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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 10.1930

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Heft 3
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Nichols, Beverley: Masochismus und Sadismus: oder Das Glück in der Ehe
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https://doi.org/10.11588/diglit.73550#0268
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weltenfern von der Haltung eines Durchschnitts-Ehemannes. Ihr alle kennt gewiß
die Geschichte von dem menschenfreundlichen Burschen, der den ehelichen
Handgreiflichkeiten zwischen einem Straßenarbeiter und dessen Frau ein Ende
bereitete, nachdem sie ein blaues Auge davongetragen hatte. Der Mann hatte ja
ganz recht, sich einzumengen und den Arbeiter niederzuschlagen. Als er sich aber
nunmehr umwandte, um die Frau zu trösten, schlug die ihn zu Boden: „Ick kann
mir doch woll erlauben, mir von meinem Ollen verhauen zu lassen, so viel ick
will!" Worauf der freundliche Retter keine Antwort wußte, seines Weges ging
und sich nur dachte, daß wir ein sonderbares Volk sind. Das sind wir aber gar
nicht, im Gegenteil, wir sind ein sehr normales Volk, und es ist eines der ältesten
Vorrechte der Frauen, sich verprügeln zu lassen. Sie wollen es so. Zivilisierte
Menschen sollten eigentlich nicht prügeln. Wenn aber schon geprügelt wird,
unterliegt es wohl keinem Zweifel, wer das Prügeln besorgen sollte.
Ernstlich gesprochen, liegt eine ungeheure Gefahr in all diesen Dingen. Die
wirtschaftliche Basis Europas mag schwanken, die Völker Europas mögen von
ihren nutzlosen Kriegen erschöpft sein, ihre politischen Systeme mögen veraltet sein
und stagnierend. Aber es ist in Gefahr, seines vitalen stabilen Elementes verlustig zu
gehen, nämlich seines gesunden Familienlebens. Diese Gesundheit beruht auf der
richtigen Verteilung der Funktionen beider Geschlechter. Wenn man aus einer
Familie stammt, in der zur Zeit des Mittelalters eine Tochter nur als Last ange-
sehen wurde, bis ein Sohn ankam, der den Namen fortführen konnte, bedarf es
doch etwas mehr als einiger Frauenklubs, um dich von der Gleichheit deiner
Schwester mit dir selbst zu überzeugen. Wenn man mitten in einem Imperium
lebt, das seine Größe unter männlicher Verwaltung erreicht hat, dessen Parlamente,
ohne weiblichen Beistand, die Politik der Welt geformt haben, dessen Literatur,
ohne weiblichen Beistand, der Geist der Welt geformt, und dessen Verhalten,
ohne weiblichen Beistand, die Moral der Welt geformt hat, ist es nicht über-
raschend, daß man den Anspruch der Frauen auf die Herrschaft nicht allzu ernst
nimmt. Zwar machen sie sich ganz gut, wenn es sich um die Leitung Englands
handelt, aber nicht, wenn es um die Leitung von Engländern geht. Sie erhalten
Befehle, sie erteilen sie nicht. Es gehört zu den Funktionen der Frau, Befehle
zu erhalten. Und, wenn sie das vergißt, wird sie zum elendesten Geschöpf der
Erde.
Was kann man in dieser Sache tun? Nun, wenn ich selbst Ehemann wäre,
wüßte ich, was ich nicht tun würde. Ich würde mich nicht von meiner Frau wie
ein Diener behandeln lassen. Ich würde es durchaus nicht für notwendig erachten,
nach einem Zank, an dem ich schuldlos war, zum nächsten Blumenladen zu laufen
und ihr einen Zweig Orchideen zu schicken. Und ich würde mirs nicht gefallen
lassen, eine Stunde aufs Essen zu warten. Ich würde keineswegs wohnen, wo man
mirs befiehlt, ohne Rücksicht auf meinen Beruf. Auch würde ich nicht in einem
modernen Schlafzimmer schlafen, wenn ich moderne Kunst nicht leiden kann.
Noch würde ich unentwegt zahlen, zahlen, zahlen, ohne irgendeinen Beleg, wofür
ich eigentlich zahle. Noch würde ich es nötig finden, mich beständig von meiner
Frau in den Urlaub begleiten zu lassen. Noch -würde ich jemals und
unter irgendwelchen Umständen niederknieen und meiner Frau die Schuhe
schließen. (Deutsch von Lise Baumann)

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