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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 12.1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.73728#0082
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Welt optimistischer an. Kahlbaum ge-
hörte Katzenellenbogen. Von jedem
bunten Likör floß ein Zehnten an
Ludwig Katzenellenbogen. Hätte diesen
Einfall nicht auch einer der Grafen
Katzenelnbogen haben können, der
Fechter mit der Pfauenfeder?
Ludwig Katzenellenbogen war in
diesen Tagen ein vierzigjähriger Mann,
sehr würdig, mit glattem, gleichgültigem
Gesicht, Familienvater, Staatsbürger.
Seine legitime Leidenschaft galt der
Kunst. Die Kunst für den Berliner
Bürger verwaltete Bruno Cassirer. Sein
Lager war mit französischen Impressio-
nisten und jungen deutschen Lyrikern
gefüllt. Aber Bruno Schönlank war kein
Sachwert wie Renoir. Sachwert hieß
die Parole und das Feldgeschrei: Hugo
Stinnes!
Die Inflation war vorüber. Ludwig
Katzenellenbogen musterte seinen Be-
sitz: Kahlbaum und Ostwerke. Ost-
werke, das hieß: Brennereien, Braue-
reien, Glasbläsereien, Zementfabriken,
ein Stinnes-Land. Im Reiche des Königs
Alkohol war Katzenellenbogen schon
ein Fürst. Er wollte Statthalter des
Königs werden. Es kam die Fusion
Schultheiß-Patzenhofer —Kahlbaum. Es
kam die Fusion dieser Gesellschaften
mit den Ostwerken. Dann kam der
Staatsanwalt, und Ludwig Katzenellen-
bogen stand vor seinem Schultheiß, der
die Schuld heischt.
Ludwig Katzenellenbogen, ehe er
nach Moabit ging, war ein Golfspieler
geworden. Der Golfschläger ist das Re-
quisit des Finanzgenies von 1931. Am
Golf vom Wannsee ist mancher ge-
scheitert. Katzenellenbogen war ein
Meister des Requisits geworden. An
zwei Tagen von sechs Arbeitstagen
trieb er die Kugel über den Golfplatz,
und die Zauberlehrlinge aus der Burg-
straße sahen ihn durch den Sand laufen,
wie den Pythagoras, der neue Wahr-
heiten ersinnt. Was sinnt Katzenellen-
bogen aus, wenn die Kugel läuft?
Katzenellenbogen war nicht mehr
Familienvater. Eine neue Ehe hatte er

in den Zeitungen angekündigt, wie ein
junger Bräutigam. Die Verbindung mit
Tilla Durieux, der früheren Gattin
Cassirers, schien ihn verjüngt zu haben.
Hatte sie ihn nur blind gemacht? Eine
Tür war hinter seiner Vergangenheit
ins Scliloß gefallen. Die Spötter meinten,
sie fiele ins Haus.
In Krotoschin staunte man das
Leben und die Herrschaft Katzenellen-
bogens wie die Legenden über den
fernen Fitzliputzli an. Denkt nur, der
große Zauberer, wenn er müde vom
Spiel ist, schläft in einem Bungalow am
Wannsee bei einer Tragödin. Sein Haus
aber ist wie eine Theaterbühne. Seiner
Frau hat er den Revolutionär Piscator
gekauft, damit er Schauspiele um sie
herum inszenieren soll. Aber das ist
nur für die Leute. Sein Heim hat der
Revuemaler Kainer ausgemalt.
Und alles war wie ein Traum!
*
Jede nicht zu Ende geführte große
Spekulation ist ein Betrug im Sinne des
Strafgesetzbuches. Die ganz große
Spekulation geht immer über den Rah-
men der Gesetze hinaus, weil sie die
Macht des Einzelnen will. Warum hat
Ludwig Katzenellenbogen nicht an die
gottgewollte Einmaligkeit des Beispiels
Josef von Aegypten geglaubt? Josef
war der erste Mann im Reiche des
Königs von Aegypten. Ludwig Katzen-
ellenbogen wollte der erste Mann im
Reiche des Königs Alkohol sein. Er
wollte die Macht und Potiphar dazu.
Pfauenfedern sind keine Wegweiser.
*
Als aber Katzenellenbogen gestürzt
war, da ging einer der Zauberlehrlinge,
die vorher das Golfspiel des Meisters
als den Zeitvertreib des neuen Pytha-
goras bewundert hatten, einer der Ge-
hilfen Piscators ging hin und schrieb
die Geschichte des Gestürzten in ein
revolutionäres Blatt. Darin stand, daß
er, der Lehrling, gewußt habe, wie alles
enden mußte.
Wirf die Katz wie du willst, sie
fällt immer auf die Füße.

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