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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Schäfer, Wilhelm: Claus Hinrich Ringhoff
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0467

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Claus Hinrich Ringhoff.
(Eine Erinnerung von Wilhelm Schäfer.)

a hatte ich ihn seit Jahren vergessen,
sein einfältiges Schiffergesicht, sein
Häuschen hinterm Deich und das
Blinkfeuer seines Leuchtturms. Nun
an der Mosel dachte ich an ihn. In dieser ver-
lorenen Landschaft, wo die Seele sich an
sonnigen Tagen findet wie im Märchenland.
Das grüne milchige Wasser scheint stillzustehen;
und wie im Winter wohl auf Dorfstrafsen das
Eis sich aufeinander friert zu glatten Platten,
nur seltsam still bewegt: so schieben sich die
Wellen. Und nirgend ist ein Menschenlaut,
nur dann und wann ein verlorener Peitschen-
schlag. Und irgendwo ein Wagen, der polternd
über den Steindamm auf die Fähre rollt. Sonst
alles still, gleich wieder still im Märchenland.
An diesem Sonntag war es anders. Stark
über die Eifel und das Mayfeld her kam der
Sturm. Ich stand auf dem Doppelbergfried, der
aus den Trümmern der Ehrenburg gewaltig auf-
ragt. Ich sah die schweren Wolken durch-
einanderflattern wie schwarze Soldatenmäntel,
hörte den Sturm donnernd an die Felsen schlagen
und dachte an jene erzenen Zeiten, wo in den
Menschen noch die ungebrochene Kraft der
Elemente war, wo sie auf Steingipfeln horsteten
wie die Adler, und eiserne Kleider trugen, wenn
sie miteinander um Tod und Leben spielten.
Nachher in der schweren Regennacht mufste
ich über die Mosel zurück. Unter uns die
Wellen rissen den Fährnachen fast von der
Kette. In Wind und Regen stand neben mir
der Arzt, den sie gerufen hatten zu einer Mutter,
die in dieser wilden Nacht ein junges Menschen-
leben mit ihren Schmerzen gab. „Das wird
eine unglücksvolle Nacht!“ sagte er und sah
hinüber nach dem schwachen Licht, wo sie
auf ihn warteten. Aber er dachte nicht an das
neue Leben und an die Mutter: „Vierundsiebzig,
ich weifs noch gut. Es war solche Nacht.
Und nachher standen die Zeitungen voll von ge-
strandeten Schiffen und ertrunkenen Menschen.“
Da dachte ich an ihn, an Claus Hinrich
Ringhoff und seinen Leuchtturm zu Altenbruch,
an seine wilden Seemannsjahre und an sein
Leuchtschiff bei Neuwerk vor der Elbe. Was
brauchte ich zu suchen unter den Menschen
vergangener Zeiten. Claus Hinrich Ringhoff war


stark wie jemals einer. Einhundertzwanzig
Menschen hatte er in Todesfahrten aus der
Nordsee geholt, und nun war er der Leuchtturm-
wärter zu Altenbruch, der sich freute, wenn
däs Uhrwerk seiner Lampe glatt im Gange war.
Drei Sekunden blendendes Licht, dann fiel der
schwarze Zylinder und für eine Sekunde war
alles dunkel; drei Sekunden hell, eine Sekunde
dunkel bis in den Morgen.
In meinem Zimmer, als ich trocken und
wohlverwahrt war, nahm ich mein Notizbuch
vor. Da stand auf den ersten Blättern, was ich
vor Jahren ohne sein Wissen aufschrieb, als
seine Frau es mir still und beglückt zu lesen gab:
„Die Hamburgische Gesellschaft zur Be-
förderung der Künste und nützlichen Gewerbe
hat in ihrer Vorstands-Sitzung am 28. De-
zember 83 beschlossen, dem Schiffszimmer-
mann Claus Hinrich Ringhoff für die während
der Jahre 1881 bis 1883 unter seiner Leitung
und opfermutigen Beihilfe ausgeführten und
mit grofser Lebensgefahr verbundenen Rettungs-
werke, durch welche 67 Menschen aus See-
gefahr errettet worden sind, ihre silberne
Rettungs-Medaille zu verleihen.“
Hamburg, im Januar 1884.
„Namens der Deutschen Gesellschaft zur
Rettung Schiffbrüchiger bekunden wir hier-
durch, dafs wir dem früheren Vormann vom
Elbleuchtschiff 2 Herrn H. Ringhoff für hervor-
ragende Leistungen bei Rettung Schiffbrüchiger
seit dem Jahre 1864 diese goldene Medaille
der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiff-
brüchiger verliehen haben.“
Bremen, den 20. Januar 1897.
Der Ehrenpräsident Der Vorstand
Heinrich Prinz von Preufsen. H. H. Meier.
Ich las die beiden Blätter und während
draufsen der Sturm noch immer seine kreischen-
den Gespenster ums Dach jagte und durch das
brausende Laub der Bäume — wurden aus dem
Mancherlei, was mir damals seine spöttische
Einfalt erzählte, ein paar Erinnerungen zu vollen
Bildern. * *
*
Da ist einmal ein Januar, mit eisigen aber
stillen Lüften. Sie sind auf ihrem Elbleucht-
schiff Nummer zwei und sehen den Rauch der

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