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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Schäfer, Wilhelm: Die Farbenschau im Kaiser Wilhelm-Museum zu Krefeld
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0261

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Die Farbenschau im Kaiser Wilhelm-Museum zu Krefeld.

Gerade in diesen Frühlings- und Kirmeszeiten
habe ich die delikaten Farbenklänge bewundert,
in denen unsere niederrheinischen Dorfbewohner
ihre Häuser anstreichen. Irgend ein gelbes oder
grünliches Grau ist mit Grün und Braun mit
einer fast japanischen Sicherheit des Geschmacks
abgetönt. Die letzten Reste eines Volksgefühls
für Farbe, das durch alte Tradition zu einer der
Landschaft angepafsten Harmonie gekommen war
und nun sogar die verheerende Bildung der
letzten zwanzig Jahre überlebte. Was für ein
Bildungshochmut hat dazu gehört, unsere Hand-
werker in staatlichen Schulen diesem Erbe der
Väter durch blöden Dekorationskram zu ent-
fremden !
Aus dem Gefühl bin ich stets etwas feindlich
gestimmt, wo es sich wieder einmal um direkte
künstlerische Erziehung handelt. Alle wirklichen
Dinge wachsen von selber und ein weiser Päda-
goge weifs, dafs er nichts Höheres erreichen
kann, als möglichst viele Verziehung ab wenden.
So scheint mir auch die Erziehung des Volkes
zur Farbe als allgemeine Theorie bedenklich.
Aber in der Ausstellung des Krefelder Museums
handelte es sich um etwas Bestimmtes: Krefeld
besitzt eine Seiden- und Teppich-Industrie,
in der die geschmackvolle Farbe das Wich-
tigste ist. Und wenn hier Deneken be-
müht ist, die Fabriken von den leider land-
läufigen aber meist scheufslichen und immer
unvolkstümlichen Farbenstellungen der Ma-
kartjahre zu unbedingten Mustern zurückzu-
führen, so setzt er da an, wo alle Volks-
erziehung ansetzen mufs: an der Darbie-
tung guter Kost.
Da wäre nun mancherlei zu thun: Vor
allem die scheufslichen Anilinfarben durch
die reellen Pflanzenfarben zu verdrängen.
Deneken stellte Belichtungsproben aus. Ge-
färbte Wolle war zur einen Hälfte monatelang
dem Lichte ausgesetzt, zur andern geschützt
worden. Das Ergebnis war in den meisten
Fällen, dafs die Anilinfarben grau und
schmutzig geworden waren, während die
meisten Pflanzenfarben ziemlich unverändert
blieben. Weil sich mit Anilinfarben leichter
arbeiten läfst, werden die Wünsche des kau-
fenden Publikums allerdings hierin wenig
ausrichten können. Hier müfste konsequenter-
weise ein glattes Verbot eintreten.
Das Wichtigste aber für eine Industrie,
die stets mit neuen Farbenstimmungen kom-
men mufs, sind gute Muster aus Natur und
Kunst. Solche zu geben, war der hauptsäch-
lichste Zweck dieser Farbenschau, und das
Wichtigste darin sind die Krohnschen Farben-
tafeln. Krohn, der Direktor des Kopen-
hagener Museums, hat aus farbigen Steinen,
Schmetterlingen, alten Teppichen und japani-

schen Holzschnitten die Farbenklänge ausgezogen,
indem er jede darin vorkommende Farbe durch
einen besonders dafür begabten Maler so getreu
wie möglich auf Papier streichen liefs und dann
in gleichen Streifen nebeneinander aufklebte.
So erhielt er eine Reihe von Farbenklängen, die
überraschend eigen und wohlthuend wirken und
als Muster für Webereien, aber auch als farbige
Wirkungen der Innenarchitektur unschätzbar sind.
Das Krefelder Museum als einziges in Deutsch-
land besitzt diese Tafeln. Ich möchte die reinen
Naturmuster darunter am höchsten stellen, also
die Farbenklänge, die aus Blüten, Steinen,
Schmetterlingen und Vögeln unseres Landes
gewonnen sind. Darauf liefse sich am ersten
eine bodenkräftige Industrie farbiger Webereien
weiterbilden.
Die Ergänzung dieser Farbenschau durch
schriftliche und malerische Bekenntnisse mo-
dernster Farbenkünstler war wohl mehr Experi-
ment als Vorbild. Die unendlichen Möglichkeiten
unserer Farbenempfindung werden allerdings
deutlich gemacht, wenn Extreme wie Munch,
Signac und L. v. Hofmann ihre Farbenträume
nebeneinander zeigen. S.


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Heinrich Lauenstein: Die heilige Familie.
 
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