Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfeiffer, Thomas
Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit: die internationale Zuständigkeit im Zivilprozess zwischen effektivem Rechtsschutz und nationaler Zuständigkeitspolitik — Frankfurt am Main: Klostermann, 1995

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.49328#0671
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
sind. Für die Angemessenheit des Vermögensgerichtsstands ergibt sich
daher aus dem „Selbstregulierungsargument“ nichts, was die Vorschrift
verfassungsrechtlich retten könnte.
9. Gesamtabwägung - Ideal und „rauhe Wirklichkeit“
§ 23 S. 1, 1. Alt. ZPO geht über die verfassungsrechtlichen Grenzen
deutscher internationaler Zuständigkeit hinaus und greift in den An-
spruch des Beklagten auf Freiheit von exorbitanter Justiz ein. Nachdem
keiner der zur Rechtfertigung dieses Eingriffs vorgebrachten Einzel-
gründe überzeugen konnte, bedarf es allerdings noch einer zusätzlichen
Gesamtabwägung. Denn es könnte sein, daß zwar diese Gründe jeweils
für sich den Vermögensgerichtsstand nicht rechtfertigen, daß aber im
Rahmen einer Gesamtbetrachtung eine solche Rechtfertigung gelingt.
Geirner*22 erkennt hierzu zwar das Ideal einer gerechten Gestaltung der
internationalen Zuständigkeit an, meint aber, es halte der „rauhe(n)
Wirklichkeit“ nicht stand, weil Kooperation bei der Urteilsanerkennung
nicht stattfinde. Der effektive Zugriff auf inländisches Vermögen sei an-
gesichts der Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten bei Anerkennung und
Vollstreckung ausländischer Titel unverzichtbar.
Zunächst beruht diese Einschätzung auf der bislang gängigen, aller-
dings verfehlten Praxis inkooperativer Reziprozität bei § 328 I Nr. 5
ZPO422 423 und stellt sich bei zutreffender Interpretation des Gegenseitig-
keitskriteriums nicht in gleicher Weise. Überdies kann die Gegenüber-
stellung von „Ideal“ und „rauhe(r) Wirklichkeit“ allenfalls bedeuten,
daß hier zwei Prinzipien konfligieren. Auf der einen Seite steht das Prin-
zip der Zuständigkeitsgerechtigkeit, auf der anderen Seite das Prinzip
der typisierenden, also am Prinzip der Zuständigkeitsklarheit orientier-
ten, Umsetzung eines bestimmten inländischen Rechtsschutzbedürfnis-
ses. Geht es also um zwei konfligierende Prinzipien von Verfassungs-
rang, so kann eine zulässige Lösung keinesfalls darin bestehen, einem
Prinzip absoluten Vorrang zu geben. Einen solchen absoluten Vorrang
räumt indessen der Vermögensgerichtsstand im Ergebnis ein, weil er die
Anforderungen an den Inlandsbezug des Rechtsstreits gegen Null ten-
dieren läßt und die inländische Zuständigkeit nicht ansatzweise und
auch nicht im Rahmen einer (zulässigen) Typisierung an das von der
422 JZ 1984, 979; ferner Schack, YZN1S, § 8 I 1 c, Rz. 195.
423 Dazu schon oben § 9 D II und 10 E III 5 b.

641
 
Annotationen