6. Pippin und das Königskapitular
Die in dieser Studie untersuchte Kapitelliste behandelt, wie gezeigt wurde, sehr
heterogene Themen. Alle sieben Kapitel auf ein Ziel oder Motiv zu reduzieren,
würde der Quelle nicht gerecht werden. Bekannt sind die Kapitel unter dem
Namen Königskapitular oder Pippini regis capitulare. Der Titel ist freilich mo-
dern und geht auf den Editor Alfred Boretius zurück, der bemüht war, für jedes
Stück seiner Edition einen seiner Ansicht nach passenden lateinischen Titel zu
vergeben. Diese Praxis der Titelvergabe wurde vor einigen Jahren von Philippe
Depreux am Beispiel einiger Kapitularien Ludwigs des Frommen scharf kriti-
siert.1 In der Tat sind Boretius' Kunsttitel nicht immer gut gewählt. Bei dem hier
untersuchten Kapitular König Pippins bewies er jedoch eher eine glückliche
Hand. Denn Bezüge zu Pippins neu gewonnenem Königtum lassen sich über alle
Kapitel hinweg verfolgen.
Einerseits behandelt das Kapitular ,königliche' Themen, die, soweit dies die
Quellen zu beurteilen erlauben, bis zum Dynastiewechsel zumindest formal in
der Zuständigkeit des merowingischen Königs geblieben und nicht vom Haus-
meier geregelt worden waren. Diese Beobachtung gilt insbesondere für die Zölle
(c. 4) und die Immunitäten (c. 6).2 Andererseits macht das Kapitular mit der
Regelung über die Relation von Pfund und Solidus und die Gebühr für den
Monetär (c. 5) deutlich, dass Pippin mit seinem Eingriff in die Münzprägung ein
Thema in den Zuständigkeitsbereich des Königs zog, das seit Generationen im
Frankenreich außerhalb des königlichen Zugriffs gelegen hatte.3
Besonders gut sichtbar ist der Bezug zu Pippins Königtum in Kapitel 7, das
sich mit der Rechtspflege beschäftigt.4 Zum einen geht es hier konkret darum, in
welchen Fällen das Gericht des Königs direkt angerufen werden durfte und vor
allem wann nicht. Zum anderen konnte Pippin hier die Königstugend der iustitia
unter Beweis stellen. Zur iustitia zählte, wie Eugen Ewig betont, auch der Schutz
der Fremden.5 Dieser Aspekt zeigt sich in Kapitel 4 des Königskapitulars, wenn
es um den Schutz von Pilgern vor illegaler Zollerhebung geht.
Auch der Schutz der Kirchen, wie er in Kapitel 6 über die Beachtung der
Immunitäten sichtbar wird, zählte als pietas zu den Tugenden, die einen guten
König ausmachten. Sichtbar wird die pietas des Königs aber nicht nur im Schutz
der Kirchen, sondern auch in seiner Sorge um den rechten Glauben und das
gottgefällige Leben in seinem Reich.6 Dieser Sorge Pippins verlieh das Kapitular
in insgesamt drei Kapiteln zu Inzest und Eherecht Ausdruck (c. 1-3), die pro-
1 Vgl. Depreux, Nützlichkeit.
2 Vgl. oben Kap. 3.4; Kap. 5.5.1.3.
3 Vgl. oben Kap. 4.4.
4 Vgl. oben Kap. 5.
5 Vgl. Ewig, Königsgedanken, S. 41 f.
6 Vgl. Ewig, Königsgedanken, S. 20.
Die in dieser Studie untersuchte Kapitelliste behandelt, wie gezeigt wurde, sehr
heterogene Themen. Alle sieben Kapitel auf ein Ziel oder Motiv zu reduzieren,
würde der Quelle nicht gerecht werden. Bekannt sind die Kapitel unter dem
Namen Königskapitular oder Pippini regis capitulare. Der Titel ist freilich mo-
dern und geht auf den Editor Alfred Boretius zurück, der bemüht war, für jedes
Stück seiner Edition einen seiner Ansicht nach passenden lateinischen Titel zu
vergeben. Diese Praxis der Titelvergabe wurde vor einigen Jahren von Philippe
Depreux am Beispiel einiger Kapitularien Ludwigs des Frommen scharf kriti-
siert.1 In der Tat sind Boretius' Kunsttitel nicht immer gut gewählt. Bei dem hier
untersuchten Kapitular König Pippins bewies er jedoch eher eine glückliche
Hand. Denn Bezüge zu Pippins neu gewonnenem Königtum lassen sich über alle
Kapitel hinweg verfolgen.
Einerseits behandelt das Kapitular ,königliche' Themen, die, soweit dies die
Quellen zu beurteilen erlauben, bis zum Dynastiewechsel zumindest formal in
der Zuständigkeit des merowingischen Königs geblieben und nicht vom Haus-
meier geregelt worden waren. Diese Beobachtung gilt insbesondere für die Zölle
(c. 4) und die Immunitäten (c. 6).2 Andererseits macht das Kapitular mit der
Regelung über die Relation von Pfund und Solidus und die Gebühr für den
Monetär (c. 5) deutlich, dass Pippin mit seinem Eingriff in die Münzprägung ein
Thema in den Zuständigkeitsbereich des Königs zog, das seit Generationen im
Frankenreich außerhalb des königlichen Zugriffs gelegen hatte.3
Besonders gut sichtbar ist der Bezug zu Pippins Königtum in Kapitel 7, das
sich mit der Rechtspflege beschäftigt.4 Zum einen geht es hier konkret darum, in
welchen Fällen das Gericht des Königs direkt angerufen werden durfte und vor
allem wann nicht. Zum anderen konnte Pippin hier die Königstugend der iustitia
unter Beweis stellen. Zur iustitia zählte, wie Eugen Ewig betont, auch der Schutz
der Fremden.5 Dieser Aspekt zeigt sich in Kapitel 4 des Königskapitulars, wenn
es um den Schutz von Pilgern vor illegaler Zollerhebung geht.
Auch der Schutz der Kirchen, wie er in Kapitel 6 über die Beachtung der
Immunitäten sichtbar wird, zählte als pietas zu den Tugenden, die einen guten
König ausmachten. Sichtbar wird die pietas des Königs aber nicht nur im Schutz
der Kirchen, sondern auch in seiner Sorge um den rechten Glauben und das
gottgefällige Leben in seinem Reich.6 Dieser Sorge Pippins verlieh das Kapitular
in insgesamt drei Kapiteln zu Inzest und Eherecht Ausdruck (c. 1-3), die pro-
1 Vgl. Depreux, Nützlichkeit.
2 Vgl. oben Kap. 3.4; Kap. 5.5.1.3.
3 Vgl. oben Kap. 4.4.
4 Vgl. oben Kap. 5.
5 Vgl. Ewig, Königsgedanken, S. 41 f.
6 Vgl. Ewig, Königsgedanken, S. 20.