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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 2.1901

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Heft 10
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Schäfer, Wilhelm: Karl Henckell
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https://doi.org/10.11588/diglit.45535#0201

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Lari Henekell

Ls muss ein eigenes Qekübl sein, sicb selbst
als abgescblossene Lrscbeinung in der Litteratur-
gescbicbte eingesargt 2u seben. Das ist Lari
Benckell gescbeben. Leine soziale Lz^rik macbte
ibn berükmt; und die ist ausgesungen, 2ur reck-
ten Zeit ausgesungen. Was uns vor einern jsabr-
zeknt berauscbte, scbeint beute nur gereimter
Leitartikel, dessen sprübende Lorrn uns nicbt
rnekr aufregt, weil der Inbalt gleicbgültig ge-
worden ist. Wir seben allerorts gesckäftige
Bände an der sozialen Arbeit. Wir sind rnit Ber^
und Verstand dabei, aber unser Qemüt ist nicbt
rnekr rnit jener sozialen Lmpbndsamkeit geladen,
die sicb an federn Wort entzündete. Damals
scbien wirklick für Deutscbland die Zeit von 48
nocb einmal wiedergekebrt: die Zeit der Ber-
wegb, Kinkel, Lreiligratb. Bauptmanns „Weber"
sogen über Oeutscbland bin, wie eine Qewitter-
wolke, deren Blitze sicb nur auf Breien Bübnen
entladen konnten. Allerorten stand die er-
scbrockene Lolisei mit Zensurparagrapben. Karl
Benckell aber, der „Beuergeist", wie ibn der
königstreue Breikerr von Liliencron andicbtete,
wurde ausgewiesen. Leine L^rikbücber säblten
su den verbotenen, und darum leidenscbaftlicb
gelesenen Lcbriften.
^ls dann die weiten milder wurden, und aucb
die Lolisei einsab, dafs die Welt nickt von
jungen Leuten in Qrund und Loden gedicbtet
werden kann: da war aucb die Zeit für jene
Lcbriften vorüber. Oie einstmals fast gefürcb-
teten Lz^rikbücber Karl Bsnckells könnten obne
Qelabr von Ltaats wegen verkauft werden; so
sebr bat die sosiale Lübrsamkeit ibre Lpannung
verloren. Karl Benckell stände in dieser neuen
Zeit als traurige Bigur, wenn er wirklick Bana-
tiker und nicbt nur Brausekopf gewesen wäre.
80 aber vollsog sicb der Lückscblag aucb in ibm.
Oadurck wurde er vor seinen „Parteigenossen"
ein Lenegat, für den Betracbter der Litteratur
aber ein IVlann, über den sicb weiter reden lälst.
Qewissermafsen, um endgültig mit demBrause-
kopf absuscbbefsen, bat Karl Benckell dann vor
einigen ^akren eine ^.uswabl aus seinen Bücbern
in einen Land „Qedicbte" susammengefalst. Im
Vorwort dasu sagte er selbst: „Ls batte sicb,
dank einer kastigen und wabllosen Zusammen-
raltung poetiscben Hausrates, im Laufe der ^sakre
swiscben den mir wabrbaft sugebörigen Qütern
ein mebr sufälbges Qerümpel von Versen auf-
gestapelt, das sicb mir unangenebm vor die
Lüfse scbob. ^.uck begann sicb der breitlläcbige
Ballast mit einer dicken und scbweren Ltaub-
scbickt su übersieben und drobte die feineren
Objekte unter seinem Wüste su ersticken. 80
legte ick, von rubigeren Augenblicken begünstigt,
endlicb Band an und säuberte mein weitläubges
l^riscbes blobilar."

Benckell wird sicb damit trösten müssen, dafs
als die „feineren Objekte" auf die Dauer nur die
rein l^riscben Dings bleiben werden, ^e mebr
der 'Brompetenscball der Kampfgedicbte blecbern
und beiser wird, desto mebr wird der feine 'Bon
der anderen uns ins Okr dringen. Diese meist
kleinen l^riscben Qedicbte bnden sicb von An-
fang an in seinen Bückern und sie offenbaren
wobl die eigene blatur dieses bescbaulicben
Qeistes, der gar nicbt so beängstigend ist, als
seine geballten Läuste und rollenden ^.ugen einst
glauben macken wollten. In der Bescbeidung
auf diese gar nickt weltumstür^ende blatur und
ibren stillen Ausbau wird sicb die eigene Be-
deutung Benckells wenn aucb nicbt für die Litte-
raturgescbicbte, so dock für die Oicbtung er-
geben. (Lin äbnlicber Lall wie bei lVlorit^ Qraf
Ltracbwit^, der durck seine Kampfgedickte be-
rübmt und durck seine stillen Venedig-Lonnette
für die Oicbtung lebendig wurde.)
Lin wenig von der Qrofsmannssucbt, die in
dem Brausekopf Benckell alles Linlacke 2U mits-
acbten scbien, 2eigt sicb aucb nocb in seinem
jüngsten Buck „bleues Leben". Wenn aucb von
einer anderen Leite. Lr kündet uns in 2U vielen
Versen an, dafs er sicb selbst gefunden bat. Ls
kommt ibm wicktiger vor, reckt deutlicb von
dieser Linkekr in ein stilles Weltglück ^u be-
ricbten als durck den stillen Lbzbkmus aucb
dem Leser ein Qelükl davon ?u geben, ^ber es
ist so viel scböne lVlusik in Benckell, dafs er
sicb aucb dieser Qebärde entwöbnen wird. Der
Oicbter ist weder Agitator, nocb l^riscber Lcbau-
spieler. Zwar sickert ibm beides den Beifall des
lages, dock Benckell bat es am eigenen Leibe
erlabren, wie dieser Beifall in lagesströmungen
kommt und gebt, blickt in der glitzernden oder
scbäumenden Oberlläcbe giebt uns das lVleer
seine Beiden, sondern aus den verscblossenen
Muscbeln seines Qrundes. ^e mebr sicb Benckell
gegen die überblicke lVleinung verkalkt und seine
Lcbalen sckliefst, um so mebr ist es gewils,
dafs der Oicbter in stiller Arbeit die Beiden
sckakft, die er uns verbeilsen bat und die wir
in reicber Lülle von seiner eigentlicben rein
l^riscben blatur erwarten dürfen. W. Lcb.
Oie nackfolgenden Verse sind dem Lammel-
band „Qedicbte" entnommen, der die von „über-
flüssigem Kram" gereinigte „l^riscbe Babe" aller
trüberen L^rikbücber Benckells umlafst. (Boe-
tiscbes 8Ki22enbucb. Onter ändern. Ltropben.
^mselrute. Diorama. 'Brut^nacktigall. Zwiscben-
spiel. Wandlungen.) Der Band ist durck Lidus
reicb illustriert. Oie Zeicknungen des bekannten
Künstlers sind -um l'eil von grölstem Lei^, kaben
aber dadurck gelitten, dafs er dem Bucbdruck
seinen feinen Ltricb opferte und grob^ügig wurde,
was seiner blatur augenscbeinlicb Zuwider ist.

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