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Entscheidungen des Preussischen Oberverwaltungsgerichts in Staatssteuersachen — 6.1898

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Nr. 6.
Die Frage der Gewerbesteuerpflichtigkeit ist nach dem steuerrecht-
lichen Begriffe des Gewerbes zu entscheiden. Letzterer deckt sich
keineswegs mit dem Gewerbebegriffe der Reichsgewerbeordnung.
Entscheidung des VI. Senats, 1. Kammer, vom 14. Oktober 1897.
Usp. VI. 6. 369/96.
Die Beschwerde des Steuerpflichtigen hinsichtlich der Ver-
anlagung für 1895/96 in Klasse IV zu 16 c/A Gewerbesteuer
wurde vom Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen aus folgenden
Gründen:
Der Beschwerdeführer ist städtischer Musikdirektor in A.,
unterhält eine aus etwa 30 Gehülfen und Lehrlingen bestehende
Kapelle und veranstaltet mit ihr gegen Entgelt musikalische Auf-
führungen verschiedener Art, insbesondere Konzerte und Tanz-
vergnügen. Auch spielt er mit seiner Kapelle bei Hochzeiten,
Begräbnissen und dergleichen.
Die Regierung hat den Einwand des Beschwerdeführers,
daß sich seine geschilderte Thätigkeit als Ausübung der Kunst
darstelle und demgemäß nach §. 4 Nr. 7 des Gewerbesteuer-
gesetzes vom 24. Juni 1891 der Gewerbesteuer nicht unterliege,
deshalb für unbegründet erachtet, weil bei der Mehrzahl der
von ihm veranstalteten musikalischen Aufführungen ein höheres
Interesse der Kunst nicht obwalte. Sie ist danach offenbar bei
ihrer Entscheidung von dem Gewerbebegriffe im Sinne der Reichs-
gewerbeordnung, insbesondere von demjenigen in §. 33b dieses
Gesetzes ausgegangen, wonach derjenige, welcher gewerbsmäßig
Musikaufführungen, Schaustellungen, theatralische Vorstellungen
oder sonstige Lustbarkeiten, ohne daß ein höheres Interesse
der Kunst oder Wissenschaft dabei obwaltet, von Haus
zu Haus oder auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen darbieten
will, der vorgängigen Erlaubniß der Ortspolizeibehörde bedarf.
Dabei hat dle Regierung übersehen, daß sich der Gewerbebegriff
im Sinne der Gewerbeordnung, wie das Oberverwaltungsgericht
schon vielfach auszusprechen Gelegenheit gehabt hat, mit dem-
jenigen im Sinne des Gewerbesteuergesetzes keineswegs deckt.
 
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