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Rahn, Johann Rudolf
Geschichte der bildenden Künste in der Schweiz: von den ältesten Zeiten bis zum Schlusse des Mittelalters ; mit 2 Tafeln und 167 in den Text gedruckten Holzschnitten — Zürich, 1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.29817#0279

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Jenseits der Alpen.

Basen und Knäufen versehen, deren Form am ehesten mit derjenigen des
dorischen Kapitals verglichen werden kann.1)

Einen ebenso alterthümlichen Charakter trägt der Glockenthurm der
Kathedrale von Sitten. Man hat auch diesen Bau für ein karolingisches
Denkmal ausgegeben,2) allein man wird den späteren Ursprung desselben
kaum mehr bezweifeln, wenn die Thatsache fest steht, dass der verwandte
Thurm von S. Maurice erst um die Mitte des XIII. Jahrhunderts errichtet
worden ist.3) Der viereckige Bau, der zu ebener Erde den Durchgang
zur Kirche enthält, besteht aus sechs Geschossen, die von Ecklesenen und
Rundbogenfriesen umrahmt sind. Ueber dem Zinnenkränze, der auch den
Thürmen von Leuk und Orsieres ein festungsartiges Ansehen verleiht,
erhebt sich eine achteckige Steinpyramide. Die Rundbogenfenster, die
je höher gelegen um so zahlreicher gruppirt sind, werden von runden und
polygonen Theilsäulchen getragen. Die Basen und Gesimse derselben
zeigen neben den herkömmlichen romanischen Gliederungen mancherlei
Formen, die ihre unzweideutige Herkunft aus dem Holzbaustile zu er-
kennen geben. Ein zähes Fortleben alter Traditionen ist denn überhaupt
im Wallis zu beobachten. Jahrhunderte lang, in einer Zeit wo anderwärts
die Gothik schon völlig eingebürgert war, — die Allerheiligen-Kirche
ob Sitten beweist diess — haben romanische Formen und Constructionen
dort zu Lande ihre Gültigkeit bewahrt; ein Maassstab aus dem Vergleiche
mit anderen Bauschulen ist daher nirgends geboten. Aus der älteren Zeit
stammen allem Anscheine nach die Thürme von Bourg de S. Pierre,
von Naters und Glis bei Brieg, vielleicht auch derjenige von Leuk und
Visp, wogegen der stattliche Glockenthurm von Orsieres am Grossen
S. Bernhard zwrar noch romanische Constructionen, in den Einzelformen
aber bereits die Elemente der Gothik zeigt.

FÜNFTES KAPITEL.

JENSEITS DER ALPEN.

Das Schicksal der Forschung bestimmt es, dass neben frohen Entdeckungen
auch die Momente vergeblichen Suchens nicht fehlen und Stellen sich finden,

*) Abgebildet bei Blavignac. Taf. III bis. Fig. 4 u. 5 des Atlas. — Aus der
romanischen Epoche, vielleicht aus dem XI. Jahrhundert, stammt das im Anzeiger
1862. Taf. IV. 6 abgebildete Relief, das jetzt im Klostergarten eingemauert ist
und wohl die Fronte einer Kanzel bildete.

2) Blavignac, Architecture. S. 203 mit Abbildung auf Tafel XXIII. im An-
hang zum Text. Details Taf. XXXVIII u. f. des Atlas.

3) Äußert, Tresor de S. Maurice. I. pag. 54.
 
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