mir glauben darf — war stets dieses: Im vorderen Drittel des Saales ungefähr
wurde wenig applaudiert und wenig gezischt, die meisten saßen teilnahmslos,
viele standen umgedreht und blickten erstaunt oder belustigt in den hinteren
Teil des Saales, wo es lebhafter zuging. Dort überwogen die Applaudierenden;
es gab weniger Teilnahmslose und einzelne Zischer. Am meisten Lärm, Applaus
sowie Zischen aber kam immer aus dem Stehparterre und von den Galerien.
Dort wurde der Kampf geführt durch Beeinflußte oder Beauftragte von Sach-
verständigen.
Jedoch ich hatte niemals den Eindruck, daß die Zahl der Zischer besonders
groß war. Es klang niemals voll wie ein präzis gesetzter Akkord guten Beifalls,
sondern wie Solisten, die ohne Verbindung untereinander, heterogener Herkunft
und Bildung, homogen nur insofern wirkten, als ihre Geräusche die Richtung
erkennen ließen, aus der sie kamen.
So und nicht anders habe ich das Publikum gesehen, wo es nicht, wie heute
bei meinen älteren Werken, applaudiert hat. Aber nebst sehr hübschen Briefen,
die ich hie und da erhalte, kenne ich das Publikum noch von einer anderen Seite
her. Mögen zum Schluß hier einige kleine erfreuliche Erlebnisse erzählt sein:
Während des Krieges, gerade bei einer Ersatzkompagnie eingeteilt, wurde ich,
der Gefreite, dem es oft recht schlecht erging, einmal von einem frisch einge-
troffenen Feldwebel auffallend gut behandelt. Als er mich nach der Übung
ansprach, hoffte ich für meine militärischen Leistungen Anerkennung zu finden.
Aber zu meiner Überraschung galt sie meiner Musik. Der Feldwebel, im Zivil-
beruf Zuschneider, hatte mich erkannt, kannte meinen Lebensweg, viele meiner
Werke und machte mir damit noch größere Freude als mit einem Lob meines
Exerzierens (auf welches ich allerdings nicht wenig eitel war!) Zwei andere
solcher Begegnungen ereigneten sich ebenfalls in Wien: das eine Mal, als ich
wegen eines versäumten Zuges in einem Hotel übernachten mußte, und das
andere Mal, als mich ein Taxi zu einem Hotel führte, erkannten mich, das erste Mal
der Nachtportier, das andere Mal der Chauffeur durch den Namenszettel meines
Gepäcks. Beide versicherten begeistert, die Gurrelieder gehört zu haben. Wieder
einmal in Amsterdam in einem Hotel sprach mich ein Lohndiener als alter Verehrer
meiner Kunst an: er hatte unter meiner Leitung in Leipzig in den Chören der
Gurrelieder mitgesungen. Aber die hübscheste Geschichte zum Schluß: Vor
kurzem, wieder in einem Hotel, fragte mich der Fahrstuhlführer, ob ich es sei,
der den Pierrot lunaire geschrieben. Den habe er nämlich vor dem Krieg (etwa
1912!) bei der Erstaufführung gehört und habe noch heute den Klang im Ohr;
insbesondere von einem Stück, wo von roten Steinen („Rote fürstliche Rubine")
die Rede war. Und er habe damals gehört, daß die Musiker gar nichts mit dem
Stück anzufangen wußten, und heute sei so etwas doch schon ganz leicht ver-
ständlich!
Es kommt mir vor: meinen Glauben an die Halbwisser, an die Sachverstän-
digen werde ich nicht aufgeben müssen; werde weiter von ihnen denken dürfen,
daß ihnen jedes Ahnungsvermögen fehlt.
Aber ob ich dem Publikum wirklich gar so unangenehm bin, wie die Sach-
verständigen immer vorgeben, und ob es sich vor meiner Musik wirklich so
sehr fürchtet, scheint mir manchmal recht zweifelhaft.
224
wurde wenig applaudiert und wenig gezischt, die meisten saßen teilnahmslos,
viele standen umgedreht und blickten erstaunt oder belustigt in den hinteren
Teil des Saales, wo es lebhafter zuging. Dort überwogen die Applaudierenden;
es gab weniger Teilnahmslose und einzelne Zischer. Am meisten Lärm, Applaus
sowie Zischen aber kam immer aus dem Stehparterre und von den Galerien.
Dort wurde der Kampf geführt durch Beeinflußte oder Beauftragte von Sach-
verständigen.
Jedoch ich hatte niemals den Eindruck, daß die Zahl der Zischer besonders
groß war. Es klang niemals voll wie ein präzis gesetzter Akkord guten Beifalls,
sondern wie Solisten, die ohne Verbindung untereinander, heterogener Herkunft
und Bildung, homogen nur insofern wirkten, als ihre Geräusche die Richtung
erkennen ließen, aus der sie kamen.
So und nicht anders habe ich das Publikum gesehen, wo es nicht, wie heute
bei meinen älteren Werken, applaudiert hat. Aber nebst sehr hübschen Briefen,
die ich hie und da erhalte, kenne ich das Publikum noch von einer anderen Seite
her. Mögen zum Schluß hier einige kleine erfreuliche Erlebnisse erzählt sein:
Während des Krieges, gerade bei einer Ersatzkompagnie eingeteilt, wurde ich,
der Gefreite, dem es oft recht schlecht erging, einmal von einem frisch einge-
troffenen Feldwebel auffallend gut behandelt. Als er mich nach der Übung
ansprach, hoffte ich für meine militärischen Leistungen Anerkennung zu finden.
Aber zu meiner Überraschung galt sie meiner Musik. Der Feldwebel, im Zivil-
beruf Zuschneider, hatte mich erkannt, kannte meinen Lebensweg, viele meiner
Werke und machte mir damit noch größere Freude als mit einem Lob meines
Exerzierens (auf welches ich allerdings nicht wenig eitel war!) Zwei andere
solcher Begegnungen ereigneten sich ebenfalls in Wien: das eine Mal, als ich
wegen eines versäumten Zuges in einem Hotel übernachten mußte, und das
andere Mal, als mich ein Taxi zu einem Hotel führte, erkannten mich, das erste Mal
der Nachtportier, das andere Mal der Chauffeur durch den Namenszettel meines
Gepäcks. Beide versicherten begeistert, die Gurrelieder gehört zu haben. Wieder
einmal in Amsterdam in einem Hotel sprach mich ein Lohndiener als alter Verehrer
meiner Kunst an: er hatte unter meiner Leitung in Leipzig in den Chören der
Gurrelieder mitgesungen. Aber die hübscheste Geschichte zum Schluß: Vor
kurzem, wieder in einem Hotel, fragte mich der Fahrstuhlführer, ob ich es sei,
der den Pierrot lunaire geschrieben. Den habe er nämlich vor dem Krieg (etwa
1912!) bei der Erstaufführung gehört und habe noch heute den Klang im Ohr;
insbesondere von einem Stück, wo von roten Steinen („Rote fürstliche Rubine")
die Rede war. Und er habe damals gehört, daß die Musiker gar nichts mit dem
Stück anzufangen wußten, und heute sei so etwas doch schon ganz leicht ver-
ständlich!
Es kommt mir vor: meinen Glauben an die Halbwisser, an die Sachverstän-
digen werde ich nicht aufgeben müssen; werde weiter von ihnen denken dürfen,
daß ihnen jedes Ahnungsvermögen fehlt.
Aber ob ich dem Publikum wirklich gar so unangenehm bin, wie die Sach-
verständigen immer vorgeben, und ob es sich vor meiner Musik wirklich so
sehr fürchtet, scheint mir manchmal recht zweifelhaft.
224