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Rathe, Kurt; Warburg Institute
Die Ausdrucksfunktion extrem verkürzter Figuren — Studies of the Warburg Institute, Band 8: London: Warburg Institute, 1938

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https://doi.org/10.11588/diglit.57385#0045
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Die Ausdrucksfunktion extrem verkürzter Figuren

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letzten „Mickey-Maus“-Filme („Mickey-Maus als Polospieler“) das wie bei Giulio
Romano der stärksten Nahsicht überantwortete Stellungsmotiv des Pisanello-
Pferdes den Zwecken einer drastischen Situations-Komik dienstbar gemacht; wie
die Plumpheit und Schwerfälligkeit eines derben Ackergaules anläßlich der solcher
Art zwiefach spürbaren Verschiebung der Maßverhältnisse mit besonderer Hand-
greiflichkeit zutagetritt und bei dem bloßen Gedanken an die Bedürfnisse des
eleganten Sportes Bereitschaft zur Heiterkeit auslöst, so versinnlicht das gleich-
sam vor den Augen des Beschauers sich vollziehende Hervorquellen der rückwär-
tigen Körperpartien in drolliger Weise die latente Widerstandskraft, die das stör-
rische Tier den Bändigungsversuchen eines unbeholfenen Reiters entgegensetzt.
6) Unter welchen Umständen immer im Bereiche der orthogonalen Figuren-
Projektion eine ähnliche Konkurrenz zwischen Darstell ungs- und
Ausdrucks-F unktion zum Austrag gelangt, wird stets eine entsprechende
Herabminderung des ursprünglichen Bedeutungsgehaltes stattfinden. Dies gilt
vor allem für eine größere Anzahl von quattrocentesken Schilderungen des „Bethle-
hemitischen Kindermordes“, auf denen die Leichname der unschuldig hinge-
schlachteten Opfer in sorgfältig abgezirkelter Lagerung dem sich perspektivisch
verjüngenden Quadratnetz der Bodenfläche eingeschrieben sind: neben den drei
inhaltsgleichen Gemälden des Sienesen Matteo di Giovanni in der Kirche S. Ago-
stino zu Siena (1482), in der Galleria Reale zu Neapel (1488) und in der Kirche:
„Servi di Maria“ zu Siena (1491) — sämtlich abgebildet bei G. H. Edgell, A hi-
story of sienese painting, New York 1932, PI. 332, 337 u. 338 — wäre eines der
beiden Bilder des Venezianers Girolamo Mocetto in der Londoner National Gallery
(Catalogue no. 1240, cf. Illustrations L, Italian School, London 1930, p. 153) zu
nennen, dem in den Bezirken der nordischen Tafelmalerei der Spätgotik der
tirolische „Meister von Uttenheim“ mit einem — zumal in perspektivtechnischer
Hinsicht den transalpinen, Bestrebungen nacheifernden — Gemälde im Landes-
museum loanneum zu Graz ein zeitlich benachbartes Parallel-Beispiel gesellt: ab-
gebildet bei W. Suida, Die Landesbildergalerie und Landesskulpturensammlung in
Graz, Wien 1922, Nr. 29, T. 4, und „Österreichische Kunstschätze“ L, T. 67.
7) Die Titel der in Rede stehenden Veröffentlichungen lauten: Erhard Schön,
„Unterweysung der Proportion und Stellung der Possen, ligent und stehent, abge-
stolen wie man das vor Augen sihet. ..“, Erstausgabe Nürnberg, Christoph Zell
1538 (Faksimile-Ausgabe von L. Baer, Frankfurt a. M. 1920), bezw. Heinrich
Lautensack, „Des Circkels und Richtscheyts, auch der Perspectiv und Proportion
der Menschen und Rosse, kurtze, doch gründtliche Underweisung dess rechten
Gebrauchs“, Frankfurt a. M.2, Sigismund Feyerabend 1564; innerhalb der erst-
genannten Arbeit kommen insbesondere die 13. und 14. Figur, innerhalb der
zweiten der von J. Meder 1. c. S. 553 abgebildete Holzschnitt in Frage, der an
einer von den Füßen her gesehenen „Lucretia“-Figur Zweck und Nutzen der
„Estrich“-Felder exemplifiziert. — Die im Texte verwendete Formulierung D. Freys
entstammt seinem Buche: „Gotik und Renaissance als Grundlagen der modernen
Weltanschauung“, Augsburg 1929, S. 14.
8) Ein Einwand, durch den sich der Verfasser dieser Zeilen bereits mit der
weiter unten (Anm. 10) zitierten Arbeit H. Schrades zusammenfindet.
9) Die Zitate sind den folgenden Werken entnommen: P. Kristeller, A. Man-
tegna, Berlin u. Leipzig 1902, S. 242 ff.; K. Voll, „Mantegnas Christus und Rem-
brandts zweite Anatomie“ in „Vergleichende Gemäldestudien“, München u. Leipzig
1907, S. 183; J. Meder, Die Handzeichnung..., Wien 1919, S. 422; E. v. d. Bercken,
Malerei der Renaissance in Italien: Die Malerei der Früh- und Hochrenaissance
in Oberitalien, unter Mitwirkung von A. L. Mayer, Berlin s. a. (1927), S. 129. —
Die schon von Morelli und Thode befürwortete Datierung des Brera-Bildes in
die späteste Schaffens-Periode des Künstlers hat in der neueren Literatur meines
Wissens einzig und allein F. Knapp: „A. M., des Meisters Gemälde und Kupfer-
stiche“, Stuttgart u. Leipzig s. a. (1910), S. L = Klassiker der Kunst, Bd. XVI,
 
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