Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 4.1924

DOI issue:
Heft 1
DOI article:
Je cherche après Titine
DOI article:
Bücher-Querschnitt
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.62257#0085
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
BÜCHER-QUERSCHNITT
I.
Ber Bücherquerschnitt ist keine Sammlung philologischer oder überhaupt wissen-
schaftlicher Kritiken, ist auch keine Formellösung für den Alltagsgebrauch des
Gebildeten, er ist weiter nichts als eine Anregung für die Querschnittleser und ein
Teil der Aufgabe, die sich diese Zeitschrift in freier unprogrammatischer Wahl ge-
stellt hat.
Hier sind die Bücher, die mir aus Gründen, deren Aufzählung und Erläuterung
einen Aufsatz bedingen würde — (und ich mißachte Aufsätze!), besonders wichtig für
das Interesse der wirklichen Leser erscheinen.
Ein wirklicher Querschnitt ist stets nur eine rigorose Lösung. Ein Schnitt ist eben
im besten Fall eine Operation! Die Betroffenen werden das von sich an sich schon
genau fühlen. Wer sich geschnitten fühlt, ist —: Patient.
2.
FRIDTJOF NANSEN: Rußland und der Frieden. Das Vorwort des Buches endet
mit den Worten:
»Ich halte es für wahrscheinlich, daß es Rußland sein wird, das eines Tages,
und in nicht allzu ferner Zeit, nicht allein materielle Rettung bringen wird, son-
dern daß von dort auch die geistige Erneuerung kommen wird. Es erscheint mir
daher für Westeuropa dringend geboten, dem russischen Volk und den rasch
wechselnden Verhältnissen in dem großen Rußland eine eingehende Aufmerksam-
keit zu widmen.«
»Rußland« ist das einzige europäische Problem für den Einsichtigen, dem
gegenüber alle anderen Fragen sekundär bleiben, so drückend sie uns auch durch
die gegenständliche Nähe sein mögen. Paris und Moskau sind die Pole der augen-
blicklichen europäischen Potenz. Für alles, was dazwischen liegt, heißt es von
Tag zu Tag härter: Erkennen und bekennen! In Nansens obigen Worten liegt
eine Entscheidung, die viele sich errungen haben, die in Rußland in letzter Zeit
waren. Das ist durchaus nicht immer das Resultat eifriger »bolschewistischer«
Propaganda, sondern der eigenen Anschauung. Zu groß ist die Reihe bedeutender
Köpfe, die sich so entschieden haben.
ANDERSEN NEXÖ: Dem jungen Morgen zu. Dies ist wohl der optimistischste
Bericht aller Rußlandreisenden, aber sympathisch, menschlich, herzlich.
WILLIAMS: Die russische Revolution. Eine ganze Anzahl amerikanische Reporter
haben sich in die Sensation der russischen Revolution gestürzt. Von ihnen er-
schienen viele Berichte, die begeisterte Bekennerdokumente geworden sind, ge-
schrieben in dem nicht zu verleugnenden amerikanischen Journalistenstil, der ihre
Schilderungen spannend macht wie die Mordberichte der New Yorker Presse.
Ich habe an dieser Stelle schon mehrere von ihnen genannt. Dies Buch gehört
auch zu dieser Gattung.
PRICE: Durch die russische Revolution. Auch ein Buch eines amerikanischen Jour-
nalisten. Er gibt aber mehr als Berichte, er gibt eine groß angelegte persönliche
Erlebnisschilderung des Hergangs der russischen Revolution.

4

49
 
Annotationen