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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 2.1901

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Heft 9
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Peltzer, Alfred: Brief eines Kunst-Enthusiasten an einen modernen Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.45535#0158

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Lrief eines Lunst - Lnttiusiasten nri einen nioäernen Lünstler.

Du schreibst mir, mein lieber Breund, du
wollest xu meiner und vieler Anderer Brleucktung
und Belekrung einen ^ufsat^ über und für clie
moderne Kunst verfassen und verökfentlicben. —
leb rufe aus: ^.uck du!? 8cbon wieder Vierte!
Wann wird es ein Bnde nebmen? lVlufs denn
)eder Künstler, )eder Oitterat beute über „moderne
Kunst" reden und scbreiben? lVluls denn das
Wort „moderne Kunst" keutsutags in )edem
Atelier, in )eder ^eitungsspalte, )a an allen l'kee-
und Biertiscken als Qespenst umkerspuken?
Warte, mein lieber! Büre micb! leb sende
dir im voraus biermit die Antwort auf dein Onter-
nebmen.
Bke ick beginne, lasse micb dick fragen: Wie
kommst du, der Künstler, da?u, dick selbst kisto-
risck 2u betrackten, dick, indem du dick einen
„modernen" nennst, in eine bestimmte 2eit und
ikre Omstände kinein^uordnen? Du bist nickt
der erste Künstler, dem ick diese Krage stelle,
und der mir 2u Zürnen sick berecktigt glaubte,
weil ick mick allem, was er mit vielen änderen
über moderne Kunst redet und sckreibt, xiemlick
taub und gleickgültig gegenüber verkalte. lVleist
waren diese Beute, die mick so eifrig von ikrer
kistoriscken Wicktigkeit und von der Bedeutung
ikrer Kunst für unsere 2eit
überzeugen wollten, reckt
dekadente Brsckeinungen;
wie denn überkaupt, so
weit die Kunstgesckickte
2urückblickt, das kistori-
scke Bewufstsein und der
kistoriscke 8tol2 der Künst-
lersckaft immer blofs in
weiten der Oekadence 2U
l'age traten. Oer wakre
Künstler ist auck in dieser
Binsickt naiv, weil er so-
^usagen unabkängig ist von
2eit und Kaum (eben des-
wegen ist er ein künst-
lerisckes Wesen).
Wenn die modernen
Künstler und ikre ^nkänger
und „Vorkämpfer" weniger
von ikrerkistorisckenWick-

tigkeit und der Bedeutung ikrer Kunst und ikres
neuen „8tils" reden wollten, so würden sie wakr-
sckeinlick weit weniger lVlifstrauen begegnet sein.
8ckweigt und sckaift!
8ckweige und sckakfe, mein Kreund! 8ckake
und sei du selbst, — nickts wie du selbst! 8cka6e
aus dir keraus für — )a, wenn auck einstweilen
nur für mick und einige Breunde. 8ckakfe! und
lasse — den Kuckuck sick sckeren um die „mo-
derne" Kunst, um den „modernen" 8til, um
„moderne" Bewegungen, um )ener und deine
eigene kistoriscke Bedeutung und Bntwicklung.
8ckalfe! und wenn sick dann kerausstellen sollte,
dafs du und dein Bmeugnis eine Bedeutung kaben
für unsere 2eit, lür die „lVloderne" — um so
besser. Binstweilen interessiert mick das aber
sekr wenig und immer nur in Zweiter Oinie, —
mick, den Bistoriker der Kunst und Kunst-
sckreiber. Wenn dein Bmeugnis gut und grofs
ist, so wird es diese Bedeutung sckon erlangen,
sei es früker, sei es später; )edock darin
wird dann nickt sein eigentlicker Wert
besteken.
Ou wirfst mir vor, ick stelle dem 8treben
„moderner Kunst" Bindernisse in den Weg, oder
dock 2um mindesten, ick erfülle die mir von
 
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