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Probst, Hansjörg
Neckarau (Band 1): Von den Anfängen bis ins 18. Jahrhundert — Mannheim, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.3002#0353
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punkt der Revision war die beachtliche Summe von 71 fl und 21 lb hl in der Kasse,
7 fl und 54 lb hl waren als Darlehen ausgeliehen. Auch diese Übung, den Kirchen-
fonds als Darlehenskasse zu benutzen, ist uns heute ungewohnt, war aber bis ins 19.
Jahrhundert ständiger Brauch.247

In drei Neckarau betreffenden Abschriften aus dem WS ist ein Notizvermerk, der in
der gedruckten Ausgabe des Synodales nicht zu finden ist und die Hermsheimer Kir-
che betrifft. Diese Notiz heißt: „Sub parochia Neckerau in Campis Capella Herms-
heim. Propositus Ecclesiae Majoris Wormatiensis confert" - zur Pfarrei Neckarau ge-
hört die in den Feldern liegende Kapelle von Hermsheim; der Propst des Hohen
Doms zu Worms hat das Besetzungsrecht.248 Diese Notiz untermauerte 1750 ff. den
Anspruch des katholischen Pfarrers Folles gegen die Hochstifte Worms und Speyer
als die Hauptzehntnehmer der alten Hermsheimer Gemarkung. Bekanntlich er-
reichte es Pfarrer Folles in einem langwierigen Prozeß, die Bestimmung für Nek-
karau, daß die Zehntnehmer im Falle der Zerstörung der Kirche verpflichtet seien,
diese wieder aufzubauen, auf die untergegangene Hermsheimer Kirche auszudeh-
nen und die Zehntnehmer Worms und Speyer für den Neubau der katholischen Nek-
karauer Kirche in Pflicht zu nehmen. Daß dazu der kurpfälzische Kirchenadmini-
strationsregistrator Johann Sonodt am 14. 4. 1750 gerne seine Hand lieh und diese
Notiz als echt beglaubigte, liegt auf der Hand. Denn dadurch wurde die pfälzische
Geistliche Administration von der Kirchenbaupflicht entlastet. Das legt den Ver-
dacht einer Fälschung nahe; denn in keiner älteren Quelle ist von dem Weiterbeste-
hen der Hermsheimer Pfründe nach der Verlegung des Dorfes nach Neckarau die
Rede. Ebensowenig ist ein konkurrierender Wormser Anspruch festzustellen, als
der Kurfürst 1309 die Collatur von Neckarau dem Schönauer Abt verleiht; im Ge-
genteil: der Wormser und der Speyerer Bischof, beide Inhaber der großen Zehnten
in Hermsheim, stimmen dem ausdrücklich zu. Schließlich machte der Wormser
Dompropst vom 14. bis zum 18. Jahrhundert nicht ein einziges Mal seine Rechte, die
Kapelle von Hermsheim betreffend, geltend. Daß andererseits die Rechte an der al-
ten Kirche eines wüst gewordenen Dorfes durchaus ausgeübt werden konnten, zeigt
das Beispiel der Kloppenheimer St. Albanskirche. Von dieser wird im Wormser
Synodale ausdrücklich gesagt, sie sei: per commendam verliehen, d. h., daß die Er-
träge der Kloppenheimer Pfründe ohne Verpflichtung zur Seelsorge genossen wer-
den könnten. Darüber hinaus wird im Synodale berichtet, daß die Kloppenheimer
St. Albanskirche dem Wormser St. Martins-Stift inkorporiert sei.249 Neben diesen
erdrückenden äußeren Gründen ist es auch noch der Sprachgebrauch, der den Ver-
dacht auf Fälschung erhärtet.

4.7. Neckarauer Studenten an der Universität Heidelberg

Da das ganze Schul- und Bildungswesen im Mittelalter eine Sache der Kirche war
und auch die Universitäten Anstalten kirchlichen Rechts gewesen sind, ist es not-
wendig, daß wir am Ende der vorreformatorischen Kirchengeschichte Neckaraus ei-
nen Blick darauf werfen. Dabei ist es klar, daß man vor dem Ausgang des 16. Jahr-
hunderts keine Schule und keinen Schulmeister in Neckarau erwarten darf. Da aber
andererseits zwischen 1407 und 1524 neun Neckarauer Bauernsöhne als Studenten
an der Universität Heidelberg eingeschrieben waren, muß es für diese ja irgendwo die
Gelegenheit gegeben haben, nicht nur lesen, schreiben und rechnen, sondern auch
Latein als die Sprache der Kirche und der Universität zu lernen. Wahrscheinlich ha-
ben wir mit diesen neun Neckarauer Studenten Söhne von Neckarauer Einwohnern
vor uns, die lesen und schreiben konnten. Bei der verbreiteten Schriftlichkeit in der
Tätigkeit des Gerichts können wir davon ausgehen, daß ein Teil der Neckarauer, zu-

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