modernen Lebens, von einem zum andren Tag von ihren Höhen herunterpurzeln
und alle die schönen Papiergewinne, von denen manche bereits in sehr stabile
Gegenwerte investiert sind, sich in stabilere Verluste verwandeln. 50000 Chauffeure
sollen ihre Stellung, ebenso viele Nerzmäntel ihre Auftraggeber und sämtliche
Broker ihre Hosen verloren haben. Überall munkelt man von Selbstmorden, aber
außer einem 80 jährigen Greis, der die bessere Hälfte seines Lebens im Irrenhaus
zugebracht hatte und wahrscheinlich aus eben diesem Grund den kühnen Entschluß
faßte, vom Woolworth Building auf ein Trambahndach zu springen, läßt sich keiner
der Selbstmorde dieser Tage auf die so erklärliche Müdigkeit der Stocks und Bonds
zurückführen. Inzwischen hat man sich aber von diesen Schreckenstagen wieder
einigermaßen erholt, manchen sind die Glieder noch etwas schwer wie nach
überstandener Grippe, aber alles in allem ist der Zustand der diversen Patienten
doch recht zufriedenstellend.
Auch die Theater, die hier immer das Barometer des allgemeinen Wohlstandes
sind, arbeiten wieder recht gut, und diejenigen, die nichts verdienen, müssen,
wenn sie gerecht sein wollen, die Schuld daran mehr der Qualität ihrer Dar-
bietungen als den schlechten Zeiten geben. Die letzte Saison begann mit Belascos
Farce It's a wise child; die aus irgendwelchen nie eruierten Gründen immer wieder
amüsante Tatsache des außerehelichen Beischlafes und des sich daraus ergebenden
Vater- und Mutter-Werdens werden hier in bester Belascoscher Aufmachung vor-
geführt. Der große Erfolg dieser Farce läßt den nun 75 jährigen hoffentlich den
Verlust seines Stars, seiner Freundin Leonor Ulric verschmerzen; die Kiki, Lulu
Belle und Mima der letzten Jahre hat sich dem wenig romantischen Liebhaber
Sidney Blackmer fürs Leben (!) und das rollende R und die portweinschweren
Augen der Fox Company für drei Jahre verschrieben.
Der Erfolg von Strictlj Disbonorable wurde dem Manager Brock Pemberton
von ganzem Herzen gegönnt. Er ist wie Arthur Hopkins einer der wenigen, die
sich seit Jahren für die besseren Dinge des Theaters eingesetzt haben; nach vielen
Enttäuschungen hat er nun einen Volltreffer, der seit über sechs Monaten vor
ausverkauften Häusern spielt. (Wöchentliche Kasseneinnahme in dem räumlich
beschränkten Avon-Theater über 20 000 Dollar.) Schade, daß der Humor zu
lokal ist, um dem Stück auch einen großen europäischen Erfolg zu garantieren.
Speakeasies, Bootleggers, Familienstolz in New Jersey, irische Schutzleute, ein
italienischer Tenor, Muriel Kirkland und Tullio Carminati in den Hauptrollen
sind die Hauptingredienzien dieser charmanten Komödie von Preston Sturges.
Den größten Erfolg und zweifellos das beste Stück des Jahres brachte uns die
Spätsaison mit Marc Connellys The Green Pastures. Wie sich das Buch Genesis im
Gehirn der Neger von Louisiana darstellt. Die Naivität der Neger und der ganze
Charme des Südens sind selbst in dem unvergeßlichen „Porgy" nie so einleuchtend
auf die Bühne gebracht worden. Die Regie unterstreicht die Originalität der Idee,
und Robert Edmond Jones' Bühnenbilder drücken die Einfachheit der Gedanken
wundervoll aus. Abende wie dieser können einen aussöhnen mit Stücken wie
„Karl and Anna", Romains „Game of Love and Death" und — last not least —
Shaws „Apple Cart", die die sonst so tüchtige Theatre Guild herausbrachte. Es ist
zu hoffen, daß sich diese Organisation nach den Fiaskos mit ausländischen
Schriftstellern endlich einmal den amerikanischen Autoren zuwendet. O'Neill sitzt
662
und alle die schönen Papiergewinne, von denen manche bereits in sehr stabile
Gegenwerte investiert sind, sich in stabilere Verluste verwandeln. 50000 Chauffeure
sollen ihre Stellung, ebenso viele Nerzmäntel ihre Auftraggeber und sämtliche
Broker ihre Hosen verloren haben. Überall munkelt man von Selbstmorden, aber
außer einem 80 jährigen Greis, der die bessere Hälfte seines Lebens im Irrenhaus
zugebracht hatte und wahrscheinlich aus eben diesem Grund den kühnen Entschluß
faßte, vom Woolworth Building auf ein Trambahndach zu springen, läßt sich keiner
der Selbstmorde dieser Tage auf die so erklärliche Müdigkeit der Stocks und Bonds
zurückführen. Inzwischen hat man sich aber von diesen Schreckenstagen wieder
einigermaßen erholt, manchen sind die Glieder noch etwas schwer wie nach
überstandener Grippe, aber alles in allem ist der Zustand der diversen Patienten
doch recht zufriedenstellend.
Auch die Theater, die hier immer das Barometer des allgemeinen Wohlstandes
sind, arbeiten wieder recht gut, und diejenigen, die nichts verdienen, müssen,
wenn sie gerecht sein wollen, die Schuld daran mehr der Qualität ihrer Dar-
bietungen als den schlechten Zeiten geben. Die letzte Saison begann mit Belascos
Farce It's a wise child; die aus irgendwelchen nie eruierten Gründen immer wieder
amüsante Tatsache des außerehelichen Beischlafes und des sich daraus ergebenden
Vater- und Mutter-Werdens werden hier in bester Belascoscher Aufmachung vor-
geführt. Der große Erfolg dieser Farce läßt den nun 75 jährigen hoffentlich den
Verlust seines Stars, seiner Freundin Leonor Ulric verschmerzen; die Kiki, Lulu
Belle und Mima der letzten Jahre hat sich dem wenig romantischen Liebhaber
Sidney Blackmer fürs Leben (!) und das rollende R und die portweinschweren
Augen der Fox Company für drei Jahre verschrieben.
Der Erfolg von Strictlj Disbonorable wurde dem Manager Brock Pemberton
von ganzem Herzen gegönnt. Er ist wie Arthur Hopkins einer der wenigen, die
sich seit Jahren für die besseren Dinge des Theaters eingesetzt haben; nach vielen
Enttäuschungen hat er nun einen Volltreffer, der seit über sechs Monaten vor
ausverkauften Häusern spielt. (Wöchentliche Kasseneinnahme in dem räumlich
beschränkten Avon-Theater über 20 000 Dollar.) Schade, daß der Humor zu
lokal ist, um dem Stück auch einen großen europäischen Erfolg zu garantieren.
Speakeasies, Bootleggers, Familienstolz in New Jersey, irische Schutzleute, ein
italienischer Tenor, Muriel Kirkland und Tullio Carminati in den Hauptrollen
sind die Hauptingredienzien dieser charmanten Komödie von Preston Sturges.
Den größten Erfolg und zweifellos das beste Stück des Jahres brachte uns die
Spätsaison mit Marc Connellys The Green Pastures. Wie sich das Buch Genesis im
Gehirn der Neger von Louisiana darstellt. Die Naivität der Neger und der ganze
Charme des Südens sind selbst in dem unvergeßlichen „Porgy" nie so einleuchtend
auf die Bühne gebracht worden. Die Regie unterstreicht die Originalität der Idee,
und Robert Edmond Jones' Bühnenbilder drücken die Einfachheit der Gedanken
wundervoll aus. Abende wie dieser können einen aussöhnen mit Stücken wie
„Karl and Anna", Romains „Game of Love and Death" und — last not least —
Shaws „Apple Cart", die die sonst so tüchtige Theatre Guild herausbrachte. Es ist
zu hoffen, daß sich diese Organisation nach den Fiaskos mit ausländischen
Schriftstellern endlich einmal den amerikanischen Autoren zuwendet. O'Neill sitzt
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