SCHWÄBISCHE UND OBERRHEINISCHE FIGURENPLASTIK
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richtig daran erinnert, daß der Kreuzträger in Visionen
gesehen wurde und daß man gerade im 14. Jhh. Heilig-
kreuzkirchen (Gmünd!) zu bauen begann. Das war
aber die mystische Epoche, die auch aus der Abend-
mahlsdarstellung die Gruppe des Hl. Herzens heraus-
löste. Nach und um 1400 herrscht ein anderer Geist.
Die hier gewonnenen Nüancen sind nur Teil-
spiegelungen. Eine andersartige Gruppe von Werken,
zu der eine gute Madonna in Frankfurter Priv.-Besitz
und eine noch bessere der Slg. Oertel gehört, scheint
mir in einer noch nicht lange erworbenen oberschwä-
bischen Heiligen mit Buch des Kais. Friedr. Museums
zu gipfeln (Abb. 173). Im Reichtum der Biegungen,
der verwickelten Auswiegung, selbst im Ethos eine
leise Verwandtschaft mit den „Schönen Madonnen“.
Der vollere Ausdruck des Gesichtes hebt sie von den
rheinischen (s. unten), der abweichende Charakter aller
Einzelheiten von den schlesisch-böhmischen Werken
ab. — Eine interessante Gruppe von Werken in der
Gegend der Hohenzollerschen Lande hat Weise zu-
sammengestellt. Es sind vor allem eine Reihe von
Figuren in Poltringen, die ihm zu einer Schule Zusam-
mengehen. Die Stufe z.T. etwa die des Trochtelfinger
Meisters; dies gilt wenigstens von Maria und Johan-
nes in Poltringen selbst (Weise, Abb. 28/29). Nach
den Abbildungen hat mich die Anordnung durch den
verdienstvollen Forscher nicht überall überzeugen
können. Die entsprechenden Figuren in Sulzau (Weise
31, 32) sehen schon wieder recht anders aus. Die
Poltringer haben eine eigentümliche Schärfe in der
Gesichtsform, die, verbunden mit länglichen Propor-
tionen der Stimmung, noch einen für mein Gefühl
andersartigen Klang verleiht. Die Zusammenstellung
der Marienköpfe von der Poltringer Trauernden und
der Rexinger Pietä offenbart die Schärfung des Line-
aren bei der ersteren ziemlich deutlich — fast auf den
Eriskircher vorbereitend. Die Weildorfer und Bisingei
stehen, angeregt durch das Horber Importwerk, unter
besonderen Bedingungen. Litt.: Volbach, Berl.Museen
XLI, S. 134ff. — Demmler, Kat. Oertel, Taf. 4,5. —
Inv. Württ. Donaukr. I, S. 195 (Rottacker). — Amt
172. Gruppe Trauernder aus Mittelbiberach, Berlin,
K. Fr. Mus. Phot. Staatl. Bildstelle, Berlin.
Bibrach S. 128, 224. — Schmitt-Swarzenski (Frankf.
Priv. Bes.), Abb. 34. — Weise, D. got. Holzpl. u. Rottenburg usw., Abb. 10—47. — Schwäbisch aus unserer
Epoche auch die Katharina des Aachener Suermondt-Museums (Kat. Schweitzer, Taf. 24).
Nur Weniges ist in dieser Epoche vom Oberrhein zu erwähnen. Das feinste Kleinwerk der Schnitzkunst dort
die hl. Familie aus Mutzig (Kais. Friedr. Mus.), (Abb. 174). Selbst in dieser reichen Zeit steht die entzückende Deut-
lichkeit der Szene zwischen Mutter und Kind (mit der Wärterin) und der stille Schwung im Joseph fast einzig da.
Wieviel muß uns hier verloren gegangen sein! Auch der Johannes aus Molsheim (Phot. Stoedtner 116, 793) von
delikater Schönheit. Unter den Grabmäiern die von Rotteln (Kr. Lörrach, Taf. V) hervorzuheben. Markgraf Rudolf
(t 1428) und Anna v. Freiburg (t 1411).
In den Grabmäiern des eigentlichen Schwaben ist die Stammesart wohl auch zu spüren,
doch liegt der Hauptton nicht auf ihnen.
Das Kirchberggrabmal, obwohl von einer Bauhütte geliefert, fügte sich mit seinem fein betonten Gefühl
für das Junge und Zarte jener sehr gut ein. Vergleicht man das Kaisheimer Denkmal des 1296 gestorbenen Weih-
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richtig daran erinnert, daß der Kreuzträger in Visionen
gesehen wurde und daß man gerade im 14. Jhh. Heilig-
kreuzkirchen (Gmünd!) zu bauen begann. Das war
aber die mystische Epoche, die auch aus der Abend-
mahlsdarstellung die Gruppe des Hl. Herzens heraus-
löste. Nach und um 1400 herrscht ein anderer Geist.
Die hier gewonnenen Nüancen sind nur Teil-
spiegelungen. Eine andersartige Gruppe von Werken,
zu der eine gute Madonna in Frankfurter Priv.-Besitz
und eine noch bessere der Slg. Oertel gehört, scheint
mir in einer noch nicht lange erworbenen oberschwä-
bischen Heiligen mit Buch des Kais. Friedr. Museums
zu gipfeln (Abb. 173). Im Reichtum der Biegungen,
der verwickelten Auswiegung, selbst im Ethos eine
leise Verwandtschaft mit den „Schönen Madonnen“.
Der vollere Ausdruck des Gesichtes hebt sie von den
rheinischen (s. unten), der abweichende Charakter aller
Einzelheiten von den schlesisch-böhmischen Werken
ab. — Eine interessante Gruppe von Werken in der
Gegend der Hohenzollerschen Lande hat Weise zu-
sammengestellt. Es sind vor allem eine Reihe von
Figuren in Poltringen, die ihm zu einer Schule Zusam-
mengehen. Die Stufe z.T. etwa die des Trochtelfinger
Meisters; dies gilt wenigstens von Maria und Johan-
nes in Poltringen selbst (Weise, Abb. 28/29). Nach
den Abbildungen hat mich die Anordnung durch den
verdienstvollen Forscher nicht überall überzeugen
können. Die entsprechenden Figuren in Sulzau (Weise
31, 32) sehen schon wieder recht anders aus. Die
Poltringer haben eine eigentümliche Schärfe in der
Gesichtsform, die, verbunden mit länglichen Propor-
tionen der Stimmung, noch einen für mein Gefühl
andersartigen Klang verleiht. Die Zusammenstellung
der Marienköpfe von der Poltringer Trauernden und
der Rexinger Pietä offenbart die Schärfung des Line-
aren bei der ersteren ziemlich deutlich — fast auf den
Eriskircher vorbereitend. Die Weildorfer und Bisingei
stehen, angeregt durch das Horber Importwerk, unter
besonderen Bedingungen. Litt.: Volbach, Berl.Museen
XLI, S. 134ff. — Demmler, Kat. Oertel, Taf. 4,5. —
Inv. Württ. Donaukr. I, S. 195 (Rottacker). — Amt
172. Gruppe Trauernder aus Mittelbiberach, Berlin,
K. Fr. Mus. Phot. Staatl. Bildstelle, Berlin.
Bibrach S. 128, 224. — Schmitt-Swarzenski (Frankf.
Priv. Bes.), Abb. 34. — Weise, D. got. Holzpl. u. Rottenburg usw., Abb. 10—47. — Schwäbisch aus unserer
Epoche auch die Katharina des Aachener Suermondt-Museums (Kat. Schweitzer, Taf. 24).
Nur Weniges ist in dieser Epoche vom Oberrhein zu erwähnen. Das feinste Kleinwerk der Schnitzkunst dort
die hl. Familie aus Mutzig (Kais. Friedr. Mus.), (Abb. 174). Selbst in dieser reichen Zeit steht die entzückende Deut-
lichkeit der Szene zwischen Mutter und Kind (mit der Wärterin) und der stille Schwung im Joseph fast einzig da.
Wieviel muß uns hier verloren gegangen sein! Auch der Johannes aus Molsheim (Phot. Stoedtner 116, 793) von
delikater Schönheit. Unter den Grabmäiern die von Rotteln (Kr. Lörrach, Taf. V) hervorzuheben. Markgraf Rudolf
(t 1428) und Anna v. Freiburg (t 1411).
In den Grabmäiern des eigentlichen Schwaben ist die Stammesart wohl auch zu spüren,
doch liegt der Hauptton nicht auf ihnen.
Das Kirchberggrabmal, obwohl von einer Bauhütte geliefert, fügte sich mit seinem fein betonten Gefühl
für das Junge und Zarte jener sehr gut ein. Vergleicht man das Kaisheimer Denkmal des 1296 gestorbenen Weih-