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Meister des
Frankfurter Paradiesgärtleins
DAS PARADIESGÄRTLEIN

Das Bild aus der Sammlung des Frankfurter Konditormeisters Valen-
tin Prehn hat eine Reihe von Deutungsversuchen seines noch nicht
endgültig geklärten Inhaltes erfahren.
Vor der Madonna, die in einem Buche liest, sitzt die Heilige Katharina von
Alexandrien (Cäcilie, Magdalena ?) und hält das Psalterium, auf dem das
Christuskind spielt. Die Heilige Dorothea pflückt Kirschen vom „Lebens-
baum“, vor ihr schöpft die Heilige Barbara (Martha ?) mit einem goldenen
Schöpflöffel Wasser aus dem „Brunnen des Lebens“. Diesen drei Frauen
gegenüber erscheint eine Gruppe von drei Männern. Der Sitzende, mit einem
kleinen Teufel zu seinen Füßen, ist der Erzengel Michael. Der reich Geklei-
dete könnte der Heilige Georg sein, denn neben ihm liegt auf dem Rücken
ein Drache. — Eine andere Deutung sagt, daß der Ritter, Fremdling in die-
sem Garten, durch den Erzengel Michael geleitet, die Himmelskönigin mit
ihrem Hofstaat schaut (Hartlaub). — Der Jüngling, der sich an den „Baum
der Erkenntnis“ — der dem „Baum des Lebens“ gegenübersteht — lehnt, ist
als Heiliger Bavo und neuerdings als Heiliger Sebastian angesehen worden
(Münzel). Die Fülle der Blumen im Garten des Paradieses, der Baum mit
den sich umschlingenden Stämmen, wie der Baumstamm mit dem aufge-
pfropften jungen Reis sind Träger symbolischer Bedeutungen. Eine Mauer
umschließt den Garten (hortus conclusus).
Weil das Paradiesgärtlein aus Frankfurter Besitz stammt, hat man vermutet,
daß es in dieser Gegend entstanden sei. Später ist Köln als Ursprungsort an-
gegeben worden (Passavant). Im Jahre 1926 wurde von Futterer bestätigt,
daß das Werk die Arbeit eines Oberrheinischen Meisters ist, nachdem schon
Forscher vor ihr eine Herkunft vom Oberrhein vermutet hatten. Sie er-
kannte den Altar aus Kloster Tennenbach im Breisgau als ein Werk gleichen
Stiles. Mit diesem Fund, wie mit dem später von Futterer veröffentlichten
Gemälde „Maria und Joseph im Gemach“ (Straßburg, St. Marx), das sicher
zu der gleichen Gruppe gehört, wurde das Entstehungsgebiet umgrenzt. Bis
zu der Arbeit von Futterer galt nur die Solothurner „Maria im Rosenhag“
als Werk des Meisters des Frankfurter Paradiesgärtleins. Dem von der fran-
zösischen Miniaturmalerei abhängigen und in der kleinen Tafel des „Para-
diesgärtleins“ auch miniaturhaft malenden Meister oder seiner engsten Um-
gebung sind außer einer „Verkündigung“ in Privatbesitz, Winterthur, noch
fünf Holzschnitte zugewiesen und weitere namhaft gemacht worden, die im
Umkreis des Malers am Oberrhein entstanden sein mögen (Bauch).
Ein Fragment einer fast getreuen Reliefkopie, das etwa das untere Drittel
des Bildes zeigt, befindet sich im Victoria und Albert-Museum, London.
Um 1410.
Tempera auf Holz. Höhe 26 cm, Breite 33 cm.
Aus dem Prehn’schen Kabinett, 1839 von der Stadt übernommen, 1877 dem
Historischen Museum übergeben.
Inv.: Pr. 55.
Zur Zeit als Leihgabe im Städelschen Kunstinstitut.

Literatur: (Passavant), Gemäldeverzeichnis Prehn, 1843, S. 9, Nr. 55 (Werk des Kölner Dombildmeisters). — Krug, Beschreibung
von Frankfurt, 1845, S. 250 (Werk des Kölner Dombildmeisters). — Grotefend, 1881, S. 255, 262. — Gebhardt, Der Meister des
Paradiesgärtleins, in: Repertorium für Kunstwissenschaft, 28. Bd., 1905, S. 28 ff. ■—■ Simon, Studien zur Altfrankfurter Malerei, in:
Repertorium für Kunstwissenschaft, 34. Bd., 1911, S. 349. — Ilse Futterer, Eine Gruppe oberrheinischer Tafelbilder des 15. Jahr-
hunderts, in: Oberrheinische Kunst, 2. Bd., 1926/27, S. 21 f. — Bauch, Holzschnitte vom Meister des Frankfurter Paradiesgärt-
leins, in: Oberrheinische Kunst, 5. Bd., [1932], S. 161 f. — v. Holst, Eine bürgerliche Sammlung altdeutscher und zeitgenössischer
Meister aus dem 18. Jahrhundert, in: Kunst- und Antiquitäten-Rundschau, Bd. 41, 1933, S. 97 und 99. — Hartlaub, Das Paradies-
gärtlein von einem oberrheinischen Meister um 1410, Der Kunstbrief, 1947. — Fischei, Über die Herkunft des Frankfurter „Para-
diesgärtleins“, in: Beiträge für Georg Swarzenski, 1951, S. 85 ff. — Münzel, Das Frankfurter Paradiesgärtlein, in: Das Münster,
9. Jg., Heft 1/2, 1956, S. 14 ff. — Panofsky, Early Netherlandish Painting, Havard University Press, Cambridge, Mass. 1953, S. 67,
S. 182. — Stange, Deutsche Malerei der Gotik, 4. Bd., 1951, S. 62 f. Abb. 87. (Nur ein Teil der wichtigsten Literatur.)

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