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Dritter Th eil.
Beyspiele des guten Geschmacks.
Erstes Rapitel.
Betrachtungen über die Zeichnung
Raphaels/ Corregio und Titians, und
nach was für Gründen sie ihre Wahl
einrichteten.
Raphael war sich nicht allezeit gleich; er
sieng auch in der Kunst zuerst mit Lallen an, ehe
er seine Gedanken recht aussprechen konnte. In-
dessen hatte er das Glück zu einer Zeit gebohren zu
werden, da die Kunst noch in ihrer wahren Unschuld
und Kindheit war. Er machte also damit den Am
fang, daß er die reine Wahrheit nachahmte. Hier-
durch erlangte er ein sehr richtiges Augenmaaß, wel-
ches ihm in der Folge zum Grundstein diente, wor-
auf er sein herrliches Kunstgebäude aufführte. Da-
mals aber wußte er noch nicht, daß man wählen
könne, bis er endlich die Werke des Leonardo da
Vinci und Michael Angelo zu Florenz zu sehen
bekam. Hier erwachte sein großes Genie, und sein
erhabner Geist ließ sich nicht länger mehr durch die
engen
Dritter Th eil.
Beyspiele des guten Geschmacks.
Erstes Rapitel.
Betrachtungen über die Zeichnung
Raphaels/ Corregio und Titians, und
nach was für Gründen sie ihre Wahl
einrichteten.
Raphael war sich nicht allezeit gleich; er
sieng auch in der Kunst zuerst mit Lallen an, ehe
er seine Gedanken recht aussprechen konnte. In-
dessen hatte er das Glück zu einer Zeit gebohren zu
werden, da die Kunst noch in ihrer wahren Unschuld
und Kindheit war. Er machte also damit den Am
fang, daß er die reine Wahrheit nachahmte. Hier-
durch erlangte er ein sehr richtiges Augenmaaß, wel-
ches ihm in der Folge zum Grundstein diente, wor-
auf er sein herrliches Kunstgebäude aufführte. Da-
mals aber wußte er noch nicht, daß man wählen
könne, bis er endlich die Werke des Leonardo da
Vinci und Michael Angelo zu Florenz zu sehen
bekam. Hier erwachte sein großes Genie, und sein
erhabner Geist ließ sich nicht länger mehr durch die
engen