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Rethel, Alfred; Heuss, Theodor
Auch ein Totentanz: Holzschnittfolge 1849 — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 21: Stuttgart: Reclam, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.63638#0008
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noch die Fessel einer Schule kannte. Rethel hatte vielleicht
zu viel Schule, eben jene zu Ruhm und Erfolg aufblü-
hende Düsseldorfer Akademie, der er dann, zwanzig-
jährig, selber entwich, um in Frankfurt seinen Anschluß
zu finden. Aber im Grunde geht durch sein Arbeiten der
Drang, der Zwang, von der Schule, ohne sie zu verraten
oder zu verleugnen, sich zu befreien.
Menzel hat, zumal in seinen Holzschnitten, auch in
manchen der Gemälde, für die Deutschen das Bildnis des
großen Preußenkönigs, des zweiten Friedrich, geschaffen.
Ist die Anmerkung zu verwegen: von Rethel erhielten sie
das Porträt des — Todes?
Der Tod, bildhaft gefaßt, geht in erschreckender oder
in sanfter Imagination durch die Kultur- und Form-
geschichte der Zeiten und der Völker, spürbar genug, wo
und wann nicht von einer rational reflektierenden Be-
wußtheit bestimmt, enge an religiöse oder kultische
Grundvorstellungen gebunden. Er mag, ein ernst-milder
Todesengel, als der Bote des Himmels sich seiner Auf-
gabe nähern, er kann, beauftragter Geselle des Teufels,
wenn nicht gar zu einer Einheit mit ihm verschmolzen, in
triumphierender Grimasse sein „Opfer“ angehen. Die
spätmittelalterliche Kunst ist voll von solchen antitheti-
schen Malereien, in denen auch die „Neutralität“ des
Teufel-Todes gegenüber den weltlichen und kirchlichen
Ständen sehr bewußt gezeigt wird. Zur volkstümlichsten
Darstellung des Todes wurde das menschliche Skelett be-
nutzt, der „Knochenmann“, in seinen Händen als Werk-
zeug die Sense. „Es ist ein Schnitter, der heißt Tod . . .“
Hans Holbeins Holzsdinittfolge über des Todes Wande-
rung zu jeglichem Amt, Beruf, Geschlecht, Alter (erschie-
nen im Jahre 1538), die Fresken des „Totentanzes“ in der
Lübecker Marienkirche waren im deutschen Raum die
großartigsten Zeugnisse solcher Frage, dem Wissen um
das Ende und dem Spüren des Nachher zugewandt. Wo
es um das Sterben geht, ist die Ewigkeit gegenwärtig.

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