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Raczyński, Joseph Alexander
Die flämische Landschaft vor Rubens: Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der flämischen Landschaftsmalerei in der Zeit von Brueghel bis zu Rubens — Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte, Band 1: Frankfurt am Main: Prestel-Verlag GmbH, 1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.55803#0075
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Ferne gestellt, sondern stehen in einem klaren räumlichen Verhältnis zueinander und selbst
raumschaffend im Bilde. Dieser Eindruck wird weitgehend durch malerische Mittel bedingt:
Momper «gibt feinste Lasuren, durch die die helle Grundierung hindurchleuchtet, läßt die
flüssige Farbe zur Erzielung von Schatten hier und da dick stehen, erzielt mit pastosen Re-
flexen auf seinen Felsen kubische Wirkung»151. Diese malerischen Mittel finden sich in den
Werken Brueghels im Keime enthalten. Man braucht nur die großen Steinblöcke im Bilde mit
der Bekehrung Pauli rechts unten im Vordergrund zu betrachten, um zu sehen, wie hier im
Kleinen jeder Stein als ein festes, dreidimensionales Gebilde erfaßt ist, wie durch das Betonen
der scharfen Konturen, die sich vom Dahinterstehenden abheben, und durch das Hellauf-
leuchten lassen einzelner Flächen starke räumliche Wirkungen erreicht werden. Dieselben
Mittel finden sich in den Landschaften Mompers - jetzt auf alle, auch die größten Felsformen,
auf das ganze Landschaftsbild übertragen und gesteigert. Dabei sind die farbigen Werte stär-
ker in den Vordergrund gestellt; vor allem ist die Luft als raumbildendes Element berücksich-
tigt. Im Vordergrund sehen wir meist braungraue Felsblöcke mit warmen, roten Farbflecken;
der Mittelgrund ist in einem sehr hellen, graugrünen, beinahe weißlichen Ton gehalten, mit-
für Momper so bezeichnenden - weißen Punktreihen an den Konturen; die Ferne ist in sehr
flüssig gemalte lila- und blaugraue Farbflecke aufgelöst. Die einzelnen kleinen Steinblöcke
im Vordergründe und die großen Felsen stehen als feste kubische Massen im Bilde, die scharf
gegeneinander abgesetzt sind, teils in hellem Licht stehen, teils im Schatten. Es werden da-
durch starke perspektivische Wirkungen hervorgerufen. Unendliche Entfernungen liegen
zwischen den einzelnen Bergen. Ein weiter Himmel erstreckt sich über der Landschaft, und
die «Menge der blauen Luft lähmt das Auge und macht die Anstrengung zum klaren Er-
fassen zunichte»; «das ferne Landschaftsbild hat das Aussehen der Luft und verfließt fast in
derselben, und die hochragenden Berge scheinen bewegliche Wolken» (van Mander).
In ihren einzelnen Formen und Umrissen sind die Felsen zwar wild und zerklüftet, ja
phantastisch, aber dennoch scheint sich in ihnen ein starkes landschaftliches Erlebnis auszu-
sprechen. Sie sind kaum ohne Kenntnis und genaues Studium der Bergwelt der Alpen zu
denken. Karl Lilienfeld schreibt: «So sicher es ist, daß der Künstler die Einzelmotive auf
Fahrten durch die Alpen nach Italien nach der Natur - wohl in Zeichnungen - festhielt, so
sicher ist es, daß für ihn seine Gemälde große Phantasien über die Themen Gebirge, Meer,
Himmel, Fluß, Wälder, Burgen bedeuten»152. Mit einer bloßen Wiedergabe der Natur haben
Mompers Landschaften nichts zu tun: aus der unmittelbar erlebten Bergwelt der Alpen ist
ein Stück herausgegrenzt und in künstlerischer Schau als eine Einheit gefaßt und geformt.
«Er geht von der Wirklichkeit aus, . . . aber er steigert sie in eine Sphäre von Traumwelt und
Vision», sagte Walter Cohen bei der Eröffnung einer Momper-Ausstellung153.
An die beiden Berglandschaften in Dresden schließt sich die «Landschaft im Alpencharak-
ter» des Wallraf-Richartz-Museums in Köln (Abb. 39) an; sie ist wahrscheinlich etwas später
entstanden. Jedenfalls ist hier der Bildausschnitt noch fester gefaßt, was vor allem der etwas
dunkler gehaltene Vordergrund bedingt, der das Bild abschließt und zusammenfaßt, so daß
Mittel- und Hintergrund stärker zurückweichen.
Alle diese Bilder sind mit kleinen Staffagefiguren sehr wirksam belebt; sie fügen sich un-
gezwungen in die Landschaft ein und erhöhen durch ihre bunte Kleidung die farbige Wir-
kung der Bilder; irgendeine inhaltliche Bedeutung haben sie nicht. Die Staffagefiguren der
beiden Bilder in Dresden scheinen, im Gegensatz zu fast allen späteren Landschaften, von der
Hand Mompers selbst zu sein. Diese kleinen Figuren sind mit solch einer Sicherheit sozu-

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