Schaefer-Ast
Bier, Kartoffeln, Fett, Süßspeisen sind
ihnen verboten. Hingegen ist ihnen
alles erlaubt, was die Schwächung der
Gesundheit fördert. Namentlich: die
Liebe.
Da sie (mit oder ohne Grund) in
deren Entgegennahme als Spezialisten
gelten, werden sie von den großen
Frauen von Welt gern zur Hauptmahl-
zeit eingenommen. Sie stellen überdies
schon in ihrem Aeußern die Mischung
dar, die komplizierten Ansprüchen
gefällt: halb Kind, halb Greis. Tat-
sächlich scheint es, daß die Jockeis
eine Entwicklungsstufe überspringen.
Sie sehen mit ihren zugleich zerfurch-
ten und unerwachsenen Gesichtern uralt
aus und fünfzehnjährig.
Rührend ist ihr Anblick, wenn sie
nach einem gewonnenen Hauptrennen
neben ihrem lorbeerumkränzten Pferd
stehen. Ihre Lungen keuchen noch; der
Schweiß perlt ihnen von der Stirn;
sie lächeln vor Schwäche. Aber
Held der Szene ist das Pferd.
Neben ihm etwa noch der fern-
glasbehangene, mit grauem
Zylinder bedeckte Besitzer des
Rennstalls, der so gewichtvoll
und ragend dasteht, als ob
nicht bloß das Roß, sondern
auch der Reiter sein Leibbesitz
wäre. Der kleine Jockei ist jetzt
nichts als sein Bediensteter.
Manchmal indessen kommt
der große Tag, an dem die Ka-
mera eine Umarmung zwischen
ihm und seinem Herrn fest-
hält. Jeder Jockei hat diesen
großen Tag. Geza Janek, der
jetzt in Königsberg Selbstmord
versuchte, erlebte ihn mit sech-
zehn Jahren, als er noch Stall-
bursche war. Das war die große
Sache mit Styrian im öster-
reichischen Derby! Kopf an Kopf
mit einem andern Pferd geht der
Hengst Styrian, auf dem Janek
sitzt, ins Ziel — der Richter-
spruch muß auf „totes Rennen"
lauten. Da, in der allerletzten
Sekunde, reißt Janek geistesgegen-
wärtig den Hals seines Pferdes in die
Höhe — Styrian hat mit einer Nasen-
länge das Derby gewonnen. Zum
Lohn promoviert der Stallbursche Janek
an Ort und Stelle zum Jockei.
Solche Finish-Taten befestigen den
Jockei oft auf Jahrzehnte in der Gunst
der Massen. Ein Beispiel war Taral,
den die Berliner als Trainer kannten.
Vorher war er in Wien Jockei beim
Baron Springer. Aber der Ruhm seiner
Finish-Kunst war so groß, daß noch
Jahre nach seinem Abgang von der
Wiener Rennbahn die Freudenau bei
spannenden Endkämpfen vom Ruf
widerhallte: Taral!... Taral! k.
Der erfolgreichste Jockei bzw.
Trabrennfahrer der Sportgeschichte dürfte
Diokles sein, der in der Antike 4257 Ren-
nen bestritt und 1462 gewann. Er ver-
diente — gering gerechnet — an 10 Millio-
nen Mark.
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