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Busch, Jörg W.
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 5): Der Liber de honore ecclesiae des Placidus von Nonantola: eine kanonistische Problemerörterung aus dem Jahre 1111 ; die Arbeitsweise ihres Autors und seine Vorlagen — Sigmaringen: Thorbecke, 1990

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.73976#0062
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Fällen eine solche Verbesserung bei Vorlage der Hs. A nicht denkbar ist57, sollte die enge
Verwandtschaft der Hss. A und G eher auf eine gemeinsame Vorlage zurückgeführt werden.
Keinen Platz in der Überlieferung der Arbeit des Placidus findet das titellose, vier Kapitel
umfassende Nonantolaner Fragment Vat. Lat. 10.802, in dem Lilli den Anfang der Erstfassung
des Traktates sah58. Obzwar die äußere Form und der Stil der Argumentation Parallelen zum
Traktat aufweisen, unterscheidet sich ihre ekklesiologische Konzeption. Während das Frag-
ment die Beauftragung des Petrus bestimmt als privilegium ansieht, faßt sie der Traktat mit
Blick auf die übrigen Apostel einschränkend als specialis quaedam praerogativa auf59. Es ist
auszuschließen, daß Placidus die ungebrochene Ansicht des Fragmentes 1111 in der Krise des
päpstlichen Primates vortrug, um dann mit der päpstlichen Kompetenz, Bistümer zu verlegen
und Diözesen zu teilen, ein Detailproblem zu behandeln, das in der damaligen Kontroverse
keine Rolle spielte. Weil aber das folglich vor 1111 entstandene Fragment das einzige weitere
Beispiel für kanonistisches Argumentieren in Nonantola bietet, sollte es bei der Ermittlung
der Vorlagen des Placidus vergleichend berücksichtigt werden.
Die gegenüber ihrer Abfassungszeit mit Ausnahme der Hs. W späte Überlieferung der
Arbeit des Placidus führte zu zahlreichen Verderbnissen gegenüber dem verlorenen Auto-
graph, wobei dessen Erstfassung nur fragmentarisch und die Zweitfassung in der ältesten
Überlieferung der Hs. W unvollständig bekannt ist. Die eingehenden Vergleiche der vom
Autor angeführten Zitate mit seinen möglichen Vorlagen zur Bestimmung ihrer tatsächlichen
Provenienz erfordern aber die Kenntnis des Traktattextes, der dem Original am nächsten
kommt. Die Revision der Edition, die für sich genommen ein Desiderat darstellte, legt im
Einzelfall eine vergleichende Rekonstruktion nahe. Generell kann die jüngste Hs. G als
schlechteste Überlieferung vernachlässigt werden, obwohl die meisten Varianten der Edition
als Eigenheiten des Druckes von Pez zu streichen sind, die statt der verloren geglaubten Hs. G
benutzt wurde. Zwischen den übrigen Exemplaren gilt es nach den von ihnen gebotenen
Teilen des Traktates zu unterscheiden. Bei dem Stück, das alle Abschriften bieten (LdHE 18-
59), kommt der Hs. V für die Kenntnis des Aufbaus der einzig von ihr überlieferten
Erstfassung große, für die Ermittlung der Vorlagen, trotz ihrer besseren Inskriptionen, nur
eingeschränkte Bedeutung zu. Vielmehr muß, da es sich um eine späte Abschrift handelt, die
etwas ältere Hs. A, besonders aber die älteste Hs. W vergleichend berücksichtigt werden. In
den beiden ersten Textabschnitten, die in allen österreichischen Exemplaren vorliegen (LdHE
1-17 und 59-76), vermag die Hs. A bei einer insgesamt geringeren Zahl von Varianten die
besseren zu bieten, während die Hs. W im dritten Abschnitt (LdHE 83-118) deutlich
überwiegend die besseren Lesarten bieten. Lediglich die Hs. A muß statt der verderbteren G
für die Textpartien benutzt werden, die in der Hs. W fehlen (LdHE 77-83 und 118-169), nach
den Rubrikenverzeichnissen aber die unverderbtere Textgliederung aufwiesen, die neben den
vollständigeren Inskriptionen den relativen Vorrang des ältesten Traktatexemplares
begründen.

57 So stimmen z. B. mit der jeweils zitierten Quelle überein: (Ldl 2,)579,6f. G subiaceat statt AW
subiacebit, 7g GW autem statt A autem sit; 611,25k G nominis eorum ultra statt AW nominis ultra;
616,29v GW vocibus eorum atque statt A vocibus atque.

58 S. o. S. 19 mit Anm. 84f.

59 Vgl. Fragm. 1, S. 103,7-10, mit LdHE 1, insbes. Ldl 2,575,31f.

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