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Michel Angelo Bonaroti. 217
die Mannigfaltigkeit der Talente dieses großen Künstlers Ein-
stuß hatten.
Der Tod seines erhabenen Protektors beraubte ihn bald
aller dieser Hülfsquellen. Peter von Medicis, welcher auf
seinen Vater folgte, erbte von ihm weder seine Eigenschaften,
noch seine Achtung für die Künste und für Michel Angelo.
Glücklicherweise kam der Prior der Kirche zum heiligen Geiste
seinen Einrichtungen zu Hülfe, trug ihm die Ausführung eines
großen hölzernen Kruzifixes auf, gab ihm Logis im Kloster
und verschaffte ihm die Mittel zum gründlichen Studium der
Anatomie, indem er ihm menschliche Leichname besorgte. Mi-
chel Angelo widmete sich dieser Arbeit mit unglaublichem Eifer
und öffnete und zergliederte die Leichname selbst, die ihm ge-
bracht wurden. Die tiefe Kenntniß, die er durch dieses Stu-
dium von dem Bau des menschlichen Körpers erlangte, öffnete
ihm einen, seinen Zeitgenossen bisher unbekannten, Weg, der
ihn bald dahin führte, daß er der Gründlichste und Geschick-
teste unter allen Zeichnern wurde.
Die Familie Medicis wurde aus Florenz vertrieben. Michel
Angelo hatte ihre Gunst genossen und fürchtete, in ihre Un-
gnade mit verwickelt zu werden. Entschlossen, sich der Rache
eines Volkes zu entziehen, das in den Freunden derer, die
es Tyrannen nannte, eben so viele Feinde zu sehen glaubte,
zog er sich nach Venedig zurück. Seit dem Tode Lorenzo's
von Medicis bis zu der eben erwähnten Revolution waren
drei Jahre verstossen. Michel Angelo konnte demnach zwanzig
Jahre alt seyn. Sobald in Florenz die Ruhe wiederherge-
stellt, kehrte er dahin zurück; nnd dieser Epoche schreibt man
die Geschichte seines schlafenden Cupido zu, welcher dem Kar-
dinal Saint-Georges für alterthümlich verkauft worden. Um
zu erfahren, ob es war sei, was man sich von dem Urheber
der angeblichen Antike erzähle, sandte der Kardinal einen Edel-
mann nach Florenz, welcher Michel Angelo mit nach Rom
 
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