MARGINALIEN
DIE SACHE MIT SCHMELING
Augenzeugenbericht von Carl-Erdmann Graf von Pückler (New York).
„Just what do you think of the fight?" — „Ich glaube, daß Schmeling den
Kampf in der achten Runde gewonnen hätte." •— „Mensch, Sharkey spielte ja
nur mit ihm." — „Sharkey ist besser, no question about it, aber denken Sie
an sein Herz. Der Mann hat ja kein Herz. Fünf-Runden-Mann. Haben Sie
denn nicht den letzten geraden Linken von Schmeling gesehen?" — „Say what
you want, aber Sharkey war haushoch überlegen in den ersten vier Runden."
—- „Schmeling? Bunk. He's just a kid." — „Schmeling had the match. Nur
die ersten vier Runden waren gefährlich. Erinnern Sie sich nicht an Dempsey
in den ersten Runden? He staggered around." — „Leave me alone with the
fight. Just a fake, a dirty racket, bluff."
Wissen Sie jetzt Bescheid über den Kampf zwischen Schmeling, the black
Uhlan from the Rhine, und Sharkey, the Boston sailor? Wenn Sie jetzt noch nicht
Bescheid wissen, so kann ich Ihnen nicht helfen.
Ich würde gern noch meine eigene Meinung hinzufügen. Als ich meine
Meinung gestern abend wechselte, glaubte ich mich endlich im Besitz einer an-
ständigen Meinung, die sich vertreten ließe. Aber eben habe ich mit Schmeling
geredet und andere über ihn bei einem Luncheon reden hören, und da habe ich
meine Meinung natürlich wieder geändert. Ich glaube jetzt, daß Schmeling be-
stimmt den Kampf gewonnen hätte. Der Herr, mit dem ich zuletzt sprach,
glaubte das auch. Und er hatte irgend etwas mit der offiziellen Boxkommission
zu tun. Er sprach sehr eindringlich, weil er glaubte, daß die Herald Tribune,
für die ich über das Luncheon berichtete, alles abdrucken würde. Es sind aber
noch andere Herren in der Boxkommission, und ich will lieber nicht mit ihnen
reden. Schließlich ist man etwas ermüdet, wenn man seine Meinung siebzehn-
mal in zwei Tagen ändern muß. Die Elastizität meiner Ueberzeugungen hat
etwas gelitten. Ich beabsichtige, morgen zu meiner ursprünglichen Meinung zu-
rückzukehren. Meine ursprüngliche Meinung war, daß der Kampf nichts anderes
gezeigt hatte, als daß Schmeling verlor und gewann, und daß Sharkey gewann
und verlor. Alles andere, dachte ich, ist Spekulation.
Ein Amerikaner sagt in solchem Falle: „O. K." Das bedeutet soviel wie:
„Herr, flötense noch eene Note, und ick werde mir veranlaßt fühlen, Ihre Reste
auf der Straße zu deponieren." Wenn man alle Farben durcheinander dreht,
so wird es weiß, und alle Farben gehen verloren. Wenn man alle Ansichten,
die vor, während und nach dem fight in New York City geäußert worden sind,
durcheinander dreht, so kommt man zu der neutralen Ueberzeugung: Der ganze
Boxsport ist eine Geldangelegenheit, und intelligente Leute sollten sich lieber auf
Golf oder Tischtennis beschränken.
Man kann indessen soviel sagen: Der Kampf war hochgradig langweilig.
Schmeling hatte ja bekanntlich die Absicht, in den ersten Runden nichts zu tun,
und er befolgte diesen Plan mit peinlichster Genauigkeit. Sharkey boxte sauber
und in jenem Stil, der ihm den Ruf eingetragen hat, der sauberste Boxer aller
Zeiten zu sein. Aber es machte Schmeling offenbar nichts aus, ans Kinn
geschlagen zu werden. Sie hätten sich ebensogut die Hände schütteln können.
Schmelings purpurne Hose sah sehr niedlich aus. Sharkey hatte eine ebenfalls
sehr kokette schwarze mit roten Streifen an. Und die Muskeln hätten Sie mal
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DIE SACHE MIT SCHMELING
Augenzeugenbericht von Carl-Erdmann Graf von Pückler (New York).
„Just what do you think of the fight?" — „Ich glaube, daß Schmeling den
Kampf in der achten Runde gewonnen hätte." •— „Mensch, Sharkey spielte ja
nur mit ihm." — „Sharkey ist besser, no question about it, aber denken Sie
an sein Herz. Der Mann hat ja kein Herz. Fünf-Runden-Mann. Haben Sie
denn nicht den letzten geraden Linken von Schmeling gesehen?" — „Say what
you want, aber Sharkey war haushoch überlegen in den ersten vier Runden."
—- „Schmeling? Bunk. He's just a kid." — „Schmeling had the match. Nur
die ersten vier Runden waren gefährlich. Erinnern Sie sich nicht an Dempsey
in den ersten Runden? He staggered around." — „Leave me alone with the
fight. Just a fake, a dirty racket, bluff."
Wissen Sie jetzt Bescheid über den Kampf zwischen Schmeling, the black
Uhlan from the Rhine, und Sharkey, the Boston sailor? Wenn Sie jetzt noch nicht
Bescheid wissen, so kann ich Ihnen nicht helfen.
Ich würde gern noch meine eigene Meinung hinzufügen. Als ich meine
Meinung gestern abend wechselte, glaubte ich mich endlich im Besitz einer an-
ständigen Meinung, die sich vertreten ließe. Aber eben habe ich mit Schmeling
geredet und andere über ihn bei einem Luncheon reden hören, und da habe ich
meine Meinung natürlich wieder geändert. Ich glaube jetzt, daß Schmeling be-
stimmt den Kampf gewonnen hätte. Der Herr, mit dem ich zuletzt sprach,
glaubte das auch. Und er hatte irgend etwas mit der offiziellen Boxkommission
zu tun. Er sprach sehr eindringlich, weil er glaubte, daß die Herald Tribune,
für die ich über das Luncheon berichtete, alles abdrucken würde. Es sind aber
noch andere Herren in der Boxkommission, und ich will lieber nicht mit ihnen
reden. Schließlich ist man etwas ermüdet, wenn man seine Meinung siebzehn-
mal in zwei Tagen ändern muß. Die Elastizität meiner Ueberzeugungen hat
etwas gelitten. Ich beabsichtige, morgen zu meiner ursprünglichen Meinung zu-
rückzukehren. Meine ursprüngliche Meinung war, daß der Kampf nichts anderes
gezeigt hatte, als daß Schmeling verlor und gewann, und daß Sharkey gewann
und verlor. Alles andere, dachte ich, ist Spekulation.
Ein Amerikaner sagt in solchem Falle: „O. K." Das bedeutet soviel wie:
„Herr, flötense noch eene Note, und ick werde mir veranlaßt fühlen, Ihre Reste
auf der Straße zu deponieren." Wenn man alle Farben durcheinander dreht,
so wird es weiß, und alle Farben gehen verloren. Wenn man alle Ansichten,
die vor, während und nach dem fight in New York City geäußert worden sind,
durcheinander dreht, so kommt man zu der neutralen Ueberzeugung: Der ganze
Boxsport ist eine Geldangelegenheit, und intelligente Leute sollten sich lieber auf
Golf oder Tischtennis beschränken.
Man kann indessen soviel sagen: Der Kampf war hochgradig langweilig.
Schmeling hatte ja bekanntlich die Absicht, in den ersten Runden nichts zu tun,
und er befolgte diesen Plan mit peinlichster Genauigkeit. Sharkey boxte sauber
und in jenem Stil, der ihm den Ruf eingetragen hat, der sauberste Boxer aller
Zeiten zu sein. Aber es machte Schmeling offenbar nichts aus, ans Kinn
geschlagen zu werden. Sie hätten sich ebensogut die Hände schütteln können.
Schmelings purpurne Hose sah sehr niedlich aus. Sharkey hatte eine ebenfalls
sehr kokette schwarze mit roten Streifen an. Und die Muskeln hätten Sie mal
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