 U.S. 531 (541); ebenso Berger, RabelsZ 37
(1977), 39 (50); Gilbert, 65 Ky.L.J. (1976), 1 (10, Fn. 40); ähnlich auch Barret, 35 Calif. L.
Rev. (1947), 380 (402 f.); Scoles/Hay, § 11.9, S. 374.
66 Zur Unklarheit des Begriffs „discretion“ in Abgrenzung von der Frage nach dem
maßgeblichen Kontrollstandard in der Rechtsmittelinstanz Friendly, 31 Emory LJ. (1982),
747 (754 f.); siehe auch Barret, 35 Cahf.L.Rev. (1947), 380 (402): „Meaning must be given to
the phrase.“
67 Wegen eines Überblicks zum ganzen etwa Wahl, Verfehlte internationale Zuständig-
keit, S. 95 ff., 108 ff..
68 Z.B. GulfOil Corp. v. Gilbert, 330 U.S. 501 (508), 67 S.Ct. 839, 91 L.Ed. 1055; Piper
Aircraft Co. v. Reyno, 454 U.S. 235 (249 f.), 102 S.Ct. 252, 70 L.Ed.2d 419
69 Gulf Oil Corp. v. Gilbert, 330 U.S. 501 (508 ff.), 67 S.Ct. 839, 91 L.Ed. 1055; Leh-
mann v. Humphrey Cayman, Ltd., Ltd., 713 F.2d 339; Barret, 35 Calif. L.Rev. (1947), 380
(410 ff.); Berger, RabelsZ 37 (1977), 39 (51); Brilmayer, Jurisdiction, S. 147 f.; Ehren-
zweig/Jayme, Priv. Intern‘1 L. II, S. 38; James/Hazard, Civil Procedure, § 2.20, S. 87 ff.;
Note, 73 Harv.L.Rev. (1959), 909 (1010 f.); Sandage, 94 Yale LJ. (1985), 1693 (1708 ff.);
Scoles/Hay, Conflicts, § 11.9, S. 375; Siegel, Conflicts, S. 149; Wahl, Verfehlte Internationa-
le Zuständigkeit, S. 70 ff..

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