DOI article:
Vollmoeller, Karl Gustav: Auto und junges Mädchen
DOI article:Huchel, Peter: Die Knäbin
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.73728#0363
Man ist wieder zurückhaltend und treu. Oder man tut wenigstens so. Es ist origb
neller und modern.,
Die junge Pariserin hat diese ganze Entwicklung nicht mitgemacht. Sie kann es
sich leisten, das Auto zu überspringen. Sie ist durch eine besondere Kultur, und
durch einen ererbten tieferen Sinn für die Realität, anders auf den Mann erzogen
und eingestellt. Sie betont bewußt die Monogamie. Auch wenn sie die gelegentlich
durchbricht. Gerade dann vielleicht am meisten. Sie weiß eben aus Instinkt, daß
es für die Frau auf lange Sicht nur ein schlechtes Geschäft gibt: Viele Männer.
Und nur ein gutes: Einen Mann.
Man soll nicht den Kopf schütteln, sondern abwarten. Die Frau bezieht
alle Erscheinungen derWelt und der Technik auf natürliche und leidenschaftliche
Weise in ihre erotische Sphäre ein. Telefon und Auto sind momentan sekundäre
Geschlechtsmerkmale des jungen Mädchens.
Man hat ihr die Produkte der Technik in die Hand gegeben. Man erklärt ihr
die Mechanik des Explosionsmotors und des Differentials. Kann man ihr übeh
nehmen, wenn sie sich in der Liebe mechanisch und sachlich einstellt ... bis die
Mode sich wendet und sie plötzlich wieder Gefühl trägt?
Aber rosa Briefchen an den fernen Geliebten wird sie nie mehr schreiben.
Die Knäbin
Von
Peter Hüchel
(1927)
Dirken und nackte Mädchen am Wasser,
1 ) aber Birken sind schlanker und blasser.
Steigen die Mädchen weiß in den See,
bleiben Birken, Knabe und Reh.
*
Zopfiges Mädchen der Wälderjahre,
Knäbin der Stadt hebt, du kürztest die Haare,
äugig und Reh der Untergrundbahn,
katzig und samtig in Pelze getan.
Seidigen Mond, Perlmutt unter Strümpfen,
steigen ins Auto kurzröckig Nymphen.
Zuckender Sterne Reklame im Haar,
gehn mir zigeunern in Kino und Bar.
Fern deinen Zöpfen und Mütterjahren
wird dich das Flugzeug geschmeidiger fahren,
Knäbin der Städte, geopferten Haars,
rehhüftig, Schmaltier der Boulevards!
245
neller und modern.,
Die junge Pariserin hat diese ganze Entwicklung nicht mitgemacht. Sie kann es
sich leisten, das Auto zu überspringen. Sie ist durch eine besondere Kultur, und
durch einen ererbten tieferen Sinn für die Realität, anders auf den Mann erzogen
und eingestellt. Sie betont bewußt die Monogamie. Auch wenn sie die gelegentlich
durchbricht. Gerade dann vielleicht am meisten. Sie weiß eben aus Instinkt, daß
es für die Frau auf lange Sicht nur ein schlechtes Geschäft gibt: Viele Männer.
Und nur ein gutes: Einen Mann.
Man soll nicht den Kopf schütteln, sondern abwarten. Die Frau bezieht
alle Erscheinungen derWelt und der Technik auf natürliche und leidenschaftliche
Weise in ihre erotische Sphäre ein. Telefon und Auto sind momentan sekundäre
Geschlechtsmerkmale des jungen Mädchens.
Man hat ihr die Produkte der Technik in die Hand gegeben. Man erklärt ihr
die Mechanik des Explosionsmotors und des Differentials. Kann man ihr übeh
nehmen, wenn sie sich in der Liebe mechanisch und sachlich einstellt ... bis die
Mode sich wendet und sie plötzlich wieder Gefühl trägt?
Aber rosa Briefchen an den fernen Geliebten wird sie nie mehr schreiben.
Die Knäbin
Von
Peter Hüchel
(1927)
Dirken und nackte Mädchen am Wasser,
1 ) aber Birken sind schlanker und blasser.
Steigen die Mädchen weiß in den See,
bleiben Birken, Knabe und Reh.
*
Zopfiges Mädchen der Wälderjahre,
Knäbin der Stadt hebt, du kürztest die Haare,
äugig und Reh der Untergrundbahn,
katzig und samtig in Pelze getan.
Seidigen Mond, Perlmutt unter Strümpfen,
steigen ins Auto kurzröckig Nymphen.
Zuckender Sterne Reklame im Haar,
gehn mir zigeunern in Kino und Bar.
Fern deinen Zöpfen und Mütterjahren
wird dich das Flugzeug geschmeidiger fahren,
Knäbin der Städte, geopferten Haars,
rehhüftig, Schmaltier der Boulevards!
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