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Im Kampf um die Kunst: die Antwort auf den Protest deutscher Künstler — München, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.3376#0099
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Dr. Wilhelm Worringer, Privatdozent, Bern:

Entwicklungsgeschichtliches zur modernsten

Kunst.

~^\ie Vinnensche Broschüre ist mir psychologisch wohl ver-
^-^ ständlich, und ich zögere nicht, sie als eine symptomatische
Erscheinung zu respektieren, ja ich begrüsse sie sogar als ein
zu rechter Zeit ausgesprochenes Stichwort zur ernsten prinzi-
piellen Auseinandersetzung. Die Krise, in der wir mit unseren
Kunstvorstellungen und Kunsterwartungen stehen, kann nicht
vertuscht werden: sie muss zur offenen und entschiedenen
Aussprache führen.

Von diesem Gesichtspunkt aus muss ich es allerdings be-
dauern, dass die prinzipiellen Fragen in jener Tendenzschrift
kaum ernsthaft behandelt werden, sondern nur hier und da
flüchtig gestreift werden, um dann gleich allgemeinen Redens-
arten und unbeweisbaren Gefühlspostulaten Platz zu machen.
So ist das Hauptargument, mit dem die angreifende Partei
auf das Publikum einzuwirken sucht, nicht irgend eine sachlich
diskutierbare Widerlegung der neuen Kunstprinzipien, sondern
die in allen Tonarten wiederholte skrupellose Verdächtigung
jener Persönlichkeiten, die auf der anderen Seite stehen. Deren
Überzeugungsehrlichkeit und Urteilsfähigkeit wird mit all den
billigen Mitteln einer oft bis zum Mitleid gehenden überlegenen
Ironie blossgestellt. Man macht sich damit derselben Irre-
fühning des Publikums schuldig, die man den Gegnern mit
einer so gewaltigen moralischen Entrüstung vorwirft. Denn
es geht doch wohl nicht an, dem breiten Publikum, das in dieser
Beziehung schon aus natürlicher Trägheit und aus Selbst-
erhaltungstrieb leichtgläubig ist, die willkommene Überzeugung
beizubringen, es handle sich bei der angegriffenen Bewegung
 
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