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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 1.1921

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Heft 1
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Edschmid, Kasimir: Hoetger und seine Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.62259#0091
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der Generäle, eine Zeit, die von Vielfalt der Figuren erfüllt aber
nicht von der Göttlichkeit erhabener Stile durchkreist wird, zu
durchdringen und zu bannen. Kein Manirist, sondern ein Um-
schweifer. Ein grosser Träger der Assoziationen, kein Stilist, deren
Hundert heute das Dutzend schluckt. Einer, der seine Zeit mit
den Mitteln, die ihr angemessen waren, zu bezwingen ausging und
keines verschmähte. Keiner, der, da er keine Kultur fand, sich
tapfer schreiend ins unschöpferisch radikale Lager eifrig flüchtete,
sondern ein Überlegener, der den Mangel an einheitlichem Blutstil
der Generation und des Jahrhunderts kühl erkannte und mit allen
Wandlungen und, allen Anlehnungen und gebärerisch gefüllt bis
ans Platzen voll Assoziationen, diese götterleere Welt durcheilte
und sie zur Beruhigung brachte, indem er als einziger Künstler
ihre Vielfalt einzufangen und zu gestalten vermochte dadurch, dass
er sie, statt kindisch zu bekämpfen, hinnahm und überwand. Welche
Breite und welche Klugheit. Welche Kühnheit aber auch, welcher
Radius und welches Temperament. Ein Exploiteur der Kunsträume,
ein Aviatiker und Kohlenförderer der Phantasie, ein besessener
Idylliker, ein liebenswürdiger Vesuv, ein Motor vor allem und eine
Spannweite zeitlicher Empfindungen ohne heutigen Vergleich. Denn
vom Plakat bis zur Entdeckung neuer Farben geht sein Handwerk,
vom Uferlosen bis ins schön Begrenzte seiner Welt. Mit einer
Längenachse des Könnens gut gegliedert aber auch mit Breiten-
graden versehen, die den Sinn haben der Welt die Tiefe zu geben
und von der Sinnlichkeit bis in Mathematik laufen, aber auch von
der Idee zurückkehren in die hautwärmste Gegenwart. Die deutschen
Kritiker, die mit drei Ausnahmen aus der Gattung der Sturmvögel
in die der Schalentiere zurückgekehrt sind, haben dies heroische
Ringen um die Vielköpfigkeit der Zeit nicht begriffen und, die
Wandlungsfähigkeit der Grösse mit der der Heuchler verwechselnd,
und zu klein, das Fanatische der Bemühung zu erkennen, das für
Verirrung ausgeschrien, was nichts als das bewundernswerte Streben
nach Totalität war. Hoetger hat nicht innegehalten, neue Wand-
lungen zu suchen und in neuen Spiegeln, aufblitzend neben seinem
Gesicht, das der Zeit zu sehen.
Nun hat er seine Traumgesichte mit einer schönen Wucht der
Vision aufgeschrieben und hinter dem seltsamen Zwielicht einer
gespenstischen Technik Lemuren und Masken mit klassischer Schärfe
und bebender Dämonie heraufgetrieben. Das Legendäre hat sich
in seinen erlesensten Äusserungen offenbart und der antikischen

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