daß andere stets bestimmte zivilisatorisch unerwünschte Verhaltungsweisen
einschlagen, die gewöhnlich durch Dressur unterdrückt werden. Nun, in
diesem Sinne wird man sagen können, daß entsprechend den allgemeinen Zügen
von Verwandtschaft mit primitiven Seelenzuständen auch in den Bildwerken
unserer Sträflinge sich primitive Züge und deutliche Ähnlichkeiten mit ge-
wissen primitiven Kunstwerken finden. Sowohl in der Motivwahl wie in der
Ausführung, in der Nei gung zum Tatuieren wie in der Bilderschrift. Die
zivilisatorische Oberschicht wird nicht unbedingt gepflegt und innegehalten,
die primitiveren Verhaltungsweisen brechen, noch häufiger als in der Volks-
kunst sonst, gern durch.
Mit der Kinderkunst können wir weniger in der Motivwahl als in der
ungeübten Ausführung einige Paralleler scheinungen nicht übersehen, zumal
wenn eine schwachsinnige Veranlagung vorhanden ist wie bei Abbildung 19
und 20. Auch die Gestalten des Räuberhauptmanns, des Handwerksburschen
könnten sehr wohl fast genau so von Kindern gemacht sein.
Schließlich ist der „Bildnerei der Geisteskranken" zu gedenken. Die
für den Geisteszustand des Schizophrenen einigermaßen charakteristischen
Bildwerke unterscheiden sich in ihrer Gesamthaltung durchaus bestimmt von
unserm ganzen Material. Trotz der weitgehenden pathologischen Abweichung
ihrer Urheber von unserm seelischen Durchschnittszustand sind sie ganz anders
von Gestaltungstendenzen durchtränkt: viel mehr Werk, viel weniger Be-
kenntnis, Kampf, Selbstdarstellung. Viel weniger eitel, egozentrisch, viel
verhüllter und voller von überpersönlichen Beziehungen, von Gesichten. Welch
ein Reichtum herrscht dort, welche Dürftigkeit hier! Der Schizophrene wirkt
fast wie ein abgeklärter Künstler gegen einen plump anmaßenden Lebens-
praktiker. Er spricht aus einer andern, von Grund auf irrealen Welt, in der
man nicht von seinen Privaterlebnissen direkt, unverhüllt erzählt, sondern
mindestens einen geheimnisvollen Schleier darüber webt, eine Umsetzung in
Formen vollzieht, die ein anderes Gesetz haben als das der Selbstdarstellung,
der Forderung, der Drohung. Wenn etwas, so ist dieser Vergleich geeignet, die
vorsichtig erprobte Meinung zu stützen, daß der Schizophrene dem Vorgang
schöpferischer Gestaltung sich schon durch seinen psychotischen Zustand
nähere, und daß ein tiefer Zusammenhang bestünde zwischen diesen beiden
Seinsformen. Wohingegen wir bei dem Gefangenenmaterial nur selten an die
tiefer verankerte Spannung echt schöpferischer, der Vollendung fähiger Zu-
stände gemahnt wurden. Und der am weitesten in dieser Richtung lag, der
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einschlagen, die gewöhnlich durch Dressur unterdrückt werden. Nun, in
diesem Sinne wird man sagen können, daß entsprechend den allgemeinen Zügen
von Verwandtschaft mit primitiven Seelenzuständen auch in den Bildwerken
unserer Sträflinge sich primitive Züge und deutliche Ähnlichkeiten mit ge-
wissen primitiven Kunstwerken finden. Sowohl in der Motivwahl wie in der
Ausführung, in der Nei gung zum Tatuieren wie in der Bilderschrift. Die
zivilisatorische Oberschicht wird nicht unbedingt gepflegt und innegehalten,
die primitiveren Verhaltungsweisen brechen, noch häufiger als in der Volks-
kunst sonst, gern durch.
Mit der Kinderkunst können wir weniger in der Motivwahl als in der
ungeübten Ausführung einige Paralleler scheinungen nicht übersehen, zumal
wenn eine schwachsinnige Veranlagung vorhanden ist wie bei Abbildung 19
und 20. Auch die Gestalten des Räuberhauptmanns, des Handwerksburschen
könnten sehr wohl fast genau so von Kindern gemacht sein.
Schließlich ist der „Bildnerei der Geisteskranken" zu gedenken. Die
für den Geisteszustand des Schizophrenen einigermaßen charakteristischen
Bildwerke unterscheiden sich in ihrer Gesamthaltung durchaus bestimmt von
unserm ganzen Material. Trotz der weitgehenden pathologischen Abweichung
ihrer Urheber von unserm seelischen Durchschnittszustand sind sie ganz anders
von Gestaltungstendenzen durchtränkt: viel mehr Werk, viel weniger Be-
kenntnis, Kampf, Selbstdarstellung. Viel weniger eitel, egozentrisch, viel
verhüllter und voller von überpersönlichen Beziehungen, von Gesichten. Welch
ein Reichtum herrscht dort, welche Dürftigkeit hier! Der Schizophrene wirkt
fast wie ein abgeklärter Künstler gegen einen plump anmaßenden Lebens-
praktiker. Er spricht aus einer andern, von Grund auf irrealen Welt, in der
man nicht von seinen Privaterlebnissen direkt, unverhüllt erzählt, sondern
mindestens einen geheimnisvollen Schleier darüber webt, eine Umsetzung in
Formen vollzieht, die ein anderes Gesetz haben als das der Selbstdarstellung,
der Forderung, der Drohung. Wenn etwas, so ist dieser Vergleich geeignet, die
vorsichtig erprobte Meinung zu stützen, daß der Schizophrene dem Vorgang
schöpferischer Gestaltung sich schon durch seinen psychotischen Zustand
nähere, und daß ein tiefer Zusammenhang bestünde zwischen diesen beiden
Seinsformen. Wohingegen wir bei dem Gefangenenmaterial nur selten an die
tiefer verankerte Spannung echt schöpferischer, der Vollendung fähiger Zu-
stände gemahnt wurden. Und der am weitesten in dieser Richtung lag, der
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