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2. Inzest und Ehe
großen Raumes, den das Thema in Bußbüchern einnimmt.35 Die weltlichen
Strafen für Inzest sind Vermögensverlust, Kerker oder Prügelstrafe. Der Kö-
nigsbann von 60 Solidi wird, wie Karl Ubl richtigstellte, eindeutig dem Unter-
stützer und nicht dem Übeltäter selbst angedroht.36 Hier zeigt sich, dass es nicht
nur um die Bestrafung der inzestuösen Verbindung ging, sondern dass die Be-
endigung der inzestuösen Verbindung sogar noch wichtiger war als ihre Sank-
tionierung.
Das zweite Kapitel nimmt mit den ecclesiastici eine zweite Tätergruppe ins
Visier. Die Bedeutung des Wortes ist umstritten. De Clercq und Hartmann
übersetzen den Begriff mit Kleriker, Ubl mit Kirchenhörige.37 Gegen die Be-
deutung Kleriker sprechen zwei Gründe. Zum einen werden solche als clerici
ausdrücklich in Kapitel 3 behandelt. Zum anderen würde ein Kapitel 2 als Be-
schluss über Kirchenhörige nahtlos an den letzten Satz von Kapitel 1 über servi
aut liberti anschließen. Das Kapitel über inzestuöse Kirchenhörige ist ohne Vor-
bild in der kanonistischen Tradition,38 zeigt aber einmal mehr das Bestreben des
Kapitulars möglichst alle Fälle abzudecken, um inzestuöse Verbindungen
wirksam bekämpfen zu können. Auch bei den ecclesiastici wird wieder diffe-
renziert, und zwar zwischen bonae personae, denen der Verlust ihres honor an-
gedroht wird, und minores, die entweder Schläge erhalten oder im Kerker weg-
gesperrt werden sollen.39
Das dritte Kapitel wendet sich schließlich Presbytern und Klerikern zu, die
der kirchlichen Gerichtsbarkeit unterstehen. Zwar wird das Prozedere der
Sanktionierung detailliert geschildert, das Vergehen der Presbyter und Kleriker
selbst wird jedoch nicht explizit benannt. Im letzten Satz des Kapitels werden
drei Arten von Personen genannt: Presbyter oder Kleriker oder Inzestuöser.40
Bedeutet dies, dass man entweder Presbyter beziehungsweise Kleriker oder
Inzestuöser sein kann, Presbyter und Kleriker sich dann also eines anderen
Vergehens schuldig gemacht haben, oder sind mit incestuosum Inzestuöse ge-
meint, die weder Presbyter noch Kleriker sind? Drei mögliche Vergehen der zu
sanktionierenden Presbyter und Kleriker sind denkbar. Erstens könnten sie
selbst inzestuöse Verbindungen eingegangen sein. Zweitens könnten sie Men-
schen in inzestuösen Verbindungen gedeckt oder unterstützt haben, was ja be-
reits in Kapitel 1 für Laien angesprochen wurde. Sie würden dann natürlich unter
die kirchliche Gerichtsbarkeit fallen. Oder sie könnten drittens in ihren Ge-
meinden inzestuöse Eheschließungen vorgenommen haben.
35 Zahlreiche Beispiele finden sich in der Quellenübersicht von Weber, Gesetz, Bd. 2, S. 210-329.
36 Vgl. Ubl, Inzestverbot, S. 263. Anders De Clercq, Legislation, S. 132; Hartmann, Synoden, S. 68.
37 Vgl. De Clercq, Legislation, S. 132; Hartmann, Synoden, S. 68; Ubl, Inzestverbot, S. 263. In diesem
Sinne führen auch Niermeyer — van de Kieft — Bürgers, Lexicon, Bd. 1, S. 479 diese Stelle als Beleg an.
38 Vgl. Ubl, Inzestverbot, S. 263.
39 Pippini regis capitulare c. 2, in: MGH Capit. 1, Nr. 13, S. 31 Z. 28 f.: De ecclesiasticis vero, si bona
persona fuerit, perdat honorem suum; minores vero vapulentur aut in carcerem recludantur.
40 Pippini regis capitulare c. 3, in: MGH Capit. 1, Nr. 13, S. 32 Z. lf.: Et si aliquis per violentiam
presbyterum aut clericum aut incestuosum contradixerit, [...].
2. Inzest und Ehe
großen Raumes, den das Thema in Bußbüchern einnimmt.35 Die weltlichen
Strafen für Inzest sind Vermögensverlust, Kerker oder Prügelstrafe. Der Kö-
nigsbann von 60 Solidi wird, wie Karl Ubl richtigstellte, eindeutig dem Unter-
stützer und nicht dem Übeltäter selbst angedroht.36 Hier zeigt sich, dass es nicht
nur um die Bestrafung der inzestuösen Verbindung ging, sondern dass die Be-
endigung der inzestuösen Verbindung sogar noch wichtiger war als ihre Sank-
tionierung.
Das zweite Kapitel nimmt mit den ecclesiastici eine zweite Tätergruppe ins
Visier. Die Bedeutung des Wortes ist umstritten. De Clercq und Hartmann
übersetzen den Begriff mit Kleriker, Ubl mit Kirchenhörige.37 Gegen die Be-
deutung Kleriker sprechen zwei Gründe. Zum einen werden solche als clerici
ausdrücklich in Kapitel 3 behandelt. Zum anderen würde ein Kapitel 2 als Be-
schluss über Kirchenhörige nahtlos an den letzten Satz von Kapitel 1 über servi
aut liberti anschließen. Das Kapitel über inzestuöse Kirchenhörige ist ohne Vor-
bild in der kanonistischen Tradition,38 zeigt aber einmal mehr das Bestreben des
Kapitulars möglichst alle Fälle abzudecken, um inzestuöse Verbindungen
wirksam bekämpfen zu können. Auch bei den ecclesiastici wird wieder diffe-
renziert, und zwar zwischen bonae personae, denen der Verlust ihres honor an-
gedroht wird, und minores, die entweder Schläge erhalten oder im Kerker weg-
gesperrt werden sollen.39
Das dritte Kapitel wendet sich schließlich Presbytern und Klerikern zu, die
der kirchlichen Gerichtsbarkeit unterstehen. Zwar wird das Prozedere der
Sanktionierung detailliert geschildert, das Vergehen der Presbyter und Kleriker
selbst wird jedoch nicht explizit benannt. Im letzten Satz des Kapitels werden
drei Arten von Personen genannt: Presbyter oder Kleriker oder Inzestuöser.40
Bedeutet dies, dass man entweder Presbyter beziehungsweise Kleriker oder
Inzestuöser sein kann, Presbyter und Kleriker sich dann also eines anderen
Vergehens schuldig gemacht haben, oder sind mit incestuosum Inzestuöse ge-
meint, die weder Presbyter noch Kleriker sind? Drei mögliche Vergehen der zu
sanktionierenden Presbyter und Kleriker sind denkbar. Erstens könnten sie
selbst inzestuöse Verbindungen eingegangen sein. Zweitens könnten sie Men-
schen in inzestuösen Verbindungen gedeckt oder unterstützt haben, was ja be-
reits in Kapitel 1 für Laien angesprochen wurde. Sie würden dann natürlich unter
die kirchliche Gerichtsbarkeit fallen. Oder sie könnten drittens in ihren Ge-
meinden inzestuöse Eheschließungen vorgenommen haben.
35 Zahlreiche Beispiele finden sich in der Quellenübersicht von Weber, Gesetz, Bd. 2, S. 210-329.
36 Vgl. Ubl, Inzestverbot, S. 263. Anders De Clercq, Legislation, S. 132; Hartmann, Synoden, S. 68.
37 Vgl. De Clercq, Legislation, S. 132; Hartmann, Synoden, S. 68; Ubl, Inzestverbot, S. 263. In diesem
Sinne führen auch Niermeyer — van de Kieft — Bürgers, Lexicon, Bd. 1, S. 479 diese Stelle als Beleg an.
38 Vgl. Ubl, Inzestverbot, S. 263.
39 Pippini regis capitulare c. 2, in: MGH Capit. 1, Nr. 13, S. 31 Z. 28 f.: De ecclesiasticis vero, si bona
persona fuerit, perdat honorem suum; minores vero vapulentur aut in carcerem recludantur.
40 Pippini regis capitulare c. 3, in: MGH Capit. 1, Nr. 13, S. 32 Z. lf.: Et si aliquis per violentiam
presbyterum aut clericum aut incestuosum contradixerit, [...].