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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 1.1921

DOI issue:
Heft 4/5
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Landsberger, Artur: Vom Film
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https://doi.org/10.11588/diglit.62259#0170
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VOM FILM
Lieber Herr Flechtheim,
bitte, was stellt dies Bild vor? — — — Wie bitte?-- — Sehr
richtig! Einen häuslichen Streit nicht ganz harmloser Art zwischen
einem Ehepaar, das sonst recht gut mit einander auskommt.-
Aber, nun hören Sie, was eine „Hohe Filmprüfungsstelle“, die
mir das Bild verbot, in ihrer frommen Denkungsart darin sieht:
„Gewaltsam verschafft ein Mann in brutaler sinnlicher Erregtheit
von hinten zugreifend, sich mit der Hand Eingang in den Brust-
ausschnitt eines sich wehrenden Mädchens. — Das ist für die Phan-
tasie der rechte Hinweis und für die Vorstellung das Stichwort zur
gelegentlichen Nachahmung. Die Darstellung ist geeignet, die Phan-
tasie zu überreizen und auch die Schädigung der gesundheitlichen
und sittlichen Entwicklung herbeizuführen.“
Bei dieser Gelegenheit ein paar Worte zum Film: Da ich weiss,
dass man demnächst Slevogt und Corinth auffordern wird, an der
Bildgestaltung grosser (teurer) Films mitzuwirken, und da ich ver-
mute, dass die beiden Künstler der Dollarversuchung nicht wider-
stehen werden, so weiss ich nicht, warum in diesem Blättchen nicht
auch vom Film gesprochen werden soll. Die Lage der Filmindustrie
hat sich nach dem Kriege bei uns so gestaltet, dass die Fabrikanten
bei Herstellung ihrer Films als suprema lex den Absatz ihrer „Ware“
in Amerika zu berücksichtigen haben. Wenn man bedenkt, dass
sich das literarische Niveau des gebildeten Amerikaners etwa auf
dem Niveau unserer Gartenlaube bewegt, so braucht man über das
literarische Niveau unserer Films kein Wort zu verlieren. Das Wort
„Kunst“ kann also nur Bezug haben auf: Photographie, Architektur,
Regie und allenfalls auf schauspielerische Leistung; obschon sich
auch hier leise Zweifel regen Denn wie kommt es, dass — —
gelinde und höflich gesagt-Mittelmässigkeiten wie: Mia May,
Lotte Neumann, Ossi Oswalda — — — um von der göttlichen
Fern ganz zu schweigen — — — höher im Kurse stehen als
Künstlerinnen vom Range einer Höflich, Durieux, Weicker,
Weisse? Einfach: weil der Film für die Masse ist, und weil
Masse und Kunst, solange die Welt steht, Gegensätze bleiben.
Der Film, dem das hier veröffentlichte Bild entstammt-
prägen Sie sich die Namen des Künstleroperateurs Curt Courant
und des Architekten Ernst Lessing ein (dem niemand glauben wird,
dass er hier sein Filmdebut gab) — —- —- — heisst „Das Blut“.
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