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Rahn, Johann Rudolf
Geschichte der bildenden Künste in der Schweiz: von den ältesten Zeiten bis zum Schlusse des Mittelalters ; mit 2 Tafeln und 167 in den Text gedruckten Holzschnitten — Zürich, 1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.29817#0607

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Glasgemälde in Wettingen.

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erhalten sind. Sie befinden sich im nördlichen Flügel, dem ältesten Theile
des Kreuzgangs, für den sie, zum Schmuck der Fenstermaasswerke, wahr-
scheinlich um 1294 verfertigt wurden.1) Es sind derbe, vorwiegend orna-
mentale Arbeiten, die meist nach romanischen Mustern gezeichnet, in den
Farben aber sehr kräftig und geschmackvoll behandelt sind. Zwei Rosetten
enthalten die Brustbilder Christi und der Maria, zwei andere die thronende
Madonna mit dem Kinde, zu deren Füssen ein anbetender Mönch er-
scheint. Diese Bilder sind mit kecken Zügen gezeichnet, ohne Sorgfalt und
sonderliche Detaillirung, doch sind sie stilistisch vorgeschrittener als die
Ornamente, was insbesondere in der Behandlung der Gewänder zu be-
obachten ist.

Diese eben genannten Fragmente sind die einzigen Denkmäler früh-
gothischen Stiles, die im Norden des Landes erhalten blieben. Alle übrigen
Werke, die sonst noch aus dieser Epoche stammen: einzelne Miniaturen
und decorative Bildhauereien, bestätigen übereinstimmend das zähe Fort-
leben des romanischen Stiles, der bis in die Spätzeit des XIII., ja theil-
weise bis in die ersten Decennien des XIV. Jahrhunderts seine Herr-
schaft behauptete.2) Erst von da an, und auch jetzt nur im Einzelnen, in
den Ornamenten etwa, ist ein allmäliger Uebergang zu den realistischen
Formen der Got'hik zu beobachten. Ueberhaupt fehlt es denn an grösseren
Werken, die ein sicheres Urtheil über den bildnerischen Stil dieser Epoche
gestatten. Es scheint, dass in den letzten Decennien des XIII. Jahrhunderts,
nach Vollendung der grossen Bauten in Zürich und Basel, ein Stillstand
eingetreten war, nach welchem erst im XIV. Jahrhundert einige namhaftere
Unternehmungen folgten. Gerade diese Zwischenzeit ist es aber, in der
sich ein allgemeiner Umschwung der bisherigen Verhältnisse vorbereitete
und es ist nöthig diess zu wissen, will man den Umschlag verstehen, der
auch auf dem künstlerischen Gebiete erfolgte und hier, im Norden des
Landes, um so schroffer sich darstellt, als zwischen den Nachzüglern des
romanischen Stiles und den reifsten Schöpfungen gothischer Bildnerei die
Repräsentanten eines Uebergangsstiles, Denkmäler wie die Standbilder in
Lausanne z. B., vollständig fehlen.

*) S. 384 oben. Abbildungen bei Lütke, Die Glasgemälde im Kreuzgange zu
Kloster Wettingen. (Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich.
Bd. XIV. Heft 5.)

2) Beispiele sind die Ornamente anf dem Sarkophage König Albrechts in der
Klosterkirche von Wettingen, die in S. Urban u. s. w. vermauerten Backsteine
(S. 394 oben). Die Initialen des Cod. No. 26 in der Stiftsbibliothek Einsiedeln u. s. w.
 
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